Trotz 25 Milliarden Euro Schulden: Die Bahn nimmt weiteren Milliardenkredit auf
In einer Marathonsitzung beschließt der DB-Aufsichtsrat eine bis zu zwei Milliarden schwere Hybridanleihe. Doch der Bedarf ist um ein Vielfaches größer.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat die Aufnahme eines weiteren Milliardenkredits beschlossen, um die Finanznot des größten Staatskonzerns zu lindern. Bis zu zwei Milliarden Euro sollen als Hybridanleihe am Kapitalmarkt aufgenommen werden, wie unserer Redaktion bestätigt wurde. Diese Form einer eigenkapitalähnlichen Finanzierung habe unter anderem den Vorteil, dass sie nur zur Hälfte auf die Schuldenquote durchschlage, hieß es zuvor in Konzernkreisen.
Der DB-Aufsichtsrat traf sich am Mittwoch in Berlin zu einer für neun Stunden angesetzten Marathonsitzung, die um 10 Uhr morgens begann und bis in den Abend andauerte. Als wichtigster Beschluss stand der weitere Milliardenkredit weit vorne auf der Tagesordnung. DB-Chef Richard Lutz und Verkehrsminister Andreas Scheuer haben den Bahnkunden mehr Qualität und Pünktlichkeit versprochen.
Doch bisher fehlt dem ertragsschwachen und bereits mit 25 Milliarden Euro verschuldeten Konzern das Geld für zusätzliche Züge, mehr Personal und die hohen Eigenanteile zur Modernisierung der lange vernachlässigten Infrastruktur. Um die immensen Dimensionen zu verdeutlichen: Allein der Investitionsstau beim bundeseigenen Schienennetz wird auf mindestens 58 Milliarden Euro veranschlagt. Die DB AG soll den nächsten zehn Jahren mehr als 30 Milliarden Euro zum Erhalt beisteuern – das wäre das 60-fache des letzten Jahresüberschusses.
Bundesrechnungshof findet die Bahn "besorgniserregend"
In der Mittelfristplanung des Staatskonzerns klaffen schon jetzt riesige Finanzlöcher. Der Bundesrechnungshof (BRH) beziffert in einem aktuellen Sonderbericht an den Bundestag den Finanzbedarf der DB allein für 2019 auf mindestens 2,8 Milliarden Euro. Die festgelegte Schuldengrenze sei bereits zur Jahresmitte überschritten worden, die Lage des größten bundeseigenen Unternehmens „besorgniserregend“, die Regierung habe die nötige Neuausrichtung versäumt.
Der Staatskonzern wies parallel zum Beginn der Aufsichtsratssitzung die Kritik der unabhängigen Finanzkontrolleure in scharfer Form zurück. Der BRH wolle „zurück in die 80er-Jahre“, fordere einen „überbordenden Wust an Bürokratie“, seine Pläne würden dem deutschen Bahnsystem „schaden“, heißt es in einer Presseinformation. Die Mobilitätswende, die Verdoppelung der Fahrgastzahlen und die Klimaziele seien nur auf dem eingeschlagenen Weg erreichbar.
Der BRH fordert dagegen Strukturreformen von der Regierung und kritisiert das bisherige System als wenig effizient und sehr teuer für die Steuerzahler. Mit der dritten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) will Verkehrsminister Scheuer der DB AG von 2020 bis 2029 insgesamt 86 Milliarden Euro für das Schienennetz garantieren. Der BRH hält auf Basis bisheriger Erfahrungen viel bessere Steuerung und strengere Kontrollen der Verwendung für nötig und hat der Regierung bereits mehrfach empfohlen, unter anderem die Trennung der hoch subventionierten staatlichen Infrastruktur von den kommerziellen Betriebssparten des Konzern zu prüfen.
Verkauf von Arriva wird diskutiert
Die 20 DB-Aufsichtsräte hatten in ihrer Marathonsitzung unter Vorsitz des früheren Staatssekretärs Michael Odenwald neben der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Aktiengesellschaft zahlreiche weitere Probleme zu verhandeln. Darunter die peinliche Berater-Affäre, deren brisantes Ausmaß erst Stück für Stück auch durch Prüfungen des BRH herauskam.
Thema war zudem der eingeleitete Verkauf der britischen Tochter Arriva mit mehr als 50.000 Beschäftigten, der mehrere Milliarden Euro bringen soll, aber nicht so schnell vorankommt wie erhofft. Der BRH empfiehlt, auch die weltweit aktive Logistiktochter und Lkw-Spedition Schenker mit mehr als 70.000 Beschäftigten abzustoßen. Die DB AG solle sich auf das Kerngeschäft mit der Schiene in Deutschland konzentrieren, die Zukäufe und Geschäfte im Ausland sein nicht vom Verfassungsauftrag gedeckt.
Neben dem Problemprojekt Stuttgart 21, wo die DB AG Mehrkosten und einen Eigenanteil von über 5 Milliarden Euro tragen soll, kam in der Sitzung auch die Krise bei Europas größter Güterbahn DB Cargo zur Sprache. Der Betriebsrat hat die 17.000 Beschäftigten für diesen Freitag bundesweit zu Protesten und der Teilnahme an den „Fridays-for-Future“-Demos aufgerufen hat, die zur Tagung des „Klima-Kabinetts“ von Kanzlerin Merkel unter anderem im Berliner Regierungsviertel stattfinden. Die Belegschaft befürchtet eine weitere Rotstiftaktion und warnt mit Blick auf die Klimadebatte und das Ziel, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, vor „ökologischem Wahnsinn“ eines Kahlschlags bei der seit Jahren verlustreichen Sparte.