Verspätungen und Zugausfälle: Die Bahn muss für ihre schlechten Leistungen bezahlen
Verspätungen und Zugausfälle kommen dem Staatskonzern teuer zu stehen: Von 2017 bis 2023 könnten sich die Vertragsstrafen auf 1,2 Milliarden Euro summieren.
Die Deutsche Bahn AG musste allein 2017 und 2018 zusammen fast 500 Millionen Euro Vertragsstrafen wegen der vielen Verspätungen und Zugausfälle im Regionalverkehr zahlen. Bis 2023 werden insgesamt weitere rund 650 Millionen Euro Pönalen befürchtet. Die Strafzahlungen summieren sich damit auf fast 1,2 Milliarden Euro und verschlechtern die Ertragslage des Staatskonzerns massiv. Das zeigt die Mittelfristplanung. Eine Bahn-Sprecherin sagte dazu auf Anfrage, interne Papiere kommentiere man nicht.
Die Strafen sind in den Verträgen mit den Auftraggebern der Länder und Kommunen geregelt, die den Regionalverkehr ausschreiben, bestellen und bezahlen. Bei schlechter Leistung werden die staatlichen Zuschüsse gekürzt. Die DB AG und Konzernchef Richard Lutz stehen wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Züge in der Kritik. Besonders der seit Jahren verantwortliche Verkehrsvorstand Berthold Huber gerät deshalb auch intern immer stärker unter Druck.
70,4 Prozent des Fernverkehrs ist pünktlich
Im November sank die Pünktlichkeit auf neue Tiefpunkte. Im Fernverkehr erreichten nur noch 70,4 (Oktober: 71,8) Prozent der ICE- und Intercity-Züge ihr Ziel mit unter sechs Minuten Verspätung. Auch im Regionalverkehr sackte die Pünktlichkeit seit Jahresbeginn von 95,1 auf 92,3 Prozent. Dabei sind diese Werte bereits geschönt. Alle Verspätungen unter sechs Minuten und komplette Zugausfälle werden nicht eingerechnet.
Hauptursachen der Qualitätsdefizite sind den internen Unterlagen zufolge Personal- und Fahrzeugmangel sowie Engpässe im lange vernachlässigten Schienennetz, das vielerorts durch den Anstieg der Fahrgastzahlen überlastet ist. Die DB-Spitze will mit ihrer 200-seitigen „Agenda für eine bessere Bahn“ im Regionalverkehr die Lage deutlich verbessern.
Die vertrauliche Agenda sieht vor, dass mehr Triebfahrzeugführer als bisher ausgebildet werden, um den akuten Personalmangel zu mindern. Auch die Prozesse bei der Beschaffung neuer Züge sollen verbessert werden, um die häufigen Lieferverspätungen zu verringern. Der Runde Tisch zum Baustellenmanagement mit der verantwortlichen Konzerntochter DB Netz soll für eine raschere Beseitigung der vielen Defizite bei der Infrastruktur sorgen.
Die Gewinnerwartung wurde reduziert
Die DB-Spitze verspricht dem Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Bundesregierung und der Gewerkschaften das Sagen haben, deutliche Verbesserungen. 2019 sollen die Strafzahlungen wegen Verspätungen und Zugausfällen um 75 Millionen auf noch 161 Millionen Euro sinken und bis 2023 auf 123 Millionen Euro. 2017 musste die DB AG noch die Rekordsumme von 260 Millionen Euro an Pönalen zahlen. Die vielen Qualitätsmängel und hohen Strafen führen beim Staatskonzern zu drastischen Ertragseinbußen und Gewinnkorrekturen. Für 2019 erwartet die DB-Spitze im Regionalverkehr bei 8,9 Milliarden Euro Umsatz nur noch 450 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Zinsen. Zuvor standen 659 Millionen Euro in der Mittelfristplanung.
Die Schulden betragen 20 Milliarden Euro
Auch für die nächsten Jahre hat Bahn-Chef Lutz die Gewinnprognosen im Regionalverkehr deutlich um jeweils mehr als 100 Millionen Euro reduziert. Bis Ende 2022 rechnet der Konzern nun mit insgesamt 580 Millionen Euro weniger Gewinn. Die ohnehin ertragsschwache DB AG ist bereits mit rund 20 Milliarden Euro verschuldet und hat weiteren Finanzbedarf in Milliardenhöhe besonders für das Großprojekt Stuttgart 21.
Daher wächst dem Vernehmen nach auch in der Bundesregierung die Unruhe, dass der Staatskonzern mit seinen 310.000 Beschäftigten vollends zum Sanierungsfall werden könnte. 25 Jahre nach der Umwandlung der früheren Bundesbahn in eine Aktiengesellschaft werden daher die Rufe nach einer zweiten Bahnreform immer lauter.
Die massiven Qualitätsmängel kosten die Bahn auch an anderen Stellen sehr viel Geld und Vertrauen. Neben den hohen Vertragsstrafen an die Auftraggeber im Regionalverkehr muss der Konzern an Millionen von Fahrgästen Entschädigungen wegen der häufigen Verspätungen und Zugausfälle zahlen. Das betrifft vor allem den Fernverkehr, wo seit Jahren im Schnitt jeder vierte ICE sein Ziel nur noch mit sechs Minuten Verspätung und oft deutlich mehr erreicht.
1,7 Millionen Entschädigungsanträge pro Jahr
Schon 2016 hatte der Konzern deshalb rund 1,3 Millionen Entschädigungsanträge wegen Verspätungen bearbeitet, ein Jahr zuvor waren es sogar 1,7 Millionen. Auch 2017 verlangten weit über eine Million Fahrgäste Geld zurück, damals führte die Streckensperrung im Rheintal bei Rastatt nach Einsturz eines geplanten Bahntunnels zu bundesweiten Einschränkungen.
Für 2018 sind noch keine genauen Zahlen bekannt. Auch die Höhe der Entschädigungszahlungen an Fahrgäste ist noch offen, könnte aber nach vorliegenden Informationen erneut eine mittlere zweistellige Millionensumme erreichen. Die gesetzlichen Regelungen sind klar: Ab 60 Minuten Verspätung am Zielbahnhof erhalten Reisende eine Entschädigung von 25 Prozent, ab 120 Minuten sogar 50 Prozent des gezahlten Fahrpreises.