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Die Bremer Greensill Bank hat Sparer mit vergleichsweise hohen Zinsen gelockt.
© Fabian Bimmer/Reuters

Hat die Aufsicht auch bei der Greensill Bank versagt?: "Die Bafin war zu langsam und zu mutlos"

Sparer und Kommunen haben Geld der Greensill Bank anvertraut - nun ist sie pleite. Ein Interview mit Finanzexperte Gerhard Schick über das Versagen von Politik, Aufsicht und Prüfern.

Herr Schick, nach Wirecard hat Deutschland den nächsten Finanzskandal. Die Bafin hat die Bremer Greensill Bank geschlossen. Was läuft da schief?
Leider haben auch diesmal wieder die Aufsichtsbehörden zu spät gehandelt. Das ist im Fall der Greensill Bank zum einen die Bafin, zum anderen ist das der Prüfverband der privaten Banken. Beide haben zwar hingeschaut und festgestellt, da stimmt etwas nicht – haben aber nicht rechtzeitig eingegriffen. Wenn sich die Bilanzsumme einer Bank in zwei Jahren versechsfacht, dann kann man da nicht einfach zwei Jahre lang zuschauen.

Die Greensill Bank hat enorm schnell viel Geld bei Sparern und Kommunen eingesammelt. 2018 hatten Anleger dort 582 Millionen Euro geparkt, 2019 waren es auf einmal 3,8 Milliarden Euro. Hätte die Aufsicht die Bank also früher stoppen müssen?
Auf jeden Fall. Und in der Vergangenheit hat der Prüfverband das sogar getan. Das zeigt der Blick in die älteren Geschäftsberichte. Dem Vorgängerinstitut der Greensill Bank haben die Prüfer des Bankenverbands konkrete Auflagen gemacht. Das hätten sie auch in den letzten beiden Jahren tun können – haben sie aber nicht.

Und die Bafin?
Auch die Bafin hätte eingreifen können. Doch sie hat zu spät und zu zögerlich gehandelt. Ich frage mich deshalb sogar, ob die Greensill Bank nicht heute noch Einlagen einsammeln würde, wenn Credit Suisse und die Kreditversicherer dem Institut nicht den Hahn abgedreht hätten.

Gerhard Schick ist Vorstand von „Bürgerbewegung Finanzwende“. Von 2005 bis 2018 war er Bundestagsabgeordneter (Die Grünen).
Gerhard Schick ist Vorstand von „Bürgerbewegung Finanzwende“. Von 2005 bis 2018 war er Bundestagsabgeordneter (Die Grünen).
© promo

Das erinnert an Wirecard, wo die Finanzaufsicht ebenfalls sehr spät reagiert hat. Wiederholt sich die Geschichte?
Wirecard war ein ganz anderer Fall, aber es gibt Parallelen. Die Bafin war in beiden Fällen zu langsam. Sie hat zu mutlos gehandelt und zu formal.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bereits eine Reform der Bafin angestoßen. Geht die weit genug?
Die Reform greift wichtige Punkte auf, anderes fehlt aber noch. Wichtig und richtig ist zum Beispiel, dass die Bafin künftig Whistleblower ernster nehmen will – ihre Hinweise sind zu lange ignoriert worden. Auch soll es Testkäufe bei Banken geben. Die Bafin darf also nicht mehr warten, bis ein Skandal passiert, sondern muss auch vorher schon schauen: Wie läuft die Beratung der Kunden ab?

Was vermissen Sie an der Reform?
Ich sehe noch nicht, wie es zu einem echten Kulturwandel bei der Bafin kommen soll. Bislang steht die Bafin eher auf der Seite der Banken und Versicherungen. Dabei muss sie stärker im Auftrag der Bürger handeln und ihnen gegenüber auch Rechenschaft ablegen. Noch ist ihre Kommunikation aber viel zu stark auf die Branche ausgerichtet. Wenn die Bafin zum Beispiel eine Sonderprüfung bei einer Bank macht, dann behält sie das in der Regel für sich. Dabei wäre das auch für Sparer und Anleger in manchen Fällen wichtig zu wissen.

Hat Scholz rechtzeitig gehandelt?
Leider erst nach der Wirecard-Pleite, obwohl die Probleme bei der Finanzaufsicht schon vorher bekannt waren. Auch hat er die Spitze der Bafin viel zu spät ausgetauscht und konnte bislang keinen Nachfolger präsentieren. Das heißt: Die Reform bei der Bafin muss umgesetzt werden, ohne dass es einen Bafin-Chef gibt, der das in die Hand nimmt. Es ist zweifelhaft, ob das funktionieren kann. Dabei wäre zwischen der Wirecard-Pleite im Juni und dem Rauswurf von Felix Hufeld im Februar genug Zeit gewesen, einen Nachfolger zu suchen.

28 Millionen Euro hat die Stadt Monheim bei der Greensill Bank angelegt. Ob sie davon etwas wiedersehen wird, ist unklar.
28 Millionen Euro hat die Stadt Monheim bei der Greensill Bank angelegt. Ob sie davon etwas wiedersehen wird, ist unklar.
© dpa

Gelandet sind viele Anleger bei der Greensill Bank über Zinsplattformen wie Weltsparen. Welche Verantwortung tragen sie?
Die Plattformen sind natürlich in der Pflicht, eine vernünftige Auswahl unter den Geldinstituten zu treffen, an die sie Anleger vermitteln. Aber bei Greensill kann man ihnen keinen Vorwurf machen. Privatanlegern ist kein Schaden entstanden, sie bekommen ihr Geld erstattet. Dafür gibt es die Einlagensicherung.

Über die sind Kundengelder in Höhe von bis zu 100 000 Euro abgesichert. Der Sicherungstopf der privaten Banken schützt sogar Einlagen von bis zu mehreren Millionen Euro pro Sparer. Wann bekommen die Anleger also ihr Geld zurück?
Die Bafin hat sechs Wochen Zeit, um den Entschädigungsfall festzustellen. Tut sie das, muss das Geld binnen einer Woche an die Privatanleger ausgezahlt werden.

Für Kommunen aber greift die Einlagensicherung nicht. Dabei haben manche teils hohe Summen bei der Bremer Bank geparkt. Hätten sie ahnen können, dass ihr Geld dort nicht sicher ist?
Wenn eine Bank vergleichsweise hohe Zinsen bietet, während am Markt eigentlich Minuszinsen kassiert werden, dann sollte man vorsichtig sein. Und Kämmerer sind Finanzprofis: Sie müssen wissen, dass höhere Zinsen mit einem höheren Risiko einhergehen. Entsprechend müssen sie abwägen, wenn sie öffentliche Gelder managen. Es scheinen sich aber nicht alle Kommunen an ihre Anlagerichtlinien gehalten zu haben. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Von 10 000 Kommunen haben nur wenige Geld bei der Greensill Bank angelegt. Das heißt, am Ende sind es Einzelne, die sich haben verführen lassen.

Also braucht es keine Einlagensicherung für öffentliche Gelder?
Es war richtig, dass die Privatbanken 2017 den Umfang ihrer Einlagensicherung reduziert haben. Denn es waren nicht einhaltbare Versprechungen, die noch stärker über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgingen als jetzt. Wenn heute eine Kommune feststellt, dass sie auf einen riskanten oder unseriösen Anbieter gesetzt hat, dann ist das ihr Fehler. Für den muss der Kämmerer geradestehen, anstatt jetzt die Verantwortung bei anderen zu suchen. Nachdenken könnte man aber über eine Art Cashpool für Kommunen. Dort könnten diejenigen etwas anlegen, die Geld übrig haben, andere Kommunen könnten es sich leihen.

Gerhard Schick (48) saß bis 2018 für die Grünen im Bundestag, bis 2017 war er deren finanzpolitischer Sprecher. Vor drei Jahren hat er die „Bürgerbewegung Finanzwende“ gegründet.

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