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Opposition sieht weiter Aufklärungsbedarf in Wirecard-Affäre: Danyal Bayaz (Grüne), Fabio De Masi (Linke) und Florian Toncar (FDP) - von links.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

„Kollektives Versagen und Salamitaktik“: Opposition zieht Zwischenbilanz bei Wirecard-Aufklärung

FDP, Linke und Grüne werten den Wirecard-Ausschuss des Bundestags als Erfolg. Jetzt nehmen sie vor allem das Finanzministerium ins Visier.

FDP, Linke und Grüne im Bundestag haben am Mittwoch der Bundesregierung und nachgeordneten Behörden ein kollektives Versagen in der Wirecard-Affäre vorgeworfen.

In einer Zwischenbilanz zu dem seit Oktober arbeitenden Untersuchungsausschuss im Bundestag machten die Ausschussmitglieder der drei Oppositionsfraktionen deutlich, dass sich der weitere Aufklärungsbedarf aus Oppositionssicht nicht zuletzt auf den Verantwortungsbereich von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) konzentrieren wird.

Florian Toncar (FDP), Fabio De Masi (Linke) und Danyal Bayaz (Grüne) betonten dabei, dass der Untersuchungsausschuss aus ihrer Sicht schon jetzt als Erfolg gewertet werden könne – es habe mehrere Rücktritte gegeben und erste Ansätze zu Reformen bei der Finanzaufsicht.

Bayaz sagte, es gebe in der Wirecard-Affäre drei Faktoren, die miteinander zusammenhingen. Zum einen eine hohe kriminelle Energie in der Führungsetage des Finanzdienstleisters, der nach der Offenbarung von massiven Bilanzmanipulationen – fast zwei Milliarden Euro zur Deckung waren erfunden – im Juni 2020 Insolvenz anmelden musste.

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Zum zweiten ein „Kollektivversagen“ bei Behörden und in der Politik, das laut Bayaz eine frühere Aufdeckung verhindert hat. Und drittens „ein Heer von Beratern und ehemaligen Politikern“, die sich als „Klinkenputzer“ für das Unternehmen hervorgetan hätten.

Bafin als Problemfall

Insbesondere die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gilt nach den bisherigen Erkenntnissen als der zentrale Problemfall, weil sie sich „auf die falsche Seite gestellt hat“, wie Toncar die Vorwürfe zusammenfasste.

Vor allem ein im Februar 2019 ausgesprochenes Leerverkaufsverbot für die Aktie gilt als heikle Aktion in der Affäre auf Seiten von Behörden. Damit rückt aber auch das Finanzministerium als Fach- und Rechtsaufsicht in das Blickfeld.

Wie das Ministerium nun zugeben musste, war die Leitungsebene – konkret der Staatssekretär Jörg Kukies – doch vorab von der Bafin informiert worden, dass sie zu diesem Mittel zum Schutz des Unternehmens vor Attacken auf die Aktie greifen will.

In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken hatte es im Februar noch geheißen, dem sei nicht so gewesen. De Masi warf dem Ministerium "Salamitaktik" vor. Anlass für das Leerverkaufsverbot war ein Hinweis der Staatsanwaltschaft München, wonach es einen Erpressungsversuch gegen Wirecard gegeben habe.

Nach den bisherigen Erkenntnissen im Ausschuss wurde weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Bafin geprüft, ob die von einem Wirecard-Anwalt vorgetragene Geschichte überhaupt stimmte.

Was wusste und tat Staatssekretär Kukies?

Toncar betonte, dass ein Leerverkaufsverbot „ein gravierender Eingriff in den Markt, eine absolute Notmaßnahme“ sei. Ein Kenner wie Kukies wisse das. Daher sei in der Befragung des Staatssekretärs, der zuvor Manager bei Goldman Sachs war, zu klären, wie weit er sich habe informieren lassen.

Das Finanzministerium hat die Fach- und Rechtsaufsicht über die Bafin, hat aber kein direktes Weisungsrecht. Toncar sagte, es gehe in den nächsten Wochen im Ausschuss auch „um Reputation und Amt“ von Kukies. Das Leerverkaufsverbot sei ein „Kardinalfehler“ gewesen.

Kukies hatte sich im November 2019 auch direkt mit Wirecard-Chef Markus Braun getroffen, wohl aus Anlass der Betrugsvorwürfe gegen das Unternehmen. Laut Toncar ist es „im besten Fall ein Ausdruck von hoher Naivität“, in einer solchen Situation ein Gespräch ohne Zeugen und Protokoll zu führen.

Vom 20. April an werden Regierungsmitglieder im Ausschuss befragt, als Höhepunkt jeweils einen ganzen Tag Scholz und Kanzlerin Angela Merkel.

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