Flüchtlinge: DGB steht Merkel zur Seite
Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann: Wir sind ein reiches Land und können die Integration der Flüchtlinge schaffen
Die Gewerkschaften unterstützen den Kurs von Andrea Merkel. „Ja, wir können es schaffen“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann am Montag in Berlin. Wie so vieles in diesen Wochen drehte sich auch das Jahresauftakt-Pressegespräch der DGB-Spitze um die Flüchtlinge. Hoffmann bescheinigte der großen Koalition einen „Stresszustand“ und die Zunahme von „Rechtspopulismus und Rechtsextremismus“ findet er „besorgniserregend“. Aber zur Panik gebe es keinen Anlass. „Deutschland ist ein reiches Land“, sagte er, und mit einem besseren Management, wozu vor allem funktionstüchtige öffentliche Institutionen gehörten, sei die Integration der Zuflucht suchenden Menschen möglich. „Mit Sorge“ sehe er den Landtagswahlen im März entgegen, wo die rechte AFD laut Umfragen mit zweistelligen Ergebnissen rechnen kann.
"Der öffentliche Dienst ist zu schwach"
Für den DGB-Chef sind das Protestwähler, die man mit Aufklärung gewinnen und nicht mit „Parolen“ verschrecken sollte. Und es dürfte keinesfalls einen Wettbewerb geben zwischen denen, die kommen, und den Einheimischen, denen es nicht gut gehe. Derzeit lebten hierzulande rund 1,3 Millionen junger Leute zwischen 20 und 29 Jahren, die keine Ausbildung hätten. Auch um diese müssten sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kümmern. Geld dafür sei reichlich vorhanden: Von einer Vermögensteuer und der Ablösung der 25-prozentigen Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkommen durch den persönlichen, in der Regel höheren Einkommensteuersatz verspricht sich die DGB-Spitze einige Milliarden und daneben mehr Steuergerechtigkeit.
Einen Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und der Ausstattung des öffentlichen Dienstes stellte Hoffmanns Stellvertreterin Elke Hannack her. In den vergangenen zwei Jahrezehnten sei die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund, Ländern und Kommunen von 6,7 Millionen auf 4,65 Millionen gefallen. Heute brauche man allein 9000 zusätzliche Polizisten, damit die Beamten die angehäuften Überstunden abbauen könnten.
Mehr als 50 000 Erzieher und Lehrer nötig
Hannack rechnete weiter vor, dass zur Betreuung der Flüchtlinge 24 000 neue Lehrer, 6000 Sozialarbeiter und 30 000 Erzieher für die Minderjährigen eingestellt werden müssten. Und da vermutlich im kommenden Jahr „zehntausende“ Flüchtlinge auf den Ausbildungsmarkt kommen, müssten die Unternehmen viel mehr Lehrstellen anbieten. Im vergangenen Jahr habe es erstmals seit vielen Jahren mehr Stellen gegeben, und zwar 7000. Im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung hätte die Wirtschaft aber 20 000 zusätzliche Ausbildungsplätze versprochen, kritisierte Hannack, die als CDU-Mitglied die Union im DGB-Vorstand vertritt.
Der Mindestlohn wirkt
Erwartungsgemäß bilanziert der DGB die inzwischen einjährige Erfahrung mit dem Mindestlohn positiv. Für 3,6 Millionen Menschen bedeuteten die 8,50 Euro Mindeststundenlohn eine Einkommenserhöhung. Gesamtwirtschaftlich gesehen habe der Mindestlohn in Ostdeutschland zu einer Lohnerhöhung um 8,2 Prozent und im Westen um drei Prozent geführt. In der zweiten Jahreshälfte 2016 wird nun die Mindestlohnkommission entscheiden, wie der Mindestlohn zum 1. Januar 2017 steigt. Maßgeblich dafür sind die Tarifabschlüsse 2015 (rund drei Prozent) und im ersten Halbjahr 2016. Am kommenden Donnerstag präsentiert die IG Metall ihre Forderung für die anstehende Tarifrunde. Und weil „die ökonomische Situation gut ist“, sieht der DGB-Vorsitzende keinen Grund zur Zurückhaltung. Anders als das arbeitgebernahe IW aus Köln. „Die expansive Lohnpolitik der vergangenen Jahre“ habe die Kostenvorteile der deutschen Firmen aus den Jahren 1999 bis 2007 teilweise aufgezehrt. „Die Tarifparteien sollten daher vorsichtig bei weiteren Lohnerhöhungen sein“, warnte IW-Chef Michael Hüther.
Der DGB hat 6,1 Millionen Mitglieder
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, zu dem acht Einzelgewerkschaften gehören, hat derzeit 6,096 Millionen Mitglieder, das sind 9340 weniger als vor einem Jahr. Hoffmann sieht die Gewerkschaften trotzdem auf Kurs, da sich die Zahl der erwerbstätigen Mitglieder erhöht hat. „Die Wahrnehmung der Gewerkschaften“ habe sich verbessert, meinte Hoffmann, der seit 20 Monaten den DGB führt.