Bruttosozialprodukt sinkt: Deutschland rutscht in die Rezession
Schrumpfende Wirtschaft zieht ganz Europa mit nach unten. Altmaier spricht von einem Weckruf. Streit um schwarze Null.
Nach neun Jahren des ununterbrochenen wirtschaftlichen Aufschwungs muss sich Deutschland auf eine Rezession einstellen. Zwar rechnen Ökonomen nicht mit einem tiefen Abschwung und die Bundesregierung hält für 2019 insgesamt noch immer eine positive Entwicklung für möglich. Doch der aktuelle Trend insbesondere in der Exportwirtschaft deutet darauf hin, dass Deutschland seine Rolle als Wachstumsmotor Europas einbüßt und als größte Volkswirtschaft der Gemeinschaft auch die Entwicklung der anderen Länder negativ beeinflusst.
Obwohl die deutschen Wachstumszahlen des ersten Quartals (0,4 Prozent) in diesem Jahr noch positiv waren, erkannten die Experten bereits Anzeichen eines Abflauens, die sich nun bestätigen. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,1 Prozent, und es sieht alles danach aus, dass auch im dritten Quartal kein positives Ergebnis herauskommt. Experten sprechen in solchen Fällen von einer „technischen Rezession“, die deutsche Konjunktur steht offenbar auf der Kippe. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht in den Zahlen zwar einen „Weckruf und ein Warnsignal“. Gleichzeitig sagte der Minister der „Bild“-Zeitung aber: „Ein deutlicher Abschwung zeichnet sich nicht ab.“
Der Blick in die Nachbarländer zeigt: Wenn der Stärkste schwächelt, geht das an den anderen nicht spurlos vorbei. Europas Wirtschaft legte nach Angaben des Statistikamtes Eurostat im Frühjahr nur noch um 0,2 Prozent zu, was faktisch eine Halbierung des Vorquartalswachstums bedeutet. Den Grund sehen die Statistiker ganz klar in Deutschland. Volkswirte sprachen am Mittwoch vom „Sorgenkind Deutschland“.
Export als tragender Säule
Fragt man nach den Ursachen des Niedergangs, wird zwar gern auf die negativen Einflüsse der Weltwirtschaft, der Schwäche Chinas und der anhaltenden Handelsstreitigkeiten zwischen den Asiaten und den Amerikanern verwiesen. Und wahrscheinlich liegt darin auch ein Großteil der Wahrheit, schließlich ist die Exportwirtschaft seit Jahren die tragende Säule der deutschen Ökonomie, und nur die ungebrochene Kauflaune der Deutschen verhindert derzeit, dass die Wachstumszahlen noch stärker einbrechen.
Immer lauter werden aber auch die Verweise auf hausgemachte Gründe für den stotternden Konjunkturmotor: viel zu wenig öffentliche und private Investitionen, kaum strukturelle Reformen, die Innovationen antreiben, und nicht zuletzt die tiefe Krise der Automobilwirtschaft, von der ein großer Teil der Deutschen direkt oder indirekt lebt. Die deutschen Unternehmen seien „in der harten konjunkturellen Realität angekommen“, bilanziert DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Während die Wirtschaft am Mittwoch ihre Forderungen nach Konjunkturprogrammen, also Investitionen und Steuersenkungen, erneuerten und sogar forderten, im Bundeshaushalt neue Schulden zu machen, also die „schwarze Null“ aufzugeben, zeigte sich die Regierung betont gelassen. Man sehe keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen, die die Konjunktur stabilisierten, sagte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer. Und ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, es seien bereits konjunkturwirksame Maßnahmen auf den Weg gebracht worden oder geplant – wie die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Er verwies außerdem auf Rekordinvestitionen des Staates.
Lediglich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der von einer „massiven Konjunkturabkühlung“ spricht, mahnte, trotz der nach wie vor niedrigen Arbeitslosigkeit „Vorsorge für schwierige Situationen“ zu treffen. Schon am Dienstag hatte Heil Pläne für neue Kurzarbeiterregelungen in einem von ihm so benannten „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ vorgelegt.
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