Marktbericht: Deutschland im Immobilienrausch: Zehn Prozent Wertzuwachs im Jahr
Die Immobilienpreise steigen kräftig, besonders von Eigenheimen in Städten. Und so viel Umsatz gab es seit dem ersten Gutachterbericht noch nicht.
Boom ohne Ende - und eine Blase ist nicht absehbar. Der Deutsche Immobilienmarkt ist auf Rekordkurs: 900.000 Immobilien im Wert von 191 Milliarden Euro wechselten im vergangenen Jahr den Eigentümer. Und weil der Zuzug in die Städte und Metropolenregionen unvermindert anhält, korrigiert der Bund sogar seine "Bedarfsprognose" für den Neubau von Wohnungen nach oben.
Wo im Frühjahr noch 270.000 neue Wohnungen im Jahr zur Deckung des Wohnungsbedarfs als ausreichend angesehen wurden, hält der Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung Harald Hermann nun den Neubau von "350.000 bis 400.000 Wohnungen" zur Dämpfung der Wohnungsnot für erforderlich.
Seine Korrektur nahm Herrmann bei der Vorstellung des "Immobilienmarktberichtes Deutschland 2015" durch den Arbeitskreis der Gutachterausschüsse vor. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Auswertung von einer Million Kaufverträge über Immobilien durch öffentlich bestellte Gutachter, weshalb deren Bericht als objektives Abbild des Marktes gilt. Und darin wimmelt es nur so vor Rekordmeldungen: Noch nie seit der ersten Auflage des Berichtes im Jahr 2007 wurde so viel in deutsche Immobilien investiert wie im vergangenen Jahr.
Und seit langem gibt es bei den Umsätzen nur einen Trend: aufwärts. Seit dem Jahr 2009 sei das "Investitionsvolumen" um jährlich rund acht Prozent gestiegen. Dabei stehen Großstädte und städtische Kreise im Zentrum des Käuferinteresses, 65 Prozent aller Kaufverträge wurden dort abgeschlossen.
Eigenheime, Wohnungen und Miethäuser sind besonders begehrt
Besonders stark im Fokus der Investoren sind Wohnimmobilien, auf deren Handel rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes entfallen: 130 Milliarden Euro. Besonders begehrt in diesem Marktbereich: Eigenheime und Einfamilienhäuser, die rund drei Viertel des Geschäftes mit Wohnimmobilien ausmachen. Besonders begehrt sind Eigenheime in Großstädten, wo deren Preise sich "um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr" erhöhten. Die höchsten durchschnittlichen Preise pro Quadratmeter zahlten Käufer für Ein- und Zweifamilienhäuser in München: rund 7200 Euro je Quadratmeter.
Deutschland bleibt allerdings gespalten: weil die Menschen aus den ländlichen Regionen wegziehen, bleiben dort auch die Immobilienpreise im Keller. Für 500 Euro je Quadratmeter sind Wohnungen etwa in Sachsen-Anhalt zu haben, im Landkreis Mansfeld-Südharz, aber auch im Niedersächsischen Osterode am Harz.
4200 Euro je Quadratmeter im Durchschnitt - München ist am teuersten
Ähnlich begehrt wie Eigenheime sind auch Eigentumswohnungen, wo der Geldumsatz bei Verkäufen um jährlich zehn Prozent stieg. Nicht ganz so stark stiegen dagegen die Durchschnittspreise (plus 2,7 Prozent). Allerdings hängt hier viel von der Lage und der Ausstattung ab: "In den oberen Preiskategorien legten die Preise um sechs Prozent pro Jahr zu", wogegen die Preise günstiger Wohnungen stabil blieben und teilweise sogar leicht rückläufig waren. Am teuersten sind Wohnungen wiederum in München mit 4200 Euro je Quadratmeter, gefolgt von Sylt (3950 Euro) und Starnberg (3850 Euro).
Noch stärker als die Preise von Wohnimmobilien stiegen jene von Agrarflächen: ein Plus von zwölf Prozent verzeichneten die Gutachter hier. Wegen der großen Nachfrage hätten landwirtschaftliche Betriebe teilweise Schwierigkeiten die erforderlichen Bewirtschaftungsflächen hinzuzukaufen. Die Preise schwankten von einem Euro je Quadratmeter in den östlichen Ländern und 3,30 Euro im Westen und Norden der Republik. Anders als bei den übrigen Immobilien sei hier mit weniger stark steigenden Preisen zu rechnen.
Wegen des Zuzugs auch von Flüchtlingen kein Ende des Booms in Sicht
Auch im nächsten und in den Folgejahren sei mit einer "erhöhten Nachfrage nach Wohnungen am freien Wohnungsmarkt" zu rechnen, sagte Herrmann, nicht zuletzt auch wegen der Zunahme der Flüchtlingszahlen. "Kurzfristig ist der Mangel nicht zu beheben", räumte Herrmann ein. Zwar habe die Bundesregierung mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen Instrumente zur Entspannung des Marktes geschaffen. Es würden aber zwei bis drei Jahre vergehen, bis die Maßnahmen wie eine verbilligte Abgabe von Bauflächen sowie die Befreiung von Auflagen und Normen wirken werden. Der Bund allein habe es allerdings nicht in der Hand. Länder und Kommunen seien gefragt. Diese müssten dringend Bauland bereitstellen, an dem es bisher vielfach fehle.
Von den guten Umsätzen und steigenden Preisen am Immobilienmarkt will auch die Aktiengesellschaft Vonovia profitieren. Die erste Hürde zur weiteren Expansion hat die bisher als "Deutsche Annington" bekannte Firma genommen: Das Kartellamt hat deren Übernahme der zweitgrößten Wohnungsunternehmens des Landes genehmigt: der Deutschen Wohnen.