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Die in Minsk erzielten Fortschritte helfen auch deutschen Unternehmen.
© p-a/dpa

Waffenruhe beruhigt Wirtschaft: Deutsche Unternehmen profitieren von den Fortschritten in Minsk

Auf den Frieden setzen: Deutsche Unternehmen profitieren von dem in Minsk vereinbarten Waffenstillstand in der Ukraine. Die Börsenkurse legen kräftig zu.

Die Anspannung im Saal ist deutlich zu spüren. Immer wieder checken die anwesenden Journalisten und Unternehmer die Nachrichten, die auf ihren Mobiltelefonen aufpoppen. „Wir leben in schwierigen, turbulenten Zeiten“, sagt der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes. Die Industrie- und Handelskammer hat ihn an diesem Donnerstagmorgen als Redner zum wirtschaftspolitischen Frühstück ins Ludwig-Erhard-Haus gebeten. Durch Zufall findet das an einem Tag statt, der entscheidend werden soll für den Frieden in Europa. Als dann die Nachricht über die Waffenruhe in der Ukraine kommt, sind alle erleichtert: Politiker wie Unternehmer. Denn auch für die Wirtschaft hat das Minsker Versprechen auf Frieden erhebliche Bedeutung.

Russlands Automarkt birgt großes Potenzial

Aufgrund des Ukraine-Konflikts sind die deutschen Exporte nach Russland im vergangenen Jahr um 14 Prozent zurückgegangen. „Das ist eine kritische Entwicklung“, sagt Cordes. Besonders der Maschinenbau sowie die Autokonzerne Volkswagen und Opel seien betroffen. Dabei berge gerade der russische Markt „brachliegende Potenziale“, wie Cordes es formuliert. So hätten etwa Experten noch vor Ausbruch der Ukraine-Krise prognostiziert, Russland könne zum großen Absatzmarkt für deutsche Automobile werden. Doch in den letzten Monaten sei daran nicht mehr zu denken gewesen. Jetzt könnte sich die Lage wieder etwas entspannen, da neue Sanktionen gegen Russland vorerst vom Tisch sind.

Entspannung im Ukraine-Konflikt könnte die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland beflügeln.
Entspannung im Ukraine-Konflikt könnte die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland beflügeln.
© whiteisthecolor - Fotolia

Entsprechend freudig reagierten auch die Anleger am Donnerstag auf die Nachricht aus Minsk. Der russische Leitindex RTSI hat an der Moskauer Börse deutlich zugelegt. Der deutsche Leitindex Dax stieg in der Spitze auf 10 950 Punkte – und kratzte damit an der Marke von 11 000 Zählern, auf die Anleger seit Wochen warten. Auch der Index der mittelgroßen Werte, der M-Dax, gewann. Er sprang auf den Rekordwert von 19 218 Punkten. Sowohl im Leitindex wie im M- Dax sind viele exportstarke Firmen vertreten, die von einer Entspannung im Osten profitieren. Das gilt zum Beispiel für den Handelskonzern Metro, der sowohl in Russland als auch in der Ukraine etliche Einkaufsmärkte betreibt. Der Pharmakonzern Stada baut sogar gerade sein Russlandgeschäft ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen weiter aus. Auch für den Sportartikelhersteller Adidas ist Russland ein wichtiger Handelspartner. Die Aktien aller drei Unternehmen legten am Donnerstag kräftig zu.

Sinkende Preise bedeuten ein Risiko

Neben der Waffenruhe gab es weitere Nachrichten, die die Aktienmärkte stützten. So sind die Preise in Deutschland im Januar gesunken, die Inflationsrate lag bei minus 0,4 Prozent. Zwar freut das die Verbraucher, doch volkswirtschaftlich ist das gefährlich. Verbraucher halten sich bei sinkenden Preise ebenso zurück wie Unternehmen mit Investitionen, sodass eine Spirale nach unten droht, eine Deflation. Die Wirtschaft könnte in eine Rezession rutschen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Auch deshalb, weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen extrem niedrig hält. Das wiederum treibt die Anleger an, Aktien zu kaufen – schlichtweg weil sie kaum noch renditestarke Alternativen haben. Nicht nur die EZB setzt auf eine lockere Geldpolitik. Auch die schwedische Notenbank hat am Donnerstag ihren Leitzins weiter gesenkt, er liegt nun bei minus 0,1 Prozent. All diese Nachrichten sprechen für einen anhaltenden Aktienboom – der jedoch an den meisten Deutschen vorbeigeht. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts haben Bundesbürger nur sieben Prozent ihrer Ersparnisse an der Börse angelegt. Zuletzt haben sie sich sogar weiter von ihren Firmenanteilen getrennt.

Anders als ein Großteil der hiesigen Verbraucher profitieren die deutschen Unternehmer dagegen von den steigenden Aktienkursen. Sie können sich leichter an der Börse mit Kapital eindecken. Der Waffenstillstand in der Ukraine sorgt nun an den Märkten für eine weitere Entspannung – zumal viele deutsche Konzerne trotz der Krise an ihrem Russlandgeschäft festgehalten haben. „Es gibt keinen, der gesagt hat, wir gehen aus dem Markt raus“, sagt Cordes. Ein Unternehmer habe die Haltung so zusammenfasst: „Wir überwintern.“

 Das Vertrauen hat gelitten

Aus Sicht des Ost-Ausschuss-Chefs gibt es für ausländische Unternehmen in Russland noch einiges zu tun. Cordes sieht das Land am Anfang seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Das zeige sich an der hohen Abhängigkeit vom Rohstoffexport. Andere Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe seien vergleichsweise schlecht entwickelt. Sobald sich das ändere, könnten davon auch deutsche Firmen profitieren.

In welchem Umfang das künftig möglich sein wird, weiß nicht einmal der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. Denn trotz intensiver Kontakte der Unternehmer auch während der Ukraine-Krise habe das Vertrauen durch die Spannungen gelitten. „Viele Brücken, die wir geknüpft haben, sind in Mitleidenschaft gezogen worden“, sagt Cordes. Für die Zukunft der deutsch-russischen und europäisch-russischen Beziehungen wünscht sich der Vorsitzende des Ost-Ausschuss vor allem einen regelmäßigen, institutionalisierten Dialog zwischen den Staaten. Außerdem könnte eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok hilfreich sein, meint Cordes.

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