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Die deutsche Industrie erhofft sich, Rohstoffe bald auch im All abzubauen.
© imago/Ikon Images

Raumfahrt: Deutsche Industrie fordert mehr Geld für Space-Firmen

Auf dem Weg ins All droht Deutschland, abgehängt zu werden. Ein eigenes Weltraumgesetz ist bereits geplant

Von Laurin Meyer

Wenn in wenigen Wochen eine Sojus-Rakete von russischem Boden aus ins All startet, dann ist auch Hightech aus Berlin an Bord: Es sind sechs kastenförmige Mini-Satelliten, gerade einmal 30 Zentimeter hoch, dafür aber Hunderttausende Euro teuer. Hergestellt hat sie das Berliner Start-up German Orbital Systems aus Moabit. Zu den Kunden gehören Forschungseinrichtungen, aber auch Chiphersteller, die mithilfe der Satelliten testen wollen, ob ihre Mikrochips den Belastungen des Weltraums standhalten. Die junge Raumfahrtfirma bekomme derzeit viele solcher Anfragen, freut sich Gründer Walter Ballheimer.

Den Erfolg haben er und seine 14 Mitarbeiter sich aber hart erarbeiten müssen. „Wir haben keinen Cent an Fördergeldern vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt erhalten, wir haben kein Bankdarlehen bezogen“, sagt Ballheimer. Stattdessen muss der Gründer allein von seinen bezahlten Aufträgen leben. „Wir können uns mit unserem Geschäft über Wasser halten“, sagt er. Sich gegen die ausländische Konkurrenz zu behaupten, falle ihm aber schwer.

BDI fordert mehr Geld und ein Gesetz

Zu wenig Fördermittel und fehlende Investoren? Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) befürchtet, Deutschland könnte den Anschluss auf dem Weg ins All verlieren – und hat jetzt einen Forderungskatalog aufgestellt. So soll die Bundesregierung unter anderem mehr Geld zur Verfügung stellen, etwa über einen Weltrauminnovationsfonds oder zugeschnittene Förderprogramme.

Außerdem müsse die Bundesregierung mit einem eigenen Weltraumgesetz mehr Rechtssicherheit schaffen. „Notwendig sind Rahmenbedingungen, die private Investitionen befördern“, sagt Stefan Mair, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Sein Verband sieht im All ein Milliardengeschäft. Schon heute beträgt der weltweite Raumfahrtumsatz etwa 260 Milliarden Dollar. Marktbeobachter gehen davon aus, dass sich der globale Raumfahrtmarkt bis zum Jahr 2040 verzehnfachen wird. Satellitentechnik wird gebraucht für das vernetzte Fahren und zur schnellen Kommunikation, Weltraumteleskope können immer bessere Fotos von der Erde machen.

Budget in Frankreich mehr als doppelt so groß

„Deutschland hinkt im Vergleich zu den USA, Frankreich und Luxemburg aber deutlich hinterher“, mahnt Mair. Das zeige sich allein beim nationalen Budget. Während die Franzosen im vergangenen Jahr 726 Millionen Euro für Raumfahrt ausgegeben haben, beinhaltete das deutsche „Nationale Programm für Weltraum und Innovation“ gerade einmal 285 Millionen Euro.

Der Vergleich mit den USA fällt noch drastischer aus: Das Budget der US-Weltraumagentur Nasa lag im vergangenen Jahr bei 21 Milliarden Dollar. Dabei würden die Grundvoraussetzungen für einen Space-Standort Deutschland stimmen, ist der BDI überzeugt. „Die deutsche Industrie bildet mit Systemhäusern, mittelständischen Unternehmen und Start-ups die gesamte Space-Wertschöpfungskette ab“, sagt Mair. Diesen Vorteil solle Deutschland im Hinblick auf raumfahrtbasierte Anwendungen stärken.

Hierzulande ist Raumfahrt bislang ein Privileg von wenigen Großen. Airbus, Hersteller der Ariane-Rakete, und der Raumfahrtkonzern OHB gehören zu den Vorzeigefirmen in Deutschland. Sie greifen einen Teil der Fördergelder ab, bekommen die großen staatlichen Aufträge. Marktneulinge wie Ballheimer scheinen dagegen unterfinanziert zu sein. Das will auch Sebastian Straube, Geschäftsführer beim Start-up-Förderer Interstellar Ventures, erkannt haben: „Wir brauchen in Europa dringend Kapital für die Früh- sowie die Wachstumsphase von Space-Start-ups“, sagt Straube.

Investitionsfonds für Space-Firmen

Bis Jahresende will der Berliner deshalb einen 80 bis 100 Millionen Euro schweren Fonds zur Förderung von Gründern aufsetzen. Das Geld will er bei Privatpersonen, Unternehmen aber auch bei institutionellen Investoren einsammeln. Als Berliner habe er besonders die Hauptstadt im Blick: „Das ist auch ein Versuch, Berlin nach vorne zu bringen“, sagt er. Doch er sieht sich auch im Ausland um, vor allem in Luxemburg.

Die Bundesregierung will beim Wettlauf zu den Sternen jedenfalls nicht länger zusehen. In den kommenden Monaten soll ein Diskussionspapier zur Förderung und Regulierung der deutschen Raumfahrtbranche vorgelegt werden, verspricht der Luft- und Raumfahrtkoordinator Thomas Jarzombek (CDU). Fragen, die andere Länder schon längst geklärt haben, sollen dann auch hierzulande auf den Tisch kommen – etwa zur grundlegenden Strategie, zur Förderstruktur oder aber zur Haftung.

Vor allem Letzteres beschäftigt die Branche: Wer muss zahlen, wenn deutsche Space-Firmen einen Schaden verursachen? Je mehr Flugkörper um die Erde kreisen, desto größer wird nämlich die Gefahr von Kollisionen. Trifft ein tonnenschweres Teil etwa auf eine Wohnsiedlung, könnte das die Unternehmen in die Insolvenz treiben, denn momentan müssten sie dafür haften. Der Staat könnte etwa mit einer Haftungsgrenze aushelfen, bis zu der Unternehmen selbst für Schäden aufkommen müssten. Alle Kosten, die darüber liegen, trägt dann der Steuerzahler. In Frankreich beträgt die Grenze derzeit 60 Millionen Euro. Jarzombek würde lieber ohne Selbsthaftung der Unternehmen auskommen. Stattdessen sollen sich Space-Firmen die technische Sicherheit ihrer Geräte zertifizieren lassen, so der Vorschlag des Raumfahrtkoordinators. Die Firmen bräuchten dann die Genehmigung einer Behörde.

Weltraumgesetz soll kommen

Worauf man sich auch einigt, es soll in einem nationalen Weltraumgesetz festgehalten werden. Darauf hatten sich Union und SPD schon im Koalitionsvertrag geeinigt. Spätestens im kommenden Jahr will das Bundeswirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) einen Entwurf vorlegen. Deutschland ist spät dran. Länder wie Luxemburg, Frankreich und die USA haben teils schon seit Jahren ihre Raumfahrtpolitik in ihren Gesetzbüchern verankert.

Ein Punkt wird im Entwurf der Bundesregierung vermutlich fehlen: eine nationale Regelung zum Bergbau im Weltraum. Was surreal klingt, kann schon bald Realität werden. Die Industrie erhofft sich, auf erdnahen Asteroiden nach seltenen Erden und Metallen zu schürfen. Die Reserven sind groß: Allein der Trabant Amun soll laut BDI Rohstoffe im Wert von rund 20 Milliarden Dollar mit sich tragen, insgesamt 15 000 solcher Asteroiden will die Nasa schon identifiziert haben. Zunächst könnten Raumfahrer die Rohstoffe für aufwändige Missionen im All nutzen. Das spart Transportkosten. Später könnte der Weltraumbergbau aber auch die Ressourcenknappheit auf der Erde lösen. Metalle wie Kobalt werden mehr und mehr nachgefragt, etwa für Batteriespeicher. Eine Industrieproduktion im All wäre denkbar.

Bundesregierung setzt beim Bergbau auf internationale Zusammenarbeit

Doch neue Möglichkeiten werfen neue Fragen auf: Wer darf wo und wie viel abbauen? Luxemburg hat dazu schon vor zwei Jahren ein nationales Gesetz verabschiedet. Zuletzt vereinbarte das Herzogtum mit den USA, beim Weltraumbergbau zusammenzuarbeiten. Außerdem wollen die Luxemburger dreistellige Millionenbeträge in die Forschung investieren und Unternehmen fördern. Das verlangt die deutsche Industrie auch von der Bundesregierung.

Die möchte das Thema aber nicht im nationalen Alleingang klären. Stattdessen soll ein breites internationales Abkommen her. Die letzte grundlegende Vereinbarung, der Weltraumvertrag, wurde 1967 unterzeichnet. Dass irgendwann einmal Rohstoffe im All geschürft werden könnten, daran dachte damals niemand. Der BDI mahnt zur Eile: „Sobald Rohstoffe erst einmal abgebaut werden, wird eine internationale Regelung schwieriger“, heißt es im Papier.

Und noch eine Frage muss die Politik wohl klären: Wer entsorgt den ganzen Weltraumschrott? Denn mehr Aktivität im All bedeutet auch mehr Müll, etwa durch Beschädigungen von Satelliten. Schon heute fliegen laut BDI gut 750 000 Trümmerteile umher, die größer sind als ein Zentimeter. Kollidieren diese mit Satelliten, entsteht weiterer Schrott – es droht eine Kettenreaktion. Ideen dagegen gibt es bereits: Die britische Universität Surrey hat im Auftrag der EU zuletzt ein großes Fangnetz getestet, das Trümmerteile einfangen soll. Bis der Müll nämlich von selbst verglüht, vergehen Jahrtausende.

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