Erste Quartalsbilanz von John Cryan: Deutsche-Bank-Chef stimmt auf schwierige Zeiten ein
Der neue Chef der Deutschen Bank ist mit den Zahlen nicht zufrieden und redet Klartext. Vom "Kulturwandel" ist allerdings nicht mehr die Rede.
John Cryan lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit: Der Brite will die Skandale bei der Deutschen Bank ein für alle Mal beenden. Mitarbeiter, Kunden und die deutsche Öffentlichkeit sollen wieder stolz sein dürfen auf das einzige deutsche Geldinstitut von Weltrang. Das zu erreichen, ist allerdings noch ein hartes Stück Arbeit. Deshalb hat Cryan die rund 100 000 Mitarbeiter nun auf schwierige Zeiten eingestimmt – auch wenn der Netto-Gewinn der Deutschen Bank sich im zweiten Quartal von 238 auf 818 Millionen Euro mehr als verdreifacht hat.
In einem Brief an die Belegschaft schreibt der Bankchef, angesichts inakzeptabler Kosten und eines „verschwenderischen Umgangs mit hart verdienten Erträgen“ seien wichtige Veränderungen unausweichlich. „Veränderungen können belastend sein, aber den Status beizubehalten, ist keine Option.“ Details etwa zu einem möglichen Personalabbau bleibt Cryan allerdings schuldig. Auch auf Nachfrage in einer Analystenkonferenz am Donnerstag wollte er sich dazu nicht äußern. Dies wolle er „spätestens bis Ende Oktober“ tun, sagte der Brite. Beobachter vermuten, dass die Bank Tausende von Stellen streichen wird.
Hohe Rückstellungen für zahlreiche Rechtsstreitigkeiten
Nach wie vor lasten zum Beispiel die Kosten für Rechtsstreitigkeiten auf der Bilanz der Deutschen Bank. 1,2 Milliarden Euro musste das Institut dafür zwischen April und Juni aufwenden, im ersten Halbjahr waren es fast 2,8 Milliarden Euro. Folglich kletterte der Nettogewinn in den ersten sechs Monaten nur um drei Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern sank sogar von 6,2 Prozent auf nur noch 4,8 Prozent – sehr zum Unmut des neuen Co-Vorstandschefs. Das Ertragswachstum sei zwar solide, sagt Cryan. Aber für Einnahmen von einem Euro müsste die Bank 85 Cent aufwenden. Das könne man nicht hinnehmen.
Klar ist für Cryan, dass der Umbau vorangetrieben werden muss. Angestoßen hatte den sein Co-Chef Jürgen Fitschen und sein Vorgänger Anshu Jain. Dieser Umbau sieht unter anderem den Verkauf der Postbank, Einschnitte im Investmentbanking und die Aufgabe von Standorten im Ausland vor.
Eine weitere Kapitalerhöhung schließt Cryan allerdings aus – sofern externe Ereignisse die Bank nicht dazu zwingen würden. Ziel sei es, kleiner zu werden, um dadurch weniger Kapital zu brauchen. „Wir müssen effizienter werden“, sagt Cryan. „ Wir müssen diszipliniert sein bei der Frage, wie, wo und mit wem wir Geschäfte tätigen.“
Die Aktie legte am Donnerstag kräftig zu
Den angestrebten „Kulturwandel“ erwähnt der neue Chef dagegen mit keinem Wort. Dabei hatten Anlegerschützer wie Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zum Amtsantritt gefordert, Cryan müsse sich „das Thema Kulturwandel mal richtig vornehmen“. Fitschen und Jain hatten Anleger immer wieder vorgeworfen, den versprochenen Wandel nicht entschlossen genug durchgezogen zu haben.
Der Brite Cryan konzentriert sich dagegen erst einmal auf die übergeordnete Struktur der Bank. So hält er das Institut insgesamt für zu komplex. „Dies verhindert effektive Entscheidungen, klare Verantwortlichkeiten und führt zu verschwenderisch hohen Kosten.“ Generell, sagt Cryan, spiegele das Ergebnis nicht „unser enormes Potenzial wider“. Die Bank sei längst noch nicht da, wo sie hin wolle.
Bei den Aktionären überwog am Donnerstag dennoch die Hoffnung auf bessere Zeiten: Die Aktie der Deutschen Bank legte im Dax deutlich zu. Der Grund: In der Kernbank gab es über alle Sparten hinweg Gewinnsteigerungen. Die Investmentbank verdiente vor Steuern 1,2 Milliarden Euro, nach 828 Millionen im Vorjahreszeitraum. Dabei half, dass der wichtige Anleihehandel besser lief als erwartet.
Im Privatkundengeschäft machte die Bank im zweiten Quartal einen Gewinn von 483 Millionen Euro – eine gesunkene Risikovorsorge im Kreditgeschäft bügelte die Belastungen der Zinsflaute aus. Zulegen konnte die Deutsche Bank auch im Zahlungsverkehr und der Vermögensverwaltung, während die interne „Bad Bank“ ihren Verlust jedoch deutlich ausweitete. mit rtr