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John Cryan. Der 54-jährige Brite führt die Deutsche Bank bis Frühjahr 2016 zusammen mit Jürgen Fitschen.
© Sebastian Derungs/AFP

Wechsel an der Spitze: John Cryan führt die Deutsche Bank

Als Aufsichtsrat stellte er die richtigen Fragen – jetzt braucht er Antworten. John Cryan ersetzt seit heute Anshu Jain an der Spitze der Deutschen Bank.

Zumindest für Werner Steinmüller, den langjährigen Deutschbanker und Chef der Sparte für den weltweiten Zahlungsverkehr steht fest: Die im April von den alten Chefs vorgestellte und vom Aufsichtsrat abgesegnete Strategie wird auch unter dem Neuen umgesetzt. Der Neue, von dem Steinmüller spricht, heißt John Cryan. Er soll am heutigen Mittwoch den glücklosen Anshu Jain an der Spitze des größten deutschen Geldhauses ersetzen.

Seit fast 25 Jahren arbeitet Steinmüller für die Deutsche Bank, seit 2009 im erweiterten Vorstand. Kaum einer der Top-Manager kennt das Institut so gut wie er. Cryan, der die Bank bis Frühjahr 2016 zusammen mit Jürgen Fitschen leitet – bevor er allein das Ruder übernimmt – ist ein Newcomer in den Doppeltürmen an der Frankfurter Taunusanlage. Schließlich sitzt der 54-jährige Brite erst seit zwei Jahren im Aufsichtsrat der Bank und spielte im eigentlichen Geschäft keine Rolle. Steinmüller ist sich trotzdem sicher, dass Cryan der richtige Mann ist. Er kenne ihn aus einigen Sitzungen. „Da hat er genau die richtigen Fragen gestellt.“

Showdown auf der Hauptversammlung im Mai

Cryan muss freilich auch Antworten finden, um die Deutsche Bank endlich aus dem Tief herauszuholen. Jain und Fitschen haben sie in den drei Jahren an der Spitze nicht gefunden, weshalb sie auf der Hauptversammlung im Mai von den Aktionären abgestraft wurden und letztlich ihren Platz räumen mussten – ob freiwillig oder gezwungenermaßen, ist unklar. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) drängte auf eine Sonderprüfung, um zu klären, ob die Bank für weitere Strafzahlungen ausreichend vorbereitet ist. Nochmals will sie DSW-Geschäftsführer Klaus Nieding gerichtlich durchsetzen.

Zudem gab es Druck der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin, die der Bank und offenbar auch Jain mangelhafte Kontrollen vorhält. Behördenchef Felix Hufeld legte am Montagabend vor Journalisten in Frankfurt nach. Die Deutsche Bank müsse unter seinem neuen Chef neben seinen traditionellen Stärken auch „zuverlässige und belastbare Prozesse“ im Einklang mit den Regeln aufbauen. „Hier muss die Bank nachbessern.“ Dafür seien viele Schritte notwendig. Hufeld stellte fest, die Deutsche Bank reihe sich nun in die Liste internationaler Investmentbanken ein, die seit der Finanzkrise ihr Top-Management ausgetauscht haben: „Es ist gut so, wie es ist.“

Noch kein Wort zu den Plänen und zur Strategie

Cryan war für Aufsichtsratschef Paul Achleitner schon als möglicher Nachfolger auserkoren, für den Fall, dass Jain oder Fitschen etwas zustoßen sollte. In Bankenkreisen war die Berufung des Briten, der gut Deutsch spricht, trotzdem eine Überraschung. Selbst Top-Banker in Frankfurt konnten bis Anfang Juni mit dem Namen Cryan nicht viel anfangen.

Der ehemalige Finanzchef der Schweizer Großbank UBS hält sich seit seiner Berufung bedeckt. Kein Wort zu seinen Plänen und zu seiner Strategie. Irgendwann im Sommer werde er sich äußern, heißt es in der Bank. Spätestens am 30. Juli sollte es so weit sein: Dann legt die Bank ihren Halbjahresbericht vor. Ohne den neuen Chef wird das kaum gehen.

Beobachter freilich erwarten keinen Strategiewechsel. Schließlich hat Cryan im Aufsichtsrat das abgesegnet, was Jain und Fitschen unter dem Stichwort Strategie 2020 vorgelegt haben: Verkauf der Postbank, Schließung von 200 der 750 Deutsche-Bank-Filialen, Schließung von Auslandsstandorten, Einschnitte auch im Investmentbanking. Weitere 3,5 Milliarden Euro sollen eingespart werden. Darauf, glauben Beobachter, wird Cryan besonderen Wert legen. Sehr konkret – auch im Blick auf einen möglichen Personalabbau – waren Jain und Fitschen nicht, als sie Ende April den weiteren Weg der Bank skizzierten. Innerhalb von 90 Tagen wollten sie Details nennen. Die wären ebenfalls Ende Juli vorbei.

Fitschen bleibt noch zehn Monate an Cryans Seite

Cryan ist also schnell gefordert. Fitschen wird ihn noch gut zehn Monate als Ko-Chef unterstützen, belastet allerdings durch den Gerichtprozess in München in Sachen Kirch, wo sich der 66-Jährige noch bis September wegen des Vorwurfs des Prozessbetrugs verantworten muss. Jain ist für sieben Monate noch als – angeblich kostenfreier – Berater dabei. Er erhält entgegen ersten Meldungen doch eine Abfindung in mindestens einstelliger Millionenhöhe, zusätzlich zu Boni, die gestreckt gezahlt werden und seinen Pensionsansprüchen. Legt man die Laufzeit seines Vertrages bis März 2017 zugrunde, stehen Jain rund elf Millionen Euro zu. Unabhängig davon besitzt er gut 786 000 Deutsche-Bank-Aktien, die aktuell rund 22 Millionen Euro wert sind.

Entscheiden muss Cryan in enger Abstimmung mit Aufsichtsratschef Achleitner. Der war zuletzt der starke Mann bei der Bank, er hat den Wechsel durchgesetzt. Cryan, der als sachorientierter Arbeiter ohne Allüren gilt, hat einen großen Vorteil: Mit den Skandalen und Manipulationen der Vergangenheit hat er nichts zu tun. Gleichwohl wird die Bank auch unter seiner Führung weitere Belastungen vermutlich in Milliardenhöhe verkraften müssen. Schließlich sind noch rund 6000 Streitfälle ungeklärt.

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