Neuer Chef stellt Bilanz vor: Deutsche Bahn mit Gewinn und Fahrgastrekord
Der neue Bahn-Chef Richard Lutz präsentiert gute Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr, schwört auf das Team – und zeigt Gefühle.
Als er den Namen Rüdiger Grube ausspricht, vibriert seine Stimme. „Wir wünschen ihm für seine Zukunft alles erdenklich Gute“, sagt Richard Lutz spürbar bewegt. Dann macht er eine lange Pause. Seit Mittwochabend ist der 52-Jährige Vorstandschef der Deutschen Bahn. Es ist sein erster großer Auftritt im neuen Amt. Eigentlich sollte Rüdiger Grube an diesem Donnerstag auf der Bühne des ICE-Werks Rummelsburg stehen, um die Geschäftszahlen des Jahres 2016 zu präsentieren. Doch Grube ist im Januar im Streit um seine Vertragsverlängerung zurückgetreten. Es folgten „ereignisreiche Tage“, wie Bahn-Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht nach Lutz’ Wahl reichlich untertreibend sagte. Nach den schweren Turbulenzen geben sich nun alle versöhnlich: „Wir als Vorstandsteam danken Rüdiger für die vielen Jahre voller Vertrauen, Wertschätzung und Freundschaft“, sagt Lutz.
Lutz spricht von einer "Trendwende"
Der Neue, der zugleich der alte Finanzvorstand bleibt, startet in seine zunächst fünfjährige Amtszeit mit guten Zahlen. Lutz spricht von „Trendwende“ und „Aufbruchstimmung“. Tatsächlich ist der Staatskonzern mit einem Betriebsgewinn von fast zwei Milliarden Euro vorangekommen. Nach Zinsen und Steuern blieben unter dem Strich gut 700 Millionen Euro, nachdem 2015 noch ein Milliarden-Verlust angefallen war. Zudem fuhren trotz Fernbus-Konkurrenz so viele Passagiere wie nie mit IC und ICE – dank zahlreicher Billigtickets. Die Pünktlichkeit lag bei fast 80 Prozent und soll sich 2017 weiter verbessern. Zugleich erwartet Lutz ein Plus beim Betriebsgewinn auf mehr als 2,1 Milliarden Euro. „Wir haben einen sehr ordentlichen Start 2017 hingelegt und dabei den Rückenwind aus 2016 mitgenommen“, sagt Lutz. Und fügt hinzu, dass er nicht versprechen könne, „dass sich jetzt alle Probleme bei der Bahn in Luft auflösen werden“. Auch die beiden offenen Vorstandsposten – Technik/Digitales und Güterverkehr – bleiben vorerst unbesetzt.
Die Bahn hält ihre Preispolitik für richtig
Probleme gibt es weiter genug. Zwar haben viele 19-Euro- und Spar-Tickets die Züge gefüllt. Doch der Umsatz stagniert bei 40,6 Milliarden Euro. Trotzdem will Personenverkehrsvorstand Berthold Huber an der „Angebotsoffensive“ festhalten. „Wir gewinnen Kunden, die nicht mehr Bahn gefahren sind.“ Die Preispolitik sei richtig – neben den vielen Aktivitäten, die Bahn-Kunden zufriedener machen sollen: W-Lan, renovierte ICE3, mehr digitale Dienste und Informationen.
Zu den Problemen gehört auch, dass die Bahn ihre Investitionen trotz des Gewinns weiter nicht allein aus eigenen Mitteln finanzieren kann. Die Schulden werden Lutz zufolge im laufenden Jahr auf fast 19Milliarden Euro steigen. Rund zwei Milliarden Euro wird sich die Bahn in diesem Jahr am Kapitalmarkt leihen müssen.
In diesem Zusammenhang wies Lutz auf die guten Geschäfte der Töchter Arriva und Schenker hin, die Kritiker als Ballast im Konzernverbund sehen, der verkauft werden sollte. Die Logistik-Sparte DB Schenker (Lkw, Schiff, Flugzeug) legte 2016 zu und soll auch 2017 kräftig wachsen. Angesichts der Risiken durch den anstehenden Brexit wolle die Auslandstochter Arriva, die im britischen Schienenverkehrsmarkt auf einen Anteil von 23 Prozent kommt, ihre Aktivitäten nicht nur in Großbritannien, sondern in ganz Europa ausbauen. Wachstumspotenzial gebe es vor allem in Osteuropa. „Unsere Liquidität wäre deutlich schlechter ohne diese Geschäftsfelder“, sagt Lutz.
Ein neuer "Werkzeugkasten" für den defizitären Güterverkehr
Deutlich besser wäre sie, wenn auch der Schienengüterverkehr (DB Cargo) aus den roten Zahlen führe. 2016 ist die Verkehrsleistung erneut um fast vier Prozent auf 94,7 Milliarden Tonnenkilometer gesunken. Hoffnung darf sich das Bahn-Management auf finanzielle Unterstützung des Eigentümers Bund machen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Mittwoch angekündigt, man arbeite derzeit an einem „Werkzeugkasten“ für den Güterverkehr der Bahn, der auch „finanziell unterlegt“ sei. Details sind noch offen, unter anderem soll die Digitalisierung vor allem den Einzelwagenverkehr effizienter machen.
Eine andere Großbaustelle will die Bahn ebenfalls wie geplant beenden: Stuttgart 21. „Ich bin finster entschlossen, dieses Projekt zu Ende zu führen, und zwar zu einem guten Ende“, sagt Richard Lutz. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla assistiert: „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir den Kostenrahmen einhalten werden.“ Der neue Tiefbahnhof und die Tunnelstrecken in und um Stuttgart sollen 2021 in Betrieb gehen, der Kostenrahmen liegt bei 6,5 Milliarden Euro.