Schulden, Investitionen, Unpünktlichkeit: Deutsche Bahn kommt nicht aufs Gleis
Bei der Deutschen Bahn knirscht es nach wie vor gewaltig. Und ohne deutlich mehr Geld vom Staat wird sich daran nichts ändern.
Hohe Investitionen und Schulden, sinkender Gewinn und die anhaltende Unpünktlichkeit im Fernverkehr machen der Deutschen Bahn (DB) zu schaffen. Vorsichtig nimmt der Vorstand um Richard Lutz deshalb Abschied von bahnpolitischen Zielen, die der Bund als Eigentümer im Koalitionsvertrag formuliert hat.
So hält Lutz eine Verdopplung der Passagierzahlen bis 2030 nicht mehr für möglich – trotz jährlich steigender Kundenzahlen. Dies sagt er am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. Ein Grund: Die DB fährt an der Kapazitätsgrenze, die Anschaffung neuer Züge sowie der Neu- und Ausbau der maroden Infrastruktur brauchen mehr Zeit.
Auch die seit Jahren versprochene Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene bleibt ein unerfüllter Wunsch. Stattdessen verliert die defizitäre Güterbahn DB Cargo weiter Marktanteile, der Verlust verdoppelte sich auf 200 Millionen Euro.
2019 traut sich die DB noch weniger Betriebsgewinn zu als im Vorjahr, er dürfte von 2,1 auf 1,9 Milliarden Euro sinken. Unter dem Strich waren 2018 nur 542 Millionen Euro übrig geblieben – fast 30 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Dividende an den Bund in Höhe von 650 Millionen Euro, die an das Unternehmen für Investitionen in die Infrastruktur wieder zurückfließen, kann die DB nicht vollständig aufbringen. Zugleich steigen – trotz höherer Zuwendungen des Bundes – die Schulden auf fast 20 Milliarden Euro, jene Marke, die der Eigentümer als noch vertretbar definiert hat.
„Besser zu werden – das ist unser Ziel“, sagt Lutz. Man sei auf einem guten Weg. Die Bahn befinde sich allerdings in einer „entscheidenden Phase“, in der die Weichen für die Zukunft gestellt werden müssten. Dafür brauche der bundeseigene Schienenkonzern aber Zeit – und mehr Geld.
„Engpassbeseitigung passiert leider nicht über Nacht“, sagt der Bahn-Chef mit Blick auf die mangelnde Pünktlichkeit. 2018 war jeder vierte Fernzug zu spät, zum Ärger vieler der 148 Millionen Kunden im vergangenen Jahr. 2019 soll die Pünktlichkeitsquote immerhin auf 76,5 Prozent steigen.
Bahnchef Lutz spricht von „Wachstumsschmerzen“
Die „Wachstumsschmerzen“, von denen Lutz mit Blick auf die Kennzahlen erneut spricht, sollen kurzfristig durch einen Verkauf der britischen Auslandstochter Arriva gemildert werden. Der Aufsichtsrat hatte den Vorstand am Vortag beauftragt, einen Verkauf oder Börsengang zu prüfen.
Lutz und Finanzvorstand Alexander Doll zeigen sich optimistisch, dass die profitable Arriva auch im Falle eines harten Brexit noch 2019 erfolgreich bei Investoren platziert werden kann. Schätzungen gehen von einem Verkaufserlös von bis zu vier Milliarden Euro aus.
Von einem Brexit möglicherweise profitieren könnte auch die internationale Spedition Schenker, die sich 2018 gut entwickelte. Mehr Bürokratie im Grenzverkehr bedeute, dass man den Kunden auch mehr Service anbieten könne, sagte Doll.
Die buchstäblich größte Baustelle der Bahn bleibt die Infrastruktur. Bis zu 800 Baustellen und mehr verteilen sich zeitweise über das mehr als 30.000 Kilometer lange Schienennetz, weil Gleise, Weichen, Signalanlagen oder Brücken erneuert werden müssen. „Die Kapazität wird das zentrale Thema in den nächsten Jahren bleiben“, sagte Richard Lutz.
Vorstand Pofalla bleibt bei Stuttgart 21 gelassen
In den kommenden Jahren will der Bund jeweils eine Milliarde mehr als bisher in die Sanierung des Netzes investieren. Die Bahn gibt vor allem für Personal (22.000 Einstellungen im laufenden Jahr) und Fahrzeuge Geld aus. Insgesamt investieren Bund (7,2 Milliarden Euro) und Bahn (vier Milliarden Euro) im laufenden Jahr zusammen mehr als elf Milliarden Euro, 2018 waren es mehr als zehn Milliarden Euro gewesen.
Demonstrativ gelassen gab sich Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla – auch mit Blick auf die teure Großbaustelle am Bahnhof Stuttgart 21. „In der Ruhe liegt die Kraft – und fröhlich bleiben“, scherzt der frühere Kanzleramtsminister. Berichte über steigende Kosten in Stuttgart seien Spekulation und hätten mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Der „Gesamtwertumfang“ werde eingehalten, sagt Pofalla.
Diese Kostenprognose hatte die Bahn Anfang 2018 auf 7,7 Milliarden Euro erhöht. Hinzu kommt ein Risikopuffer von rund einer halben Milliarde Euro. Bei Baubeginn lag der Kostenrahmen mit Risikopuffer noch bei 4,5 Milliarden Euro. Die Bahn spüre bei der Auftragsvergabe zwar, dass die Baupreise deutlich stiegen, erklärt Pofalla. „Aber die vorhandenen Puffer haben bisher völlig ausgereicht, um den Preisanstieg abzufangen.“
Oppositionspolitiker und Umweltverbände begrüßen den geplanten Arriva-Verkauf als Signal dafür, dass sich die DB mehr auf die Eisenbahn in Deutschland konzentrieren wolle. Hier sei der Wettbewerb aber verzerrt. Matthias Gastel von den Grünen sagt, die angespannte Lage der Bahn zeige, dass es keinen fairen Wettbewerb mit Auto, Lkw und Flugzeug gebe. Die Bundesregierung müsse daher steuerfreies Kerosin und Diesel-Subventionen abschaffen. Auch der Verkehrsclub Deutschland verlangt dies und fordert im Gegenzug die Investitionen in das Schienennetz zu verdoppeln.