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VW steht in den USA massiv unter Druck.
© dpa

USA und Deutschlands Autoindustrie: Der VW-Skandal wird zur Gefahr für deutsche Interessen

Die deutschen Autobauer müssen in den USA die politische Debatte gewinnen. Sonst wird es ihnen wie einst Toyota ergehen. Ein Gastkommentar.

Die Klage der Obama-Regierung gegen Volkswagen, Audi und Porsche markiert den Beginn eines schmerzhaften und für die gesamte deutsche Automobilindustrie bedrohlichen Verfahrens. Der politische Flurschaden für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ist noch nicht absehbar, aber die Kosten für Volkswagen und andere deutsche Autohersteller werden enorm sein.

Es geht hier nicht nur um die am Montag von der US-Regierung eingereichte Zivilklage, sondern auch um mögliche strafrechtliche Konsequenzen. In diesem Fall wären dann auch die deutschen Vorstände von VW, Audi und Porsche vor den US-Behörden nicht mehr sicher – ganz wie die Führungsriege der Fifa. Und es gibt eine weitere Parallele. Für Generalstaatsanwältin Loretta Lynch ist das Verfahren gegen den korrupten Weltfußball-Verband eine todsicherer Wette: hohe Gewinnaussichten und ein minimaler politischer Preis in den USA. Das gleiche gilt für die deutschen Autounternehmen mit ihrem überschaubaren Marktanteil im Land und der schleppenden Aufarbeitung in Wolfsburg.

Die gesamte Branche steuert auf eine desaströse Krise zu

Von Mitarbeitern des US-Senats, etwa im einflussreichen Finanzausschuss, ist dieser Tage zu hören, dass nicht nur Volkswagen, sondern die gesamte deutsche Automobilbranche auf eine desaströses Krise zusteuert, die der Marke „Made in Germany“ grandiosen Schaden zufügen wird. Auch die Verhandlungen um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP werden diesem Sog nicht entkommen, ist das Vertrauen erst einmal unterminiert.

Insgesamt vier Untersuchungen wurden allein auf Bundesebene eingeleitet: durch das Justizministerium (Fifa lässt grüßen), die Umweltschutzbehörde EPA, den Finanzausschuss des Senats sowie den Energie- und Wirtschaftsausschuss im Repräsentantenhaus. Angesichts der schwachen Positionierung deutscher Autounternehmen in den öffentlichen und politischen Debatten der USA und den vergleichsweise kleinen (VW) oder gar nicht existierenden (Audi) Abteilungen für Regierungsbeziehungen und Öffentlichkeitsarbeit könnte die Situation kaum aussichtsloser sein.

Michael Werz
Michael Werz
© R/D

Schon macht der Vergleich mit Toyota im Jahr 2010 die Runde. Bei einer Kongressanhörung wurden die Vorstände Akio Toyoda und Yoshimi Inaba komplett demontiert, mit enormem Schaden für die Marke. Die Toyota-Offiziellen erkannten schnell, dass die geringe öffentliche Präsenz und fehlende Netzwerke im Kongress die PR-Katastrophe mitverursacht hatten. In den folgenden Jahren änderte sich das schlagartig und Toyota operiert nun auf Augenhöhe mit den großen nordamerikanischen Konkurrenten.

Für die Deutschen kommt erschwerend hinzu, dass im Wahljahr 2016 der Populismus ohnehin auf dem Vormarsch ist. Viele Kongressabgeordnete und Senatoren, die zur Wiederwahl stehen, werden gezwungen sein, sich gegenüber protektionistischen Positionen (bei den Republikanern) oder der starken US-Umweltbewegung (auf der demokratischen Seite) zu positionieren. In diesem Ambiente gefährdet der VW-Skandal existenzielle deutsche und europäische Interessen in den USA.

Es geht um das transatlantische Verhältnis

Die deutschen Autofirmen verlassen sich vor allem auf ihre Anwälte. Das mag helfen, die Schlagkraft der Regierungsklagen zu mildern. Aber viel wichtiger ist es, die politische Debatte zu gewinnen – und da glänzen die deutschen Musterschüler, einschließlich des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), durch Abwesenheit. Wohlgemerkt, es geht nicht um dumpfen Lobbyismus – auch wenn das ein unangenehmer, aber notwendiger Teil der Gleichung ist – sondern um die Teilnahme an politischen Debatten in einer diskursiven Gesellschaft und in einem konsensorientierten politischen System in dem gute Ideen und starke Argument zuweilen schwerer wiegen als Parteispenden.

Es ist an der Zeit, dass sich die deutschen Autofirmen und die deutsche Wirtschaft insgesamt auf diese Dimensionen des transatlantischen Verhältnisses einlassen. Wenn da nicht geschieht, wird der VW-Werbeslogan "Drivers Wanted" eine ganz neue Bedeutung annehmen.

Der Autor ist Senior Fellow beim Center for American Progress, einem liberal ausgerichteten Thinktank in Washington.

Michael Werz

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