Bund rechnet mit weniger Steuereinnahmen: Der Staat muss sich jetzt verantwortungsvoll verschulden
Die Steuerschätzung zeigt: Der Bund nimmt weniger ein - dabei muss jetzt in der Krise mehr ausgeben. Ohne neue Schulden geht das nicht. Ein Kommentar
Auch wenn es wirtschaftlich langsam aufwärts geht: Es sind schwere Zeiten für den Finanzminister. Bis 2024 muss der Bund mit fast 30 Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen auskommen, als die Experten das noch im Mai erwartet haben. Das zeigt die Steuerschätzung, die Olaf Scholz (SPD) aufgrund der Coronakrise außerplanmäßig hat durchführen lassen. Was die Sache vertrackt macht: Während weniger Geld reinkommt, muss der Bund eigentlich mehr ausgeben. Ein Dilemma mit nur einem Ausweg: neue Schulden.
Alle anderen Rezepte, die Scholz nun anwenden könnte, wären kontraproduktiv. So könnte er auf die Steuerausfälle theoretisch mit Steuererhöhungen reagieren. Aber weder die Unternehmen noch die Verbraucher können derzeit eine stärkere Belastung verkraften. Viele Firmen brauchen schon jetzt Hilfe vom Staat, um durch diese Krise zu kommen. Höhere Steuern können sie sich nicht leisten. Das Gleiche gilt für die Verbraucher. Belasten würde eine Steuererhöhung zwar vor allem diejenigen, die weiterhin Vollzeit arbeiten und gut verdienen. Doch sie sind es letztlich, die mit ihrem Konsum die Wirtschaft ankurbeln sollten. Steuererhöhungen würden ihnen die Shoppinglaune verderben.
Gerade jetzt muss der Bund investieren
Alternativ kann der Staat natürlich auf Steuerausfälle auch mit einer Senkung der Staatsausgaben reagieren. Doch das wäre ebenso fatal. Schließlich muss er gerade jetzt mehr statt weniger Geld ausgeben. Um Schulen zu sanieren und digital auszustatten, um die Infrastruktur in Stand zu setzen. Um den Netzausbau voranzubringen, eine Verkehrswende einzuleiten. Das alles macht unser Land langfristig erfolgreich – und hilft kurzfristig der Wirtschaft, weil damit staatliche Aufträge an Unternehmen verbunden sind. Deshalb bleibt am Ende nur das, was in Deutschland in den letzten Jahren als No-Go galt: neue Schulden.
Zumal die Verfassung die durchaus zulässt. Im Krisenfall darf der Staat von der Schuldenbremse abweichen und auch höhere Kredite aufnehmen. Deshalb ist der Finanzminister gut beraten, die Schuldenbremse wie schon in diesem auch im nächsten Jahr auszusetzen. Erst wenn die Wirtschaft wieder läuft, wenn kein Rückfall in den Krisenmodus mehr zu erwartet ist, eine Impfung neue Corona-Ausbrüche verhindert, sollte die Bundesregierung wieder ans Sparen denken. Dann ist es auch geboten – früher nicht.
Der Staat muss jede Ausgabe prüfen
So gerechtfertigt Schulden derzeit sind, so verantwortlich muss die Bundesregierung damit umgehen. Statt Geld mit der Gießkanne zu verteilen, muss sie dort investieren, wo es am meisten bringt. Jedes politische Projekt muss auf diese Prämisse abgeklopft werden. Unter diesem Gesichtspunkt würde eine staatliche Kaufprämie für Verbrenner zum Beispiel keinen Sinn machen. Besser angelegt wäre das Geld etwa in der Erforschung neuer Antriebe, was den Autokonzernen langfristig eine Perspektive gibt.
Auch Maßnahmen wie der gerade ausgezahlte Kinderbonus sind problematisch. Statt den Familien zu helfen, die derzeit finanziell kaum über die Runden kommen, wird das Geld pauschal an alle ausgezahlt. So profitieren auch Familien, die sich eine private Kinderbetreuung und Laptops für den Nachwuchs leisten können. Die Folge: Bei den einen kommt zu wenig an, bei anderen zu viel. Der Finanzminister müsste bei solchen Entscheidungen den Buhmann spielen. Das ist seine politische Verantwortung.
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