Zwischen Geldverschwendern und Zukunftsbremsern: Wie viele Corona-Schulden dürfen es denn sein?
In einem sind sich Union und SPD einig: Ohne Aussetzen der Schuldenbremse ist der nächste Etat nicht auszugleichen. Streit wird es dennoch geben.
Olaf Scholz kündigt es an, die Union schließt es nicht aus: Die Koalition plant den Bundesetat 2021 wieder mit neuen Schulden. Die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse, die den Haushaltsausgleich durch Kredite in Notzeiten und wirtschaftlichen Schwächephasen erlaubt, soll auch im Bundestagswahljahr nochmals in Anspruch genommen werden.
Der Grund ist klar: Die Folgen der Coronakrise sind noch nicht genau zu kalkulieren. Es kommt auf den Herbst und Winter an. Kommt die Epidemie stärker zurück und läuft die Wirtschaft schlechter, dann dürften die Ausgaben nach oben und die Steuereinnahmen nach unten gehen.
So weit ist sich die Koalition im Grundsatz einig, wenn nun die heiße Phase der Haushaltsaufstellung beginnt. Aber im Ton der Ankündigungen lassen sich schon die Unterschiede zwischen den Partnerinnen feststellen. Der Finanzminister und Kanzlerkandidat der SPD geht die Sache recht offensiv an und spricht von „erheblichen Mitteln“, die nötig seien, um die Gesundheit der Bürger zu schützen und die Wirtschaft zu stabilisieren. So sagte er es der Funke-Mediengruppe.
Brinkhaus hat schon 2022 im Blick
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus machte im „Handelsblatt“ deutlich, dass das kommende Jahr noch einmal schwierig werde und betonte, zumindest den Etat für 2022 müsse man dann aber „ohne signifikante Neuverschuldung hinbekommen“ – er hält es also für möglich, auch einen dritten Etat in Folge über Kreditaufnahme auszugleichen.
Allerdings will die Union sich im nun beginnenden Etatstreit für die Jahre 2021 und 2022 wieder als die Defensivkraft positionieren. Laut Brinkhaus geht es um die Frage: „Was ist eine Maßnahme, die wirklich hilft, und was ist nur ein Wahlgeschenk?“
Es ist der traditionelle Gegensatz, der so für den Wahlkampf wieder aufgerufen wird: Die SPD als progressive Investitionspartei (oder als Geldverschwenderin, je nachdem), die Union als Hüterin der haushaltspolitischen Solidität (oder als Zukunftsbremse).
In welchem Umfang man sich wegen der Corona-Folgen tatsächlich verschulden muss, ist noch völlig offen. Deswegen hat die Koalition auch darauf verzichtet, den Etatentwurf für das kommende Jahr wie üblich vor der Sommerpause im Kabinett zu verabschieden. Uber die Eckwerte des Finanzministeriums vom März ist die Zeit längst hinweggegangen. Wie weit die Rekordverschuldung in diesem Jahr tatsächlich gebraucht wird, ist erst am Jahresende zu erkennen.
Am 1. September soll nun eine außerordentliche Wachstumsprognose für das Gesamtjahr verkündet werden, an der sich dann die Haushaltsaufstellung orientiert. Nach dem deutlichen Einbruch im zweiten Quartal mit einem Minus von mehr als zehn Prozent beim Bruttoinlandsprodukt müssten die Zeichen für das Sommerquartal schon sehr ermutigend sein, um an den bisherigen Annahmen für 2020 festzuhalten. Und das hat Folgewirkung für den Etat des nächsten Jahres.
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Scholz will intern zum 10. September eine vorgezogene Steuerschätzung vornehmen lassen, die dann auch die Einnahmenerwartung bis 2024 umfasst. Der Kabinettsbeschluss inklusive Neuverschuldung soll dann am 23. September folgen. Dann übernimmt der Bundestag das Verfahren. In den Parlamentsbeschluss im Spätjahr fließt noch die reguläre Steuerschätzung Ende Oktober ein.
Man sieht: Die Unwägbarkeiten der Coronakrise machen ein Etatverfahren nötig, wie es sonst nicht vorkommt. Den Haushalt für 2022, jedenfalls ein Eckwertepapier dazu, muss die Koalition im März auch noch auf den Weg bringen – dann dürfte sich der Wahlkampf schon deutlicher bemerkbar machen als jetzt.
Brinkhaus baut da schon mal vor. Dass es weitere Hilfsprogramme geben wird, schließt er nicht aus, sagt aber: „Wir müssen beobachten, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Einen Blanko-Scheck stellen wir nicht aus.“ Scholz baut darauf, dass die Wähler auch weitere Rettungspakete goutieren – seine Schlagworte „Bazooka“ und „Wumms“ dürften bald noch häufiger zu hören sein.