Bahn statt Kurzstreckenflüge?: Der Preis spielt (k)eine Rolle
Fliegen wird teurer, wenn es nach den Grünen und der SPD geht. Sind die Deutschen bereit zum Wechsel? Eine Tagesspiegel-Umfrage liefert Erkenntnisse.
Bei einem ersten Wahlkampf-Thema heben die politischen Emotionen schon ab: Kurzstreckenflüge. Gewollt oder ungewollt hat Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit ihrer Aussage, auf kurzen Strecken solle „perspektivisch“ nicht mehr geflogen werden, vier Monate vor der Bundestagswahl eine Debatte entfacht.
Dabei liegen Grüne und Union gar nicht so weit auseinander, wenn es um die Alternativen zu Kurzstreckenflügen geht. Denn den Bahnverkehr wollen beide ausbauen. Das gilt auch für die SPD. Nur bei der Frage, ob das Fliegen spürbar teurer werden muss – durch den Abbau von Subventionen, eine Kerosinsteuer oder steigende Ticket-Preise – scheiden sich die Geister.
Wie würden sich die Deutschen entscheiden, wenn Flugtickets teurer würden? Käme dann für sie die Bahn häufiger als Verkehrsmittel infrage? Eine Mehrheit würde tatsächlich öfter den Zug nehmen, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für Tagesspiegel Background ergab. Insgesamt 45,6 Prozent der Befragten würden demnach häufiger umsteigen, 38,6 Prozent nicht, 15,8 Prozent sind unentschieden.
Die Grünen wollen wechseln
Baerbock kann sich mit ihrer Forderung der Unterstützung der grün Wählenden recht sicher sein, denn fast 72 Prozent der Befragten, die die Partei wählen wollen, würden lieber Zug fahren als teurer fliegen. Mehrheitlich umsteigen würden auch die Wählerinnen und Wähler der SPD (gut 60 Prozent) und der Linken (mehr als 62 Prozent). Wer politisch mit der Union sympathisiert, bleibt hingegen beim Fliegen. Nur 29,5 Prozent würden den Zug nehmen, wenn das Flugzeug teurer würde, bei den FDP-Wählern ist es ein Drittel der Befragten.
Wechselwillig zeigen sich auch Angestellte (49 Prozent) und Beamte (48), während leitende Angestellte (30,4) und Arbeiter (38,6) weniger flexibel sind. Auch Selbstständige sind eher zurückhaltend (39). Bemerkenswert ist, dass die Kaufkraft offenbar wenig Einfluss auf die Neigung zum Fliegen hat. 50 Prozent der Befragten aus Regionen mit sehr hoher Kaufkraft würden bei steigenden Flugpreisen Zug fahren, bei sehr niedriger Kaufkraft liegt der Anteil nur bei 38,3 Prozent.
Aber würden Kurzstreckenflüge überhaupt langfristig teurer, wenn die Airlines künftig stärker CO2-Emissionen vermeiden müssen? Die Industrie ist optimistisch, dass dies nicht der Fall ist – vorausgesetzt, man betrachtet nur den technologischen Wandel und keine regulatorischen Eingriffe wie höhere Steuern und Abgaben.
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Nach Einschätzung der Triebwerksbauer MTU und Rolls-Royce wird der Einsatz alternativer Kraftstoffe bei Flugzeugen das Fliegen zumindest nicht exorbitant verteuern. Synthetische Flugzeug-Kraftstoffe (SAF) wären voraussichtlich 20 bis 30 Prozent teurer als Kerosin, sagte der Technik-Vorstand von MTU Aero Engines, Lars Wagner, vergangene Woche bei einem Pressegespräch des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. „Bei 30 Prozent Anteil an den operativen Kosten führt das nicht zu einer derartigen Verteuerung, dass sich nur die Reichen noch fliegen leisten können.“ Voraussetzung sei allerdings, dass das emissionsfreie Flugbenzin in industriellem Maßstab produziert werde.
Gleichzeitig würden moderne Triebwerke um weitere zehn bis 20 Prozent effizienter, gab der MTU-Konkurrent Rolls-Royce zu bedenken. Dies gleiche die höheren Kosten für SAF teilweise aus. „Es wird ein bisschen teurer, aber es wird den Flugpreis nicht verdreifachen“, sagte Rolls-Royce-Chefingenieur Jörg Au. Tickets müssten deshalb allenfalls um einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz teurer werden.
Luftfahrtkoordinator: 2030 erster elektrischer Regionalflug
Der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, glaubt, dass „Green Aviation“ gerade bei Kurzstreckenflügen zum Tragen kommt. „Wir wollen, dass der erste Regionalflieger im Jahr 2030 elektrisch fliegt“, sagte Jarzombek. In den Jahren 2030 bis 2035 könnten Kurzstreckenflüge dann komplett klimaneutral werden. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, die staatliche Förderung für die Entwicklung von Wasserstoffantrieben für Flugzeuge zu erhöhen. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt für die nächsten vier Jahre dafür bisher 200 Millionen Euro bereit.
„Fliegen darf kein Luxus sein für elitäre Schichten, sondern muss in der Breite verfügbar sein“, sagte Jarzombek mit Blick auf die aktuelle politische Diskussion. Das Thema werde im Wahlkampf noch eine große Dynamik entfalten. Auch auf der nationalen Luftfahrtkonferenz am 18. Juni mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde man sich damit beschäftigen.
Die Frage nach der Steuer
Ein Abbau von Privilegien bei Steuern, Abgaben und Umlagen könnte das Fliegen teurer machen - zumindest aber auch klimafreundlicher als bisher. Die Stiftung Klimaneutralität fordert auf Grundlage einer noch unveröffentlichten Studie des Öko-Instituts eine deutliche Anhebung der Luftverkehrsteuer. Damit soll ausgeglichen werden, dass nach heutiger Rechtslage nur auf innerdeutsche Flüge Mehrwertsteuer anfällt. Einer Ausweitung der Mehrwertsteuerpflicht auf grenzüberschreitende Flüge steht EU-Recht entgegen.
Die seit 2011 in Deutschland erhobene Luftverkehrsteuer richtet sich nach drei Distanzklassen. Die Steuersätze liegen seit Jahresbeginn bei 12,88 Euro, 32,62 Euro und 58,73 Euro pro Passagier bei einem Abflug in Deutschland. Die Stiftung Klimaneutralität will die Steuer auf 60 Euro für innereuropäische Flüge, 120 Euro für Flüge bis 6000 Kilometer und 200 Euro für noch längere Flüge anheben.
Außerdem sollen die Steuersätze für die Business und die Economy Class differenziert werden. Für ankommende Flüge soll der halbe Steuersatz gelten. Damit soll auch Gerechtigkeit gegenüber dem Bahnverkehr hergestellt werden. Auf der Schiene wird bei ankommenden, grenzüberschreitenden Zügen die Mehrwertsteuer auf den inländischen Streckenanteil erhoben.