Müller stellt „Grünen Knopf“ vor: Der Kampf gegen die Ausbeutung in der Modebranche
Mit einem staatlichen Textilsiegel möchte Gerd Müller die Ausbeutung in der Modebranche beenden – ohne eine gesetzliche Regelung.
Für viele Schnäppchenjäger gehört das schlechte Gewissen beim Shoppen dazu. Wer günstige Mode kauft, muss damit leben, dass die Kleidung häufig unter haarsträubenden Bedingungen hergestellt wird – in stickigen Fabrikhallen in Asien etwa, wo Kinder bis zum Umfallen schuften oder Frauen zur Arbeit gezwungen werden. CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller will das beenden. „Ich will keine Kleidung tragen, die von Sklaven genäht wird“, sagte er kürzlich im Bundestag.
An diesem Montag stellt Müller in Berlin seine neueste Idee im Kampf gegen die Ausbeutung in der Modebranche vor: den „Grünen Knopf“ – ein staatliches Gütesiegel für „fair“ hergestellte Kleidung, vergeben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Die Auszeichnung soll künftig T-Shirts, Hosen und Hemden aus nachhaltiger Produktion zieren und dem Verbraucher zeigen, dass weder Zwangsarbeit noch gefährliche Chemikalien in dem Artikel stecken. „Um das Zertifikat zu erhalten, müssen 26 soziale und ökologische Kriterien für das Produkt erfüllt werden“, sagt Müller.
Für die Vorstellung des „Grünen Knopfs“ hat der CSU-Politiker eine große Show im BMZ geplant. Die Inszenierung ist, wie oft bei dem Minister, minutiös geplant. Akribisch bereitet sein Haus den Auftritt vor. Die Presseabteilung verschickt seitenlange Faktenblätter, Vertreter der Modeindustrie stehen bereit, um öffentlichkeitswirksam ihre Unterstützung zu bekunden. Das Fotomodel Barbara Meier, Gewinnerin von „Germany's Next Topmodel“, tritt auf. Die 33-Jährige ist offizielle „Textilbotschafterin“ des BMZ und soll Müllers Zertifikat ein bisschen was vom Glamour der glitzernden Modewelt verleihen.
Kritiker sagen: Ist alles nur eine Show
Kritiker sehen in dem Projekt deshalb vor allem eine PR-Aktion für den Minister selbst. „Das Siegel sorgt zwar für ein mediales Blitzlichtgewitter aber nicht für bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken“, kritisiert Uwe Kekeritz, entwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Bundestag. Gnädiger fällt das Urteil des SPD-Entwicklungspolitikers Sascha Raabe aus. „Der Grüne Knopf’ ist keine perfekte Lösung, aber besser als nichts“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Leider schafft es Gerd Müller aber nicht, sich bei den wirklich wichtigen Dingen gegen seine eigenen Leute durchzusetzen.“
Raabe und Kekeritz fordern eine gesetzliche Verpflichtung für deutsche Modeunternehmen, auch im Ausland hiesige Umwelt- und Sozialstandards einzuhalten. Müller selbst hegt sogar gewisse Sympathien dafür. Nur: Eine Mehrheit findet er dafür nicht, vor allem nicht innerhalb der Union. Auch viele Verbände sind strikt dagegen. Die Groko schiebt die Sache deshalb auf die lange Bank. Erst wenn die „freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Bis 2020 soll mit einer repräsentativen Umfrage in der Textilbranche überprüft werden, ob strengere Regeln nötig sind. In seinem Kampf gegen das Elend in den Fabriken von Bangladesch oder Vietnam steht Müller damit weitgehend machtlos da. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seine ganze Hoffnung auf die Verbraucher zu setzen. „Ich würde mir wünschen, dass immer mehr Menschen sich fragen: Wurde mein T-Shirt, wurde meine Hose fair hergestellt?“, sagt der Minister. Sein „Grüner Knopf“ soll den Konsumenten helfen, Fair-Trade-Produkte auf den Kleiderständern der Modegeschäfte ausfindig zu machen.
Auf EU-Ebene gibt es schärfere Gesetze
Beim Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie glaubt man nicht, dass das funktioniert – zumal es schon eine verwirrende Vielzahl an privaten Siegeln dieser Art gebe. „Der Grüne Knopf’ macht keinen Sinn“, sagt Maria Rost, Verbandsexpertin für Nachhaltigkeit. „Es sind so viele Fragen offen.“ Ungeklärt sind bislang etwa die genauen Prüfverfahren hinter dem „Grünen Knopf“. Dennoch unterstützen zivilgesellschaftliche Organisationen aus der Entwicklungs- und Menschrechtsszene Müllers Plan als Schritt in die richtige Richtung. „Man muss aber abwarten, was sich daraus entwickelt“, sagt Christa Dürr von Transparency International. Viel wirkungsvoller als ein staatliches Mode-Siegel seien ohnehin schärfere Gesetze, um die Unternehmen zu fairem Verhalten zu verpflichten.
Müller setzt jedoch weiter auf Freiwilligkeit, wie schon in seinem vor fünf Jahren ins Leben gerufenen „Textilbündnis“, das für bessere Umwelt- und Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie sorgen sollte. Dessen Arbeit komme aber nur schleppend voran, erzählt die Expertin Dürr. Die Gründung der Allianz war Müllers Reaktion auf den Einsturz der Nähwerkstatt Rana Plaza in Bangladesch, bei dem im April 2013 mehr als 1100 Arbeiter starben. Inzwischen sei die Hälfte der Branche dem „Textilbündnis“ freiwillig beigetreten, heißt es stolz im BMZ. Die andere Hälfte der Modefirmen macht allerdings einfach weiter wie bisher.
Auf EU- und UN-Ebene geht der Trend mittlerweile hin zu schärferen Gesetzen, die Firmen höhere Standards entlang ihrer weltweit vernetzten Lieferketten vorschreiben. Frankreich und Großbritannien haben ihre Unternehmer mittlerweile per Gesetz dazu verpflichtet. Auch deutsche Modehändler wie Tchibo fordern von der Bundesregierung einen solch verbindlichen Rechtsrahmen. Bis auf weiteres müssen sie sich jedoch mit Müllers „Grünem Knopf“ begnügen – obwohl sich viele Firmen mehr Rechtssicherheit wünschten, wie der SPD-Politiker Raabe sagt. „Die sind da teils bedeutend weiter als die Bundesregierung.“
Paul Starzmann