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Überträger: Infizierte Wildschweine können Hausschweine anstecken.
© picture alliance/dpa

Afrikanische Schweinepest: Der Eiserne Vorhang kehrt zurück

Das Virus grassiert in Polen. Ministerin Klöckner will einen Schutzzaun, doch die Nachbarn ziehen nicht mit. Nun greift Brandenburg zur Selbsthilfe.

Eigentlich sollte er längst stehen: ein fester Zaun zwischen Polen und Deutschland. Nicht, um Corona in Schach zu halten, sondern um polnische Wildschweine daran zu hindern, nach Deutschland einzureisen. Denn diese könnten die Afrikanische Schweinepest einschleppen, die nicht nur deutsche Schweine vorzeitig das Leben kosten könnte, sondern die auch die ohnedies durch die Tönnies-Krise gebeutelten Schweinebauern erneut in finanzielle Not stürzen könnte.

Das Problem: Sobald auf deutschem Boden das erste Wildschwein gefunden wird, das das Virus in sich trägt, nimmt China aus Angst vor Ansteckung kein deutsches Schweinefleisch mehr ab. Für die Schweinebauern und die Fleischverarbeitenden Betriebe wäre das ein harter Schlag. Denn während in Deutschland Coronabedingt noch immer viele Kantinen geschlossen sind und sich die Nachfrage nach Würstchen und Schnitzel in Grenzen hält, haben die Schweinefleischexporte der EU nach China schon wieder zugelegt. Im ersten Quartal gab es verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ein Absatzplus von 76 Prozent. Hinzu kommt, dass in der chinesischen Küche auch Teile geschätzt werden, die in Deutschland nur im Hundefutter landen würden – Öhrchen etwa, Schnauzen oder Schwänze.

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Polen baut keinen Schutzzaun

Doch der Zaun, der Deutschland schützen soll, ist nicht da. Und es sieht auch nicht so aus, als ob er in absehbarer Zeit käme. Dabei war Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) Anfang des Jahres noch zuversichtlich gewesen, dass sie sich mit ihrem polnischen Amtskollegen Krysztof Ardanowski einigen könnte. Um einen Korridor zwischen Polen und Deutschland zu schaffen, hatte Klöckner angeboten, sämtliche Kosten für den Bau des Zauns und bis Ende 2021 auch die Ausgaben für dessen Erhalt zu übernehmen. Vergeblich. „Seitens Polens wurde dies nicht weiter verfolgt“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel.

Zäunlein: Bisher schützt nur ein mobiler Zaun Brandenburg vor Wildschweinen aus Polen.
Zäunlein: Bisher schützt nur ein mobiler Zaun Brandenburg vor Wildschweinen aus Polen.
© dpa

In Polen sind Wild- und Hausschweine infiziert

Dabei ist das Risiko, dass die Afrikanische Schweinepest von Polen nach Deutschland eindringt, hoch. Allein in diesem Jahr wurden 800 infizierte Wildschweine auf polnischem Gebiet entdeckt, ein Kadaver lag gerade einmal zehn Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Auf fünf polnischen Höfen sind mittlerweile auch Hausschweine infiziert. „Eine Eingrenzung des Seuchengeschehens ist derzeit nicht absehbar“, heißt es im Ministerium für Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, das in der Landesregierung für die Schweinepest-Prävention zuständig ist. „Der Infektionsdruck aus Osten auf Brandenburg, insbesondere im Bereich des Landkreises Spree-Neiße, nimmt ständig zu.“ Auch die Brandenburger Bauern sind alarmiert. „Wir müssen jederzeit mit einem Ausbruch in Deutschland rechnen“, warnt der Sprecher des Landesbauernverbands, Tino Erstling.

Um ein Voranschreiten nach Westen zu verhindern, sei die Errichtung eines doppelten Zauns jeweils auf polnischem und deutschem Gebiet der optimale Weg, heißt es beim Deutschen Bauernverband. Doch die Nöte der eigenen Bauern liegen der polnischen Regierung vielleicht verständlicherweise mehr am Herzen als der Schutz der deutschen Nachbarn. Von einem Zaun, wie Klöckner ihn auf polnischem Boden möchte, würden nur die Deutschen profitieren. Und die greifen nun zur Selbsthilfe.

Barriere: Dänemark hat einen festen Zaun an die Grenze zu Deutschland gebaut.
Barriere: Dänemark hat einen festen Zaun an die Grenze zu Deutschland gebaut.
© picture alliance/dpa

Brandenburg baut nun selbst einen neuen Zaun

Im Brandenburger Risikokerngebiet, dem Landkreis Spree-Neiße, soll noch in diesem Jahr der mobile Zaun gegen eine feste Barriere ausgetauscht werden – so wie Dänemark sie schon vor einiger Zeit an der Grenze zu Deutschland gebaut hat, um sich abzuschotten. Denn die mobilen Zäunchen, die in Sachsen und Brandenburg als Abwehr gegen die Wildschweine errichtet worden sind, stehen zwar unter Strom – einem entschlossenen Eindringling oder gar einer Rotte können sie jedoch keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzen.

Aufgabe für Jäger: Die Jagd auf Wildschweine soll intensiviert werden.
Aufgabe für Jäger: Die Jagd auf Wildschweine soll intensiviert werden.
© dpa

Zudem sollen Jäger verstärkt Wildschweine erschießen, und tote Wildtiere sollen konsequent auf das Virus, das für Menschen übrigens unschädlich ist, untersucht werden. Doch all diese Maßnahmen und selbst ein Eiserner Vorhang zwischen Teilen Brandenburgs und Polen lösen das Kernproblem nicht: Sollte ein infiziertes Tier vor dem Zaun liegen, ist Deutschland offiziell nicht mehr frei von der Schweinepest.

Nach wochenlanger Zwangsschließung wird auf dem Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück seit Mitte Juli wieder gearbeitet.
Nach wochenlanger Zwangsschließung wird auf dem Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück seit Mitte Juli wieder gearbeitet.
© dpa

Nach der Tönnies-Krise stehen die Bauern unter Druck

Für die Bauern wäre das ein Rückschlag. Sie stehen ohnedies unter Druck, nachdem sie in den vergangenen Wochen mit den Folgen der Tönnies-Krise zu kämpfen hatten. Wegen der Häufung von Covid-19-Fällen unter den Arbeitern war Deutschlands größter Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück – wie andere Schlachthöfe auch – wochenlang geschlossen.

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Die Schweinehalter konnten ihre schlachtreifen Tiere nicht zum Schlachthof bringen. Normalerweise werden Schweine mit einem Lebendgewicht von 120 Kilogramm geschlachtet, wiegen die Tiere mehr, sind sie schwerer zu verkaufen. „Hausschweine nehmen jeden Tag ein Kilogramm zu“, berichtet Matthias Quaing von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). In der mehrwöchigen Schließzeit in Rheda-Wiedenbrück haben die Schweine daher kräftig an Gewicht zulegt. Das hat nicht nur zusätzliches Futter gekostet, in vielen Fällen sind auch die Ställe zu eng geworden für die massigen Tiere. Und auch der Nachschub geriet ins Stocken. Für junge Tiere, die gemästet werden sollten, war kein Platz.

Der "Schweinestau" ist aufgelöst

Der „Schweinestau“ sei inzwischen aber größtenteils wieder abgebaut, teilt ein Tönnies-Sprecher auf Anfrage mit. In Rheda-Wiedenbrück werden jetzt wieder täglich rund 16.000 Tiere geschlachtet, das sind etwa 70 Prozent der Menge vor dem Corona-Ausbruch.

Doch ein Problem bleibt: Die Preise sind im Keller. Waren es Anfang des Jahres noch 1,82 Euro pro Kilogramm, bekommen Schweinebauern derzeit nur 1,47 Euro. Von den 120 Kilogramm Lebendgewicht kann der Bauer ohnedies nur 95 Kilo zu Geld machen, der Rest sind Schlachtabfälle. Bei einem Kilopreis von 1,47 Euro erhält der Mäster knapp 140 Euro pro Tier. Kostendeckend ist das nicht. Die Kosten für Futter, Tierarzt und Stall liegen bei 1,70 Euro pro Kilo, sagt Marktexperte Quaing.

China hatte die Importe wegen Covid-19 gestoppt

Würde jetzt auch noch das China-Geschäft einbrechen, wäre das eine Katastrophe. Wie sensibel die Lage ist, zeigen die Corona-Ausbrüche in den Schlachthöfen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Infektionen stoppte China die Zusammenarbeit mit den betroffenen Schlachthöfen. Einige Betriebe können bis heute nicht in das Reich der Mitte liefern, bei Tönnies ist das anders. Seit der vergangenen Woche ist der Standort Rheda wieder im Geschäft mit China.

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