Abwertung der Währung Yuan in China: Der chinesische Patient
Die Zentralbank in Peking hat zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden die Landeswährung abgewertet. An den Märkten herrscht Unsicherheit, Experten fürchten einen Währungskrieg.
So schnell und tief ging es lange nicht bergab. Mit einer zweiten, überraschenden Abwertung der Landeswährung innerhalb von 48 Stunden hat die chinesische Notenbank am Mittwoch nicht nur den Yuan-Kurs zum Dollar auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gedrückt. Auch an den Aktienmärkten setzte sich die Talfahrt fort: Der Dax fiel um 3,4 Prozent auf 10 909 Punkte – und damit unter die psychologisch wichtige Marke von 11000 Zählern. Damit hat er binnen zwei Tagen fünf Prozent verloren. Aus der deutschen Wirtschaft kamen Warnungen vor einem Währungskrieg, aber auch gelassene Reaktionen von Konzernchefs. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobte die Chinesen.
Anleger machen sich Sorgen, die chinesische Wirtschaft könnte in einer schlechteren Verfassung sein als gedacht. Im Juli zeigten sich die Schwächen in fast allen Bereichen, wie das Statistikamt am Mittwoch bekannt gab. Industrieproduktion, Anlageinvestitionen wie auch der Einzelhandel schnitten schlechter ab als erwartet. Die Abwertung des Yuan soll den heimischen Exporteuren das Geschäft erleichtern. Zuletzt waren die Ausfuhren des Exportweltmeisters überraschend stark um 8,3 Prozent gefallen.
Die Zentralbank in Peking versuchte, Sorgen vor einem Abwertungswettlauf zu zerstreuen. „Mit Blick auf die internationale und nationale Wirtschaftslage gibt es derzeit keine Grundlage für einen anhaltenden Abwertungstrend des Yuan“, erklärte sie. Am Dienstag hatte sie die Schwächung um rund zwei Prozent als „einmalige Maßnahme“ bezeichnet. Da sie gleichzeitig aber die Kursfestlegung änderte, kam die neuerliche Abwertung um 1,6 Prozent fast zwangsläufig: Die Zentralbank orientiert sich nun am Schlusskurs des Vortages anstatt an einer künstlich festgelegten Marke, um die der Yuan schwanken darf.
„Wichtig ist, dass es jetzt nicht zu einem globalen Wettlauf um die schwächste Währung kommt, bei dem am Ende alle verlieren“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Siemens-Chef Joe Kaeser zeigte sich gelassen. Er sei langfristig nicht zu beunruhigt, sagte er dem US-Fernsehsender CNBC. „Es ist wichtig, nicht in Panik zu verfallen“. Siemens müsse die Auswirkungen in aller Ruhe analysieren. China wachse immer noch mit fünf bis sieben Prozent. Das seien Wachstumsraten, von denen Europa nur träumen könnte.
Experten fürchten "Währungskrieg"
In den Quartalsbilanzen der stark in China engagierten Dax-Konzerne Henkel und BMW sind die Spuren des schwächeren Marktes ablesbar – trotz insgesamt steigender Quartalsumsätze und -gewinne. Henkel-Aktien brachen am Mittwoch um 8,7 Prozent ein, obwohl Vorstandschef Kasper Rorsted die Anleger zu beruhigen versuchte. Mit Blick auf den Kurs sprach er von einem „China-Effekt“. Das Land bleibe aber „Motor der Weltwirtschaft“. Henkel macht in China rund neun Prozent des Umsatzes, das Land ist der drittgrößte Einzelmarkt für die Düsseldorfer. Im Kosmetikgeschäft weist Henkel dort zweistellige Zuwachsraten auf, das Geschäft mit der Industrie lahmt indes. Nervös reagierte die Börse auch auf die BMW-Zahlen aus China – die Aktie verlor 4,3 Prozent. Die Nachfrage nach BMW und Minis in China sank im Juli um sechs Prozent auf 34 600 Fahrzeuge – und damit noch stärker als im Mai und Juni.
Mit Blick auf die seit 20 Jahren stärkste Yuan-Abwertung fürchten Experten, dass China in einen Währungskrieg eintreten könnte. „Tatsache ist, dass China im globalen Währungskrieg deutlich hinterherhinkt“, sagte Jens Klatt von DailyFX. Besonders der japanische Yen, der australische Dollar und auch der Euro zum US- Dollar hätten verglichen mit 2013 stark abgewertet. Ähnliches gelte für Schwellenländerwährungen. Mit weiteren Schritten der chinesischen Notenbank sei zu rechnen. Klatt warnte: „Die sich beschleunigenden Kapitalabflüsse aus China haben zügig das Potenzial, sich zu einem globalen Finanz-Tsunami aufzutürmen.“
DZ Bank-Analystin Sonja Marten warnte indes vor falschen Interpretationen. Die Notenbank halte sich schlicht an die Vorgaben ihres neuen Wechselkursregimes. „Diese Unterscheidung ist vor allem auch für die Diskussion zum Thema Währungskrieg hoch relevant“, schrieb Marten. Hätte die Notenbank interveniert, um den Yuan unter Druck zu setzen, „könnte man durchaus von der Gefahr eines Währungskrieges sprechen“. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Positiv wertete der IWF die neue Methode der chinesischen Zentralbank zur Bestimmung des täglichen Referenzkurses des Yuan. Die Marktkräfte dürften künftig eine größere Rolle bei der Festlegung des Wechselkurses haben, teilte der Währungsfonds mit. Dies sei ein „willkommener Schritt“ in Richtung einer größeren Flexibilität.
Henrik Mortsiefer