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Wo kann der Staat auf Bürgerdaten zugreifen und wo würde er das besser lassen? Eine Frage, mit der sich vor allem Datenschützer kritisch auseinandersetzen.
© Julian Stratenschulte/dpa

Berlins oberste Datenschützerin: "Daten sind nicht sicher vor dem Staat"

Seit Ende Januar ist Maja Smoltczyk die Berliner Beauftrage für Datenschutz. Mit dem Tagesspiegel spricht sie über Chancen und Risiken von Big Data für den Einzelnen - und die Verantwortung der Politik.

Frau Smoltczyk, bei jedem Besuch im Internet hinterlassen wir Spuren – egal ob beim E-Mail schreiben, bei WhatsApp oder beim Einkauf. Wie gefährlich ist es, persönliche Daten via Internet zu teilen?

Bei jeder Nutzung von Internetdiensten entstehen Datenspuren, die mehr oder weniger über uns aussagen. Je nach Dienst sind sie direkt mit unserer Identität verknüpft, bei WhatsApp und anderen Messengern mit der Telefonnummer, gegebenenfalls. noch einem Nutzernamen und Profilbild, bei Facebook mit unserem umfangreichen Profil, beim Online-Shopping mit Namen, Post- und E-Mail-Adresse. Aber selbst wenn man nur Webseiten besucht, entstehen Interessens- und Aktivitätsprofile über Techniken wie Cookies.

Da die Tracking- und Werbeindustrie riesige Netzwerke bildet, wird unser Profil auf nahezu jeder Webseite wiedererkannt. Derzeit wird das noch vorwiegend dazu verwendet, besser passende Werbung aufzuspielen. Es gibt aber schon Firmen, die anhand des Facebook-Profils und den Freunden eine Risikobewertung für die Kreditvergabe durchführen. Auch sind die vorhandenen Datenberge nicht sicher vor staatlichem Zugriff. In den USA sind bereits Amazon-Kunden wegen bestellter Bücher in Terrorverdacht geraten. Durch die mobile Nutzung von Internetdiensten fallen auch immer mehr physische Bewegungsprofile an, die ausgewertet werden können.

Unternehmen wie Google oder Facebook verdienen ihr Geld mit Kundendaten. Wie wird Big Data unser Leben verändern, wenn Online-Shops oder Versicherungen immer genauere Aussagen über uns treffen können?

Solche Aussagen können dazu führen, dass Vertragsbedingungen wie etwa von Versicherungen immer individueller an die jeweilige Person angepasst werden. Denkbar ist, dass für den Einkauf von Waren unterschiedliche Preise verlangt werden, je nachdem welcher Kunde sich dafür interessiert. So wäre vorstellbar, dass einer Person Produkte, auf die sie aufgrund von Allergien angewiesen ist, zu einem höheren Preis angeboten werden als einer anderen Person, die auf andere Waren ausweichen kann.

Maja Smoltczyk
Maja Smoltczyk
© privat

Die Analyse großer Datenmengen könnte die Medizin revolutionieren – oder zu totaler Überwachung führen. Sind die Risiken größer als die Chancen oder ist es umgekehrt?

Das Risiko unkontrollierter Big-Data-Forschung in der Medizin heißt Diskriminierung, nicht Überwachung. Daher müssen die behandelnden Ärzte weiter die Hüter der Identität des Namens der Patienten bleiben. Die für die Forschung benötigten Daten sind häufig auf einzelne Personen zurückzuführen. Daher müssen die Patienten weiterhin die Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten behalten. Sie dürfen nicht gegen ihren Willen „erforscht“ werden. Voraussetzung ist Transparenz. Die Forscher müssen verständlich erklären, was sie vorhaben und wer profitiert. Wird das beachtet, sind die Chancen größer als die Risiken.

Ist der Verzicht auf die virtuelle Welt für den Einzelnen die richtige Antwort? Er kann ja auch zu sozialer Isolation führen…

In der modernen Welt wird es kaum möglich sein, auf die Vorzüge der virtuellen Welt zu verzichten, ohne insbesondere auch berufliche Nachteile zu erleiden. Bei der Auswahl der Dienste sollte man darauf achten, dass sie möglichst datenschutzfreundlich sind; nicht datenschutzfreundliche Voreinstellungen sollten geändert werden. Die Cookies im Computer sollten regelmäßig gelöscht werden. Auch empfehle ich die Nutzung von Anti-Tracking-Tools.

Welche Regeln – politisch, juristisch, gesellschaftlich – brauchen wir, damit alle teilhaben können?

Die Datenschutz-Grundverordnung, die 2018 europaweit in Kraft treten wird, wird das Datenschutzniveau gerade im Online-Bereich verbessern, so wird etwa ein „Recht auf Vergessen“ eingeführt. Der deutsche Gesetzgeber ist aufgerufen, endlich die 2009 beschlossene „Cookie-Richtlinie“ umzusetzen, die für das Setzen eines Cookies grundsätzlich die Einwilligung des Betroffenen fordert. Ich werde mich außerdem dafür einsetzen, dass der verantwortungsbewusste Umgang in der virtuellen Welt auch in den Schulen gelehrt wird. Da werden wir Hilfestellung leisten.

Wie schützen Sie selbst Ihre Daten im Netz?

Ich überlege mir schon sehr genau, wie viele und welche Daten ich im Netz über mich preisgebe.

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