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Teure Tour. Umgerechnet 115 Euro kostet es derzeit, in Schweden eine Tonne CO2 in die Luft pusten zu dürfen.
© Getty Images/iStockphoto

Klimaschutz: Das Wunder der schwedischen CO2-Steuer

Seit 1991 erhebt Schweden eine Steuer auf den Ausstoß von Kohlendioxid. Und die Bürger machen mit.

Die Schweden haben keine Angst vor Klimaschutz. Vor einem Jahr brachte die Regierung ein Gesetz auf den Weg, mit dem sichergestellt werden soll, dass das Land sein Klimaziel erreicht: CO2-Neutralität bis 2045. Das ist ganze fünf Jahre früher als das, was die Europäische Union anpeilt. Wie ambitioniert die EU wirklich sein soll, darüber streiten sich die Mitgliedsstaaten sogar noch. Schweden dagegen scheint geschafft zu haben, wovon jeder Industriestaat träumt: Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen weitgehend zu entkoppeln. Seit Beginn der 1990er Jahre sanken die nationalen Gesamtemissionen, obwohl die Wirtschaft wuchs. „Schweden zeigt, wie Klimaschutz und Wirtschaft verbunden werden können“, schwärmt auch Umweltministerin Isabella Lövin (Grüne).

Was macht das Land anders als seine europäischen Nachbarn? „Seit 1991 hat Schweden eine CO2-Steuer, und zwar eine, die funktioniert“, sagt Kaisa Amaral von der Brüsseler Organisation Carbon Market Watch. Amaral hat die CO2-Bepreisungssysteme in Europa und der Welt im Blick. Schweden, sagt sie, habe mit Abstand die höchste Abgabe auf Kohlendioxid. Bei umgerechnet 115 Euro liegen derzeit die Kosten dafür, in dem Land eine Tonne CO2 in die Luft pusten zu dürfen. Der private Konsum, Groß- wie Einzelhandel, der öffentliche Sektor und Dienstleistungen werden besonders stark besteuert. Eine CO2-Steuer auf privaten Konsum? Das muss doch die Massen auf die Straßen treiben. In Frankreich protestieren die „Gelbwesten“ auch gegen höhere Energiesteuern. Politiker aus Deutschland, vor allem die der Union, verweisen schnell auf sie, um zu begründen, warum vom CO2-Preis lieber die Finger gelassen werden sollten.

Was ist das Geheimnis des schwedischen Modells?

In Schweden jedoch wurde die Einführung der Steuer von den Menschen akzeptiert. „Das liegt daran, dass gleichzeitig eine ganze Reihe unpopulärer Steuern abgeschafft wurde“, erklärt Thomas Sterner, Professor für Umweltwirtschaft an der Universität Göteborg. Dazu hätten Vermögenssteuern, Kapitalsteuern und Ertragssteuern gehört. Mit den Einnahmen seien außerdem soziale Projekte finanziert worden.

Sterner ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Aus aller Welt bekommt er Anfragen, das Wunder der schwedischen CO2-Steuer zu erklären. Denn das Instrument ist zunehmend beliebt, zumindest in der Theorie. Von Sterner wollen Politiker und Unternehmer wissen, wie es in der Praxis gehen könnte. Der Forscher führt den Erfolg des schwedischen Modells auf verschiedene Gründe zurück. Im Zuge der großen Steuerreform 1990 wurden in Schweden nicht nur „unpopuläre“ Steuern abgeschafft, sondern die Steuerbemessungsgrundlage ausgeweitet und Abzüge verringert. „Damit ist die Einführung einer neuen Steuer damals nicht groß ins Gewicht gefallen“, erklärt Sterner. Seiner Ansicht nach spielt aber auch das Umweltbewusstsein der Schweden eine Rolle – sowie der Umstand, dass das Land keine Kohle- und Gasvorkommen besitzt. „Es gibt in Schweden keine nennenswerte Anti-Klima- Lobby.“ Da Öl, Kohle und Gas importiert werden, hätten es die Politiker bei den fossilen Energien leichter, eine Steuer durchzusetzen, als bei Exportgütern.

Und dann seien da noch die Umweltbedingungen: In Schweden mit seinen langen, kalten Wintern sei früh eine Politik entstanden, die Energieeffizienz, Biomasse, Fernwärme und öffentlichen Nahverkehr angereizt habe. In den 1970er Jahren, als Reaktion auf die Ölkrise, zog Schweden etwa Programme zur energetischen Sanierung von Häusern durch. „Es gibt dieses Bemühen, Energie zu sparen“, sagt Sterner. Zudem habe die Steuer erst nach und nach angezogen: Bei Einführung 1991 lag sie bei knapp 30 Euro pro Tonne. „So hatten Haushalte Zeit, sich anzupassen“, sagt der Umweltökonom.

Was andere Länder von Schweden lernen können?

Ein Argument gegen einen nationalen CO2-Preis: Die Treibhausgasemissionen würden sich lediglich ins Ausland verlagern. Schweden hat das Problem adressiert, indem seine großen, im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen einen geringeren CO2-Steuersatz zahlen – teilweise bis zu 60 Prozent weniger, etwa auf verwendete Energie in Produktionsprozessen. Industrieanlagen, die Teil des Europäischen Emissionshandels sind, sind ganz von der Steuer ausgenommen. „Es gibt natürlich Druck von allen möglichen Lobbygruppen, von der Steuer ausgenommen zu werden“, sagt Sterner. Dazu gehörten Fischereien, Gewächshäuser, Bauern, Computerfirmen.

Bleibt die Frage, was andere Länder vom schwedischen CO2-Steuer-Wunder lernen können? Thomas Sterner könnte weit ausholen, doch beschränkt sich auf die drei wichtigsten Ratschläge: „Eine solche Steuer muss langsam eingeführt werden, aber bestimmt. Man muss den Leuten genau erklären, warum. Und mit den Einnahmen muss Sinnvolles gemacht werden.“ Das klingt in der Theorie gar nicht mal so schwer.

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