Shoppen nur nach Termin?: "Das wird den Handel nicht retten"
Joanna Fisher ist für 200 Shoppingcenter verantwortlich. Die von Bund und Ländern beschlossenen Teilöffnungen sieht sie kritisch. Einzelhändler kämen so nicht auf ihre Kosten.
Von einer Videokonferenz hetzt Joanna Fisher an diesem Donnerstag in die nächste. Der Grund: die Beschlüsse von Bund und Ländern. Zwar ist der Lockdown verlängert worden. Doch die Einzelhändler sollen ab nächster Woche wieder öffnen dürfen – zumindest, wenn der Inzidenzwert vor Ort unter 100 liegt. Zwischen 50 und 100 soll das Einkaufen wiederum nur mit Termin möglich sein. Für Fisher ist das eine Herausforderung. Bei ECE, Deutschlands größtem Betreiber von Shoppingcentern, ist sie als Geschäftsführerin für 200 Häuser mit 20000 Läden zuständig. Allein in Berlin betreibt ECE acht Einkaufszentren, darunter das Gesundbrunnen Center und die Potsdamer Platz Arkaden, die derzeit umgebaut werden.
Frau Fisher, Einkaufen soll ab nächster Woche wieder möglich sein – wenn auch nicht überall und nur sehr eingeschränkt. Sind Sie erleichtert?
Die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens sind natürlich nicht das, was wir uns als Erleichterung für den Handel erhofft hatten. Immerhin sprechen wir jetzt aber über eine Öffnungs- statt über eine Schließungsstrategie. Das ist ein wichtiger Wendepunkt.
Wo sehen Sie Probleme?
Die neuen Vorgaben sind sehr komplex. Da muss man erst einmal nachvollziehen, was wo ab wann erlaubt ist. Bundesweit werden noch immer viele Händler nur eingeschränkt geöffnet haben dürfen. Natürlich freuen wir uns, dass Blumenläden und Buchhandlungen wieder komplett aufmachen dürfen – aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt des Handels. Es gibt viel mehr Händler, die sehr leiden und weiter darauf warten müssen, vollständig öffnen zu dürfen.
Ob ein Händler sein Geschäft aufmachen darf, hängt von der Inzidenz vor Ort ab. Liegt sie wie in Berlin zwischen 50 und 100, soll man immerhin mit Termin einkaufen können. „Click and Meet“ nennt das die Politik. Ist das umsetzbar?
Das hängt von den Verordnungen der Länder ab, die das nun konkretisieren müssen. Wir hoffen, dass sie sehr einfache und pragmatische Lösungen umsetzen werden. Denn nicht alle Händler werden ihren Kunden Termine digital per App anbieten können. Manche regeln das telefonisch, andere per Mail. Auch muss es möglich sein, spontan an der Ladentür einen Termin zu vereinbaren.
Viele Verbraucher dürften froh sein, jetzt überhaupt wieder shoppen gehen zu können – und sei es mit Termin.
Ja, aber ich glaube, dass das sehr von der Branche abhängt, wie gut das klappt. Wenn ich einen bestimmten neuen Staubsauger brauche und ihn mir vorher anschauen will, kann das funktionieren. Aber wenn ich in mehreren Geschäften nach einem Kleid oder neuen Schuhen schauen will, sieht das anders aus.
Ist den Händlern überhaupt geholfen?
Man muss klar sagen: Das ist nicht die Lösung, die den Einzelhandel retten wird. Viele Händler werden auf diese Weise nicht die Umsätze generieren, die sie bräuchten, um ihre Fixkosten zu decken wie Miete und Personalkosten.
Dabei sind viele finanziell schon jetzt angeschlagen.
Die Lage ist dramatisch und die Wirtschaftshilfen fließen immer noch nur sehr zögerlich. Bei vielen sind die Reserven aufgebraucht. Schon jetzt befinden sich fünf Prozent der Shops in unseren Häusern in einem Insolvenzverfahren. Das werden sicher noch mehr werden.
Wie sehr belastet Sie das als Betreiber der Shoppingcenter finanziell?
Das trifft vor allem die Eigentümer der Center. In Absprache mit ihnen haben wir den Händlern zum Beispiel angeboten, die Miete zu halbieren, solange ihre Geschäfte im Lockdown geschlossen sind. Auch verzichten wir auf einen Teil der Werbekosten. Insgesamt sind das bislang 150 Millionen Euro, die den Mietern erlassen wurden.
Was müsste die Politik ihrer Meinung nach anders machen?
Die Politik schaut zu stark rein auf die Inzidenzwerte. Es müssten auch andere Faktoren einfließen, insbesondere die Belegung der Intensivbetten. Schließlich wird demnächst noch sehr viel mehr getestet werden, was ich begrüße. Aber es bedeutet auch: Wir werden mehr Infektionen aufdecken. Damit steigen die Inzidenzwerte, selbst wenn sich an der Ausgangslage wenig verändert hat. Dann aber wird der Einzelhandel wieder geschlossen. Das ist ein Hamsterrad, in dem wir uns befinden.
Wäre es eine Möglichkeit, sich erst testen zu lassen und dann einkaufen zu gehen?
Wir sind für alles, was es dem Handel ermöglicht, wieder regulär aufzumachen. Wenn Tests dafür eine Lösung sind, stehen wir bereit. Wir haben an manchen Shoppingcentern schon jetzt Testzentren mit Partnern aufgebaut. Das ist also nicht das Problem. Auch was das Impfen angeht, wären wir gerne bereit zu helfen.
Impfen im Shoppingcenter?
Warum nicht? Die nötige Infrastruktur dafür haben wir. Die Center liegen zentral und sind gut erreichbar. In Hamburg zum Beispiel haben wir ein Testzentrum im Parkhaus integriert. Mit professioneller medizinischer Unterstützung wären auch Impfstationen an den Standorten denkbar.
Hat das Shoppingcenter als solches denn noch eine Überlebenschance? Oder hat es sich überholt?
Der Mensch ist ein soziales Wesen und will raus. Das sehen wir ja auch in den Ländern, die schon wieder öffnen wie Dänemark und Polen. Dort kehren die Kunden in die Innenstädte zurück. Hierzulande haben wir das im vergangenen Sommer erlebt. Und unsere Shoppingcenter stehen in zentralen Lagen, das sind Anlaufstellen für die Menschen.
Nur werden dann womöglich nicht mehr alle Händler da sein.
Je nach Standort wird sich das Shoppingcenter verändern. In der Innenstadt werden Sie auch weiterhin viel Einzelhandel haben. Andernorts könnten etwa Arztpraxen oder Schönheitssalons dazukommen. Vorstellbar ist je nach Standort auch, Boardinghouses oder kleine Hotels zu integrieren. Da sind neue Konzepte gefragt. Das ist ein ständiger Wandel, der jetzt beschleunigt wird. Aber das Shoppingcenter als solches wird sicher überleben.
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