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Gut gelaunt: Der neue Chef der Deutschen Bank, John Cryan.
© Reuters

Deutsche Bank vor dem Führungswechsel: Das Warten auf den Hoffnungsträger John Cryan

John Cryan wird ab dem 1. Juli die Führung der Deutschen Bank übernehmen. Für den Briten gibt es viele Vorschusslorbeeren - obwohl ihn kaum einer kennt.

Er gilt als sachlich und kühl, als diszipliniert und detailorientiert. In Finanzkreisen hält man viel von John Cryan, dem neuen Chef der Deutschen Bank. Er ist der Hoffnungsträger, nachdem die Ko-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ihren Rücktritt angekündigt haben. Fitschen wird zwar noch ein Jahr lang im Amt bleiben und den Neuen einarbeiten. Die wichtigen Entscheidungen soll jedoch Cryan treffen. Bereits zum 1. Juli übernimmt der 54-jährige Brite die Führung von Deutschlands größtem Geldinstitut. Bei den Aktionären kommt das gut an, die Aktie der Deutschen Bank legte am Montag kräftig zu. Die Investoren halten Cryan für den richtigen Mann an der Spitze. „Er ist jemand, der auch durchsetzt, was er verspricht, oder die Ziele sogar übererfüllt“, sagt ein Anteilseigner. Und so jemanden brauche das Institut jetzt. „Bei der Bank hat es in den vergangenen Jahren nicht an Visionen gemangelt, sondern an der Umsetzung.“

Jain und Fitschen haben mehrfach versucht, die Bank neu aufzustellen

Mehrmals haben Jain und Fitschen in den letzten Jahren versucht, das Institut neu aufzustellen. Mehrmals sind sie gescheitert. Erst haben sie dem Haus einen Kulturwandel verordnet, der angesichts der vielen Skandale jedoch wenig glaubhaft wirkte. Dann haben sie eine neue Strategie verkündet, entschieden, die Bank zu verschlanken und die Postbank zu verkaufen – was Investoren jedoch nicht weit genug ging. Hinzu kommen die vielen Rechtsstreitigkeiten, in die das Haus noch immer verwickelt ist. Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der dem Duo lange den Rücken gestärkt hat, hat das immer mehr unter Druck gesetzt. Mit Cryan soll nun alles besser werden.

Cryan sitzt seit zwei Jahren im Aufsichtsrat der Deutschen Bank

Bereits vor zwei Jahren hat Achleitner den Briten in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank geholt. Im Kontrollgremium soll Cryan vor allem durch eines aufgefallen sein: seine kritischen Nachfragen. Statt Entscheidungen abzunicken, wollte er genau wissen, wieso Dinge so gemacht werden und nicht anders. In die wichtigsten Themen der Bank soll er sich schnell detailliert eingearbeitet haben. Als Mitglied im Risikoausschuss hatte er die Gefahren im Blick, die der Bank drohen. Im Prüfungsausschuss hat er die Bilanzen hinterfragt. Achleitner scheint Cryan bewusst in solch zentralen Kontrollgremien positioniert haben. Der Aufsichtsratschef soll Cryan bereits mit dem Hintergedanken geholt haben, einen geeigneten Kandidaten für den Fall parat zu haben, dass Jain und Fitschen etwas zustoßen sollte oder sie untragbar werden.

Der neue Chef kennt das Geldinstitut, war aber nie ins Tagesgeschäft eingebunden

Aus Sicht vieler Experten hat Cryan vor allem zwei Vorzüge: Er kennt die Deutsche Bank durch seine Arbeit im Aufsichtsrat, war aber nie ins Tagesgeschäft eingebunden. Daher kann man ihn auch nicht mit den Skandalen und Manipulationen der Bank in Verbindung bringen. Gleichzeitig spricht er passabel Deutsch, da er in den neunziger Jahren mehrere Jahre für das Bankhaus Warburg in München gearbeitet hat und später Finanzchef der UBS in Zürich war.Damit unterscheidet Cryan sich von Jain. Der gebürtige Inder hat sich bis zuletzt mit der deutschen Sprache schwergetan. Auch auf der letzten Hauptversammlung hielt er seine Rede lieber auf Englisch. Beobachter fragten sich daher: Wie deutsch ist die Deutsche Bank noch, wenn der Chef nicht Deutsch spricht?

Politiker sehen kein Problem darin, dass Cryan kein Deutscher ist

Dass nun auch der neue Vorstandsvorsitzende nicht aus der Bundesrepublik kommt, stört dagegen weniger. „Wir sollten uns keine Illusionen machen, die Deutsche Bank ist eine globale Bank“, sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel. „Das Institut vertritt nunmal die Interessen eines Kreises von internationalen Eigentümern.“ Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion sieht das ähnlich. „Entscheidend sind Qualität und Integrität der Person“, sagte sie. „Dass John Cryan unsere Sprache spricht und mehrere Jahre in München gelebt hat, zeigt doch, dass er eine besondere Beziehung zu Deutschland hat. Das freut mich.“ Wie sie hält der SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel den Wechsel an der Spitze der Deutschen Bank für richtig. „Der Rücktritt des Duos Jain/Fitschen war nach dem ausgefallenen ,Kulturwandel’ bei der Deutschen Bank längst überfällig“, sagte er. Allerdings kommt der Führungswechsel seiner Ansicht nach spät. „Hoffentlich kommt er nicht zu spät“, sagte Schäfer-Gümbel. „Deutschland braucht eine starke Privatkundenbank.“

Über die Zukunft der Bank will Cryan erst nach Amtsantritt reden

Noch ist allerdings unklar, wie sich Cryan die Zukunft der Bank vorstellt. Dazu will er sich erst nach seinem Amtsantritt äußern, heißt es in der Zentrale der Deutschen Bank. Paul Achleitner warb am Montag in einem Brief an die Mitarbeiter der Bank für Cryan. Er sei ein erfahrener Banker, der persönlich und beruflich für Werte stehe, die nötig seien, um die Deutsche Bank voranzubringen. „Ich bin überzeugt, dass Sie die Wertschätzung des Aufsichtsrats für ihn teilen werden, sobald Sie ihn kennenlernen“, schrieb Achleitner an die Mitarbeiter.

Für den Neuen gibt es viele Vorschusslorbeeren

Von allen Seiten wird Cryan nun mit Vorschusslorbeeren überhäuft – und das obwohl die wenigsten Branchenkenner ihn bislang persönlich zu Gesicht bekommen haben. „Ich kenne ihn nicht, habe ihn noch nie getroffen“, sagt der Chef einer renommierten Bank, der in der Branche bestens vernetzt ist. Auch in seiner Zeit als Finanzchef bei der UBS ist Cryan wenig aufgefallen. Nur sein Abgang dort sorgte 2011 für Aufsehen. Cryan hatte sich mit dem Vorstandschef überworfen, auf dessen Posten er sich selbst Hoffnungen gemacht haben soll. Fast scheint es, als habe er nun bei der Deutschen Bank seinen Traumjob gefunden.

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