EZB-Anleihekäufe teils verfassungswidrig: Das Urteil des Verfassungsgerichts ist ein Sieg für die Demokratie
Bundestag und Regierung müssen die Anleihekäufe der EZB prüfen. Dann aber sind sie erlaubt. Eine gute Nachricht für Wirtschaft und Demokratie. Ein Kommentar.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sind die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Teil verfassungswidrig. Demnach nach hätten Bundesregierung und Bundestag die Beschlüsse prüfen müssen. Und sie hätten von den Zentralbankern einen Beleg verlangen müssen, dass ihr Vorgehen verhältnismäßig ist. Unter diesen Voraussetzungen aber sind die Anleihekäufe weiter möglich. Das Urteil ist ebenso mutig wie diplomatisch.
Mutig ist dieses Urteil, weil die Bundesverfassungsrichter bei ihrer kritischen Einstellung gegenüber den Anleihekäufen bleiben – obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) sie zuvor durchgewunken hat.
Gleichzeitig wahren mit dem Urteil aber beide Seiten ihr Gesicht, das Verfassungsgericht ebenso wie der EuGH. Schließlich hat letzterer lediglich festgestellt, dass die EZB mit den Anleihekäufen ihr Mandat nicht überschritten hat. Und dass es sich dabei nicht um eine verbotene Staatsfinanzierung handelt.
Das akzeptiert das Bundesverfassungsgericht und bestätigt ebenfalls: „Einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung konnte der Senat nicht feststellen.“ In einem für die Kläger wichtigen Punkt gibt das Bundesverfassungsgericht ihnen also nicht recht.
Stattdessen konzentrieren sich die Karlsruher Richter auf die Rolle von Bundesregierung und Bundestag. Beide haben demnach versagt, hätten sie doch das Vorgehen der EZB prüfen müssen. Das ist hart, macht die Anleihekäufe aber nicht unmöglich. Schließlich können Bundestag und Bundesregierung noch nachbessern.
Machen alle ihre Hausaufgaben, können Anleihekäufe weitergehen
Das ist diplomatisch, denn umgekehrt heißt das: Machen Bundestag und Bundesregierung nun ihre Hausaufgaben, steht den Anleihekäufen durch die EZB nichts im Weg. Das ist gerade in der derzeitigen Situation wichtig. Denn die Zentralbanker haben die Anleihekäufe im Zuge der Corona-Krise noch einmal ausgeweitet.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern, investiert die EZB bis Jahresende im Rahmen der laufenden Kaufprogramme zusätzliche 120 Milliarden Euro. Weitere 750 Milliarden Euro fließen über ein neues Notkaufprogramm in Staats- und Unternehmensanleihen.
Zwar war das neue Corona-Programm nicht Teil der Verhandlung vorm Bundesverfassungsgericht. Bundesregierung und Bundestag werden sich aber wohl auch damit beschäftigen müssen, wenn sie nicht neue Klagen riskieren wollen.