Retouren werden kostenpflichtig: Das sorglose Shoppen im Netz ist vorbei
Neue Regeln im Versandhandel: Ab Mitte Juni tragen Onlinekäufer grundsätzlich die Kosten für Rücksendungen, das sieht eine EU-Richtlinie vor. Worauf Kunden jetzt achten sollten.
Drei Abendkleider zur Auswahl bestellen? Schuhe grundsätzlich in zweierlei Größen? Den Lampenschirm nur mal fürs Probehängen? Bisher ist das für viele Deutsche gang und gäbe: Mehr als 40 Prozent aller Internetnutzer haben schon mindestens einmal etwas in der Annahme liefern lassen, dass sie es wieder zurückschicken werden. Warum auch nicht – in der Regel können Produkte, die nicht gefallen, einfach kostenlos zurückgesendet werden. Das wird sich ändern. Für Waren, die ab Freitag, dem 13. Juni, gekauft werden, gilt: Die Kosten für die Retoure trägt grundsätzlich der Kunde. Dann tritt die neue EU-Richtlinie über Verbraucherrechte in Kraft.
Was sich genau ändert
Bislang konnten Kunden in Deutschland für Rücksendungen nur belangt werden, wenn der Wert des Inhalts geringer als 40 Euro war. Jetzt tragen Kunden EU-weit das volle Rückgaberisiko, egal, welchen Wert die Ware hat. Außerdem reicht es nicht mehr, einfach das Paket an den Absender zurückzuschicken – der Kunde muss ausdrücklich seinen Widerruf erklären. Und zwar binnen 14 Tagen nach Erhalt der Ware.
Welche Kosten drohen
Der Preis für eine Rücksendung kann stark variieren. Kleinere Warensendungen kosten bei Paketdienstleistern um die zwei Euro Porto, für sperrige Güter wie Sitzmöbel, Fernseher oder Rasenmäher können sich die Versandkosten aber locker auf 25 bis 80 Euro belaufen. Bei wertvollen Produkten sollten Kunden unbedingt die Möglichkeit des versicherten – teureren – Versands wählen. Ansonsten liegt das volle Risiko, dass ein Paket verloren geht, bei ihnen. „Den Widerruf sollte man unbedingt schriftlich erklären“, rät überdies Bernd Ruschinzik, Versandhandelsexperte bei der Verbraucherzentrale Berlin. Per Gesetz darf der zwar auch mündlich erfolgen. „Das kann man im Zweifelsfall aber nicht beweisen.“ Erklärt das Unternehmen im Nachhinein, dass binnen der 14-Tage-Frist kein Widerruf eingegangen sei, muss der Kunde die Ware bezahlen. Am sichersten ist es, den Widerruf per Einschreiben oder als Fax mit Sendebericht abzuschicken.
Wie der Widerruf auszusehen hat
„Ein formloses Schreiben mit einem einfachen Satz genügt”, sagt Dorothea Kesberger von der Verbraucherzentrale Berlin. Darin sollten aber auch Kundennummer, Bestellnummer und Datum angegeben werden. Im Internet kann man sich einen Musterbrief herunterladen. Begründet werden muss der Widerruf nach wie vor nicht.
Ausnahmen
Jeder Onlinehändler kann selbst entscheiden, ob er von seinen neuen Rechten Gebrauch machen will. Versandhändler können also weiterhin aus Kulanzgründen die Kosten für die Rücksendung übernehmen – so wie das viele bisher auch für Sendungen unter 40 Euro getan haben. Sofern nicht mit kostenlosem Rückversand geworben wird, ist aber davon auszugehen, dass Kosten anfallen. Allerdings gilt: „Kunden müssen nur dann für die Retoure zahlen, wenn der Händler sie vor dem Kauf darauf hingewiesen hat“, sagt Verbraucherschützer Ruschinzik. Geht also weder aus den Kaufschritten noch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hervor, dass Retouren zulasten des Kunden gehen, ist niemand zur Zahlung verpflichtet.
Wie der Versandhandel reagiert
Viele große Onlinehändler haben bereits angekündigt, dass Kunden bei ihnen weiterhin Waren jeden Werts gratis zurückschicken können – darunter Otto, Zalando und H&M. Auch Tchibo, Baur, Galeria Kaufhof, Deichmann und die Parfümerie Douglas teilten auf Nachfrage mit, dass Rücksendungen für ihre Kunden grundsätzlich kostenlos bleiben. Diese Firmen legen ihren Lieferungen in der Regel schon einen bezahlten Rückversandschein bei. Bei Amazon sind Retouren über 40 Euro kostenfrei. Daran ändert sich ebenfalls nichts.
„Wie bisher wird es für unsere Kunden auch ab dem 13. Juni ausreichen, die Ware einfach zurückzusenden“, sagt eine Tchibo-Sprecherin. Viele andere Unternehmen haben aber noch nicht mitgeteilt, wie der Widerruf bei ihnen künftig zu erfolgen hat. Vom neuen Recht Gebrauch machen dürften nach Ansicht des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH) wohl vor allem die Händler, die schon jetzt für Warenwerte unter 40 Euro keine Gratisretouren anbieten. Beispiele (neben Amazon, wo sich nichts ändert) sind Geliebtes-zuhause.de und Thalia. Nach einer Umfrage der Universität Regensburg steigt die Neigung der Händler, die Retourkosten auf den Kunden abzuwälzen, je kleiner der Shop ist. Insgesamt gaben drei Viertel der Befragten an, einen kostenpflichtigen Rückversand zu erwägen. Festlegen wollte sich auf Nachfrage des Tagesspiegels aber noch kein Unternehmen. Beim Branchenverband Bitkom hält man es für wahrscheinlich, dass zum Beispiel professionelle Händler bei Internetauktionshäusern wie Ebay jetzt Rücksendungen kostenpflichtig machen.
Warum es die Änderungen gibt
Anbieter von Onlineshops sollen mit dem neuen EU-Recht vor hohen Logistikkosten geschützt werden. In der Vergangenheit hatten Kunden immer leichtfertiger große Mengen von Waren ohne Kaufabsicht bestellt: Beim Modehändler Zalando liegt die Rücksendequote längst bei 50 Prozent. Im Januar dieses Jahres hatte Amazon Kundenkonten sperren lassen, weil Nutzer überdurchschnittlich häufig retournierten. Auch die Unternehmen Tchibo und Schwab haben solche Maßnahmen eigenen Angaben nach in Einzelfällen schon ergriffen.
Beim Handelsinformationsdienst Planet Retail geht man dennoch davon aus, dass viele Onlinehändler auch künftig kostenlose Rücksendungen anbieten werden. „Die Rückgabeoption ist fester Teil des Geschäftsmodells vieler Händler“, sagt Analyst Niklas Reinecke. Beim Bitkom sieht man das ähnlich. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte dem Tagesspiegel aber: „Gleichzeitig nehmen wir an, dass Onlinehändler bei ihren Kunden künftig genauer hinschauen, und jene Kunden, die regelmäßig oder häufiger Waren zurücksenden, an den Kosten für die Retouren beteiligen werden.“
Der Onlinehandel boomt
Das Shoppen im Internet gehört für viele Deutsche zur Tagesordnung. Nach Angaben des Bitkom kaufte 2013 bereits jeder zweite Deutsche im Internet ein. Mit rund 34,3 Milliarden Euro Umsatz machte der Onlinehandel vergangenes Jahr etwas mehr als acht Prozent des deutschen Gesamthandelsvolumens aus. Im Durchschnitt kauften die Kunden Waren im Wert von 927 Euro. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit hinter den Briten auf Platz zwei.
Umweltschützer dürften die erschwerten Bedingungen freuen: Sie kritisieren seit langem den hohen Logistik- und Verpackungsaufwand.
Hinweis: Die Änderungen gelten für den Versandhandel insgesamt, also auch für Bestellungen über Katalog und Telefon.
Maris Hubschmid