Weitere Warnstreiks: Das sind die Alternativen zur Post
Erneut haben Post-Mitarbeiter am Dienstag die Arbeit niedergelegt. Von den Warnstreiks beim Branchenführer profitieren die Mitbewerber. Der Markt ist umkämpft, die Unternehmen locken Kunden mit immer bequemeren Lösungen.
Kommt sie heut’ nicht, kommt sie morgen – oder auch nicht: Bei der Deutschen Post hat die Gewerkschaft Verdi ihre Streiks fortgesetzt. Nachdem auch die jüngste Verhandlungsrunde mit dem Bonner Konzern vergangene Woche gescheitert war, legten am Dienstag Tausende von Beschäftigten in fast allen Bundesländern die Arbeit nieder, wie ein Verdi-Sprecher am Dienstag sagte.
Es ist der fünfte Warnstreik bei Deutschlands größtem Logistikunternehmen seit April. Zwar seien bei den vorangegangenen Malen nur zehn Prozent aller Sendungen verspätet angekommen, heißt es bei der Post – angesichts von allein 64 Millionen Briefen pro Tag ergibt das aber eine stattliche Summe. Verhandeln wollen die Gewerkschaft Verdi und der Konzern nach den letzten Gesprächen am Donnerstag vergangener Woche nun erst wieder am 1. Juni. Bis dahin müssen Kunden also weiter bangen, ob Glückwunschkarten und Päckchen ihren Empfänger wunschgemäß erreichen. Und mancher fragt sich vielleicht nicht zum ersten Mal: Was gibt es für Alternativen?
Die Post baut ihren Marktanteil aus
Die Antwort ist: Immer mehr – und doch nur wenige. Dazu muss man sagen: Die Deutsche Post, einst Bundespost, ist und bleibt wohl auch noch auf lange Sicht die unangefochtene Nummer eins, vor allem im Briefgeschäft. In den zurückliegenden Jahren konnte sie aber auch im Paketbereich ihren Marktanteil ausbauen. Demnach überbrachte DHL 2010 noch 39 Prozent aller Paketsendungen, 2014 waren es 43 Prozent. Zugleich ist dieser Markt enorm gewachsen – Internet und Onlinehandel sei Dank. Zwar werden Milliarden Schreiben heute als E-Mail verschickt, doch die Menschen nutzen das Web auch, um sich Produkte bei Zalando, Amazon oder H & M zu bestellen – am besten gleich mehrere zur Auswahl. Geschätzt 2,8 Milliarden Pakete werden jährlich innerhalb Deutschlands bewegt. Kein Wunder, dass immer mehr Transportfirmen davon profitieren wollen.
Einer der ernstzunehmenden Mitbewerber der Post ist dabei sicherlich Hermes, der zur Otto Group gehört und zuletzt weltweit um sieben Prozent zulegen konnte. Hermes hat bereits vor 15 Jahren das Modell Paketshop eingeführt: Kioske, Bäckereien oder Blumengeschäfte wickeln die Paketannahme nebenbei ab, das Unternehmen spart sich so die Filialen und der Kunde lange Warteschlangen. Aktuell listet die Firma 14 000 solcher Läden, allein 671 in Berlin. DHL rüstete nach und unterhält inzwischen mehr als 20 000 Shopkooperationen. Momentan profitiert Hermes vom Streik beim gelben Branchenführer: „Aktuell verzeichnen wir eine Nachfrage, die unsere Erwartungen übersteigt. Wir liegen sogar mehrere Prozentpunkte über dem Plan“, sagte Hermes-Sprecher Martin Frommhold dem Tagesspiegel. Auch bei der in Berlin ansässigen Pin AG, die sich anders als Hermes auf Briefe spezialisiert hat, freut man sich: „Wir merken, dass wir einiges abfangen“, teilte Pin auf Anfrage mit.
XXL-Briefkästen für Berlin
Dauert der Tarifkonflikt an, könnte die Post weitere Privatkunden verlieren – die sie doch aktuell mit neuen Versand- und Zustelllösungen heftig umwirbt: Längst gehören nicht nur Paketshops und -stationen zum Programm, inzwischen gibt es den Briefkasten für's Paket, und zwar sowohl für Einfamilien-, als auch für Mehrparteienhäuser. Gerade wurden in Berlin-Lichtenberg elf erste XXL-Varianten in Häusern der Deutschen Annington installiert. Haushalte können den Kasten schon für 1,99 Euro im Monat mieten. Und darüber auch Sendungen aufgeben: Der Bote nimmt die Post – wie in den USA – gleich mit.
Zu den neuen Ideen gehört es auch, DHL-Pakete künftig in den Auto- Kofferraum des Empfängers zuzustellen. „Neuwagen sind ohnehin mit einer Ortungsfunktion ausgestattet“, erklärte Andrej Busch, DHL-Geschäftsführer für Europa, unlängst in Berlin.
Vergleichsweise profan klingt dagegen dieses Konzept: Mit Wunsch-Terminen will die Post den Zeitpunkt, an dem sie den Adressaten aufsucht, mehr an die Bedürfnisse des Empfängers anpassen. Mitbewerber Hermes erzielt bereits jetzt eine besonders hohe Zustellquote im Zeitfenster am Abend zwischen 17 und 19 Uhr. Das rechnet sich: „Ein Viertel der Kosten entstehen im Postgeschäft auf der letzten Meile“, erklärt Claus Zanker, Branchenexperte von der Beratungsfirma Input Consulting. „Hier liegen die größten Herausforderungen.“ Für ein Paket hält die Post im Schnitt 1,1 Mal.
Am Wochenende fahren DPD und GLS gar nicht erst los
Dieses Problem haben diejenigen nicht, die sich auf gewerblichen Versand spezialisiert haben – allen voran DPD, das in Deutschland inzwischen 7500 Mitarbeiter beschäftigt und 320 Millionen Pakete befördert, aber auch das amerikanische Unternehmen UPS oder der britische Service GLS. Sie transportieren vom Händler zum Endkunden – vor allem aber von Unternehmen an Unternehmen. „In Deutschland macht dieses Segment im Jahr etwa 1,1 Milliarden Pakete aus“, sagt Zanker. Rein privat, zum Beispiel zum Geburtstag an die Oma, gingen dagegen nur etwa 160 Millionen Pakete pro Jahr auf den Weg. Ein weiterer großer Vorteil: Wer an Unternehmen liefert, trifft fast immer jemanden an – am Wochenende fahren DPD und GLS wiederum gar nicht erst los.
Von den Querelen bei der Post haben diese Unternehmen unmittelbar wenig gespürt. Weil Verträge mit Geschäftskunden oft langfristig angelegt seien, wechselten diese ihren Dienstleister kaum spontan, heißt es bei DPD. Und Amazon, das allein 400 Millionen Pakete jedes Jahr in Deutschland verschickt, kooperiert ohnehin gleich mit drei Anbietern, um unabhängig zu bleiben: DHL, Hermes und DPD. Hartnäckig halten sich auch die Gerüchte, der US-Händler arbeite längst an einem eigenen Zustellservice.
Um ihre Position gegenüber der Post auszubauen, schließen Hermes, DPD und GLS sich derweil nun sogar zusammen. Als Reaktion auf die neueste Offensive des Marktführers wollen sie ihren eigenen Paketkasten auf den Weg bringen – den soll, anders als umgekehrt, auch DHL nutzen dürfen, betonen sie. „Weil es den Kunden schließlich nicht interessiert, wer einem die bestellten Schuhe bringt“, sagt Hermes-Sprecher Martin Frommhold. Hauptsache, sie kommen. Und wer will schon vier Paketboxen vor der Tür haben?
Wohin mit dem Paket für Oma?
Im Zustellbereich tut sich also einiges. Schwieriger sieht es mit dem Versand aus. Zwar ist in Einzelfällen bei den genannten Konkurrenten auch die Aufgabe eines einzelnen Päckchens möglich – wirklich ausgerichtet auf Privatkunden sind die alternativen Anbieter mit Ausnahme von Hermes aber nicht.
Und wie steht es bei der Konkurrenz mit der Streikgefahr? „Bei Hermes werden sämtliche 4500 Mitarbeiter übertariflich bezahlt – die Mehrheit der gut 10 500 Zusteller beschäftigt die Firma allerdings über Vertragspartner zu niedrigeren Löhnen“, sagt Benita Unger von der Gewerkschaft Verdi. Die Pin Mail AG liege inzwischen ein ganzes Stück über dem Mindestlohn – „aber immer noch deutlich unter der Deutschen Post.“ Die ist also immer noch der am besten zahlende Arbeitgeber – und doch auch wieder nicht: In den neuen Tochtergesellschaften werden die Angestellten nach Logistik-Tarif bezahlt. „Sie liegen im Lohnniveau unter allen anderen“, sagt Unger. Auch dagegen will Verdi ankämpfen – notfalls mit Streiks.
Service: Was Warnstreiks für wichtige Sendungen bedeuten
Wo Briefe oder Pakete fristgerecht eintreffen müssen, können Kunden im Fall weiterer Warnstreiks Schwierigkeiten bekommen. Verzögert sich die Zustellung einer Bewerbung oder Kündigung, trifft die Post keine Schuld – denn Streiks gelten als höhere Gewalt. Das Unternehmen übernimmt deshalb keine Haftung. Die Verantwortung dafür, dass termingebundene Post rechtzeitig beim Adressaten eintrifft, trägt also der Kunde. Das gilt grundsätzlich auch für Retouren – wer einen offiziellen Retourenschein hat, umgeht das Problem aber, wenn er diesen bei der Abgabe im Paketshop scannen lässt. Damit ist die fristgerechte Aufgabe dokumentiert. Bei anderen wichtigen Sendungen sollte man lieber auf Expressversand ausweichen – dieser sei vom aktuellen Arbeitskampf nicht betroffen, erklärt die Post, weil es dafür ein eigenes Zustellnetz gibt. Auch unabhängig von Warnstreiks garantiert der Konzern von Expressangeboten abgesehen keine Laufzeiten.