Flatrate-Wohnen: Das Pauschal-Haus
Wohnen, Strom, Wärme und ein E-Auto - und das alles für eine Flatrate. Was sich fast zu schön anhört, um wahr zu sein, wird bald an vielen Orten in Deutschland Realität – auch in Berlin.
Über das Mieterstromgesetz kann Timo Leukefeld gar nicht so in Begeisterung geraten wie die Bundestagsabgeordneten, die es gerade bearbeiten. „Natürlich ist es gut, wenn Vermieter ihre Mieter leichter mit Solarstrom vom eigenen Dach versorgen können“, sagt der Energiewissenschaftler und -berater aus dem sächsischen Freiberg. „Aber wir gehen mit unseren Projekten noch zwei Schritte weiter: Bei uns bekommen die Bewohner auch noch die Wärme und ein E-Auto – und das für eine Flatrate.“
Was sich fast zu schön anhört, um wahr zu sein, wird bald an vielen Orten in Deutschland Realität. Im thüringischen Städtchen Schmölln wird im Juni Landeswirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein Haus einweihen, das all das kann. In Cottbus zieht die örtliche Wohnungsgenossenschaft zwei Häuser mit jeweils sieben Wohnungen hoch, die Mitte 2018 fertig sein sollen. „Die ersten inoffiziellen Bewerber haben sich schon gemeldet“, freut sich Uwe Emmerling, der Vorstandsvorsitzende der eG Wohnen 1902.
In Berlin-Spandau sollen fünf Mehrfamilienhäuser nach dem Flatrate-Konzept entstehen, in Koblenz, Wilhelmshaven und Nordhorn jeweils eines. Zwei Planungsaufträge hat Leukefeld in Rostock, in Dresden konzipiert er eine Siedlung mit 700 Wohnungen auf einem ehemaligen Armeegelände.
Warmwasser und Strom vom Dach
Der technische Ansatz ist immer ähnlich: Die Häuser sind sehr gut gedämmt, erfüllen mindestens den Effizienzhaus-Standard 55 der Förderbank KfW. Auf den Dächern werden Module für Solarthermie und Fotovoltaik installiert, die warmes Wasser und Strom produzieren. In den Häusern findet sich ganz zentral ein sehr großer Langzeitwärmespeicher. Der kann die Energie mehrere Wochen aufbewahren. „Wenn wir im September Sonnenwärme produzieren, reicht die bis Ende November“, sagt Leukefeld. „Und bei direkter Sonneneinstrahlung arbeitet die Solarthermie auch im Winter.“ Die Häuser seien zu 60 bis 75 Prozent autark, was Strom und Wärme angehe. Eine noch höhere Autarkie zu erreichen, sei problemlos möglich, aber nicht ökonomisch. Die Wärme, die noch von außen zugekauft werden muss, kommt aus Gas oder Fernwärme.
Von Wärmepumpen hält der Professor an der Berufsakademie Glauchau nicht viel: „Im Winter verbraucht die Pumpe ein Mehrfaches des Stroms, den ich auf dem Dach produzieren kann. Und wenn die Strompreise in Zukunft flexibler werden, gehen sie im Winter durch die Decke.“ Und das würde seine Grundidee durchkreuzen, den Bewohnern der Häuser auf mindestens zehn Jahre hinaus einen stabilen Preis für Wohnen, Strom und Wärme zu garantieren.
"Hier entwickelt sich was ohne Politik"
„Wir wollen die Vorurteile gegenüber energieeffizienten Häusern abbauen“, sagt Leukefeld. „Es heißt ja immer: Die Häuser sind zu teuer, brauchen Förderung, sind politisch angeordnet. Aber hier entwickelt sich was ohne Politik.“
Das bestätigen auch die Projektbeteiligten, die von Berufs wegen rechnen können. So verspricht Genossenschaftschef Emmerling, dass die neuen Wohnungen mit Strom und Wärme rund zehn Euro pro Quadratmeter kosten werden. „Das ist für einen Neubau sensationell“, so Emmerling. Auch in Cottbus seien acht bis neun Euro Kaltmiete für neu gebaute Wohnungen normal – natürlich ohne Strom und Heizung.
Raik Romisch ist Vorstand der VR-Bank Altenburger Land, die gerade das Haus in Schmölln bauen lässt. Er kalkuliert für das aufwendige Paket an Energietechnik 20 bis 25 Prozent Mehrkosten gegenüber einem herkömmlichen Haus. „Das amortisiert sich aber innerhalb von zwölf bis 15 Jahren.“
Auch noch das E-Auto inklusive
Für Romisch ist die Energiewende auch ein lohnendes Investitionsobjekt. So hat seine Bank schon 2008/09 acht eigene Fotovoltaik-Anlagen errichten lassen, die einen „stabilen Ertrag“ bringen. 2011 hat sich die Bank an einer Energiegenossenschaft beteiligt. Und für die Bewohner der neuartigen Häuser, sagt Romisch, sei die Flatrate für Wohnen, Energie und gegebenenfalls Mobilität „ein wichtiger Bestandteil der Altersvorsorge“. Wenn die Kosten auf zehn oder sogar zwanzig Jahre festgeschrieben seien, drohten keine unangenehmen Überraschungen im Ruhestand.
In allen Häusern soll es aber eine gute Altersmischung geben, darauf wird auch bei der Auswahl der Mieter oder Genossen geachtet. In allen Altersklassen dürfte es gut ankommen, dass die Bewohner auch Pedelecs und E-Autos werden nutzen können – überwiegend betankt mit Strom vom eigenen Dach. Banker Romisch hat ein Projekt mit der Energiegenossenschaft eingestielt, die mehrere Renault Zoe zur Verfügung stellen wird. „Dann haben wir das Rundum-sorglos-Paket.“