Wie viel Geld besitzen die Kirchen?: Das Kreuz mit den Milliarden
Verlage, Brauereien, Immobilien – die Kirchen haben über Jahrhunderte ein immenses Vermögen angehäuft. Doch den Wert wollen sie lieber für sich behalten.
Der Chef war nicht gut auf seine Leute zu sprechen. Die Kirche müsse sich „entweltlichen“, riet der Papst, ihrer „missionarischen Pflicht“ könne sie dann viel besser nachkommen. Am besten, überlegte der Heilige Vater, wäre sie „von ihrer materiellen und politischen Last befreit“. Man hänge zu sehr an Organisationen und Gewohnheiten und habe darüber etwas Wichtiges vergessen – dass man eben nicht von dieser Welt sei.
Der Pontifex, der seinen Schäfchen derart ins Gewissen redete, hieß noch Benedikt, es war bei seinem Deutschlandbesuch vor gut zwei Jahren. Heute wünscht sich womöglich mancher katholische Bischof, der Mann aus Rom hätte sich durchgesetzt. Seit die Republik über den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und seinen luxuriösen Amtssitz staunt, ahnen die Gläubigen, wie reich die Kirchen tatsächlich sind. Viele fragen, was mit dem wertvollen Besitz und seinen reichen Früchten geschieht – und warum niemand Genaues darüber weiß.
Fest steht: Die Kirchen, die katholische wie die evangelische, schwimmen im Geld. Über Jahrhunderte haben sie ein stattliches Vermögen angehäuft. Und sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Rund eine Million Menschen arbeiten im Auftrag des Herrn, nur der Staat beschäftigt mehr Menschen. Sie helfen der Kirche, Wohnungen zu vermieten, Wald zu bewirtschaften, Bier zu brauen, Reisen zu organisieren, Kredite zu vergeben, Filme zu produzieren, Kinder zu erziehen, Kranke zu pflegen und vieles mehr.
Einer der größten Posten im Portfolio der Hirten ist der katholische Weltbild-Verlag. Schundliteratur ist ebenso im Angebot wie Schlankheitstee oder Schlagschrauber. 6800 Mitarbeiter brachten zuletzt fast 1,6 Milliarden Euro Umsatz. Aber auch Tausende Mietshäuser befinden sich im Besitz der Bischöfe, über allein 30 000 Einheiten verfügt ihre Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft Köln. Die Kleriker lassen Filme produzieren („Tatort“, „Schwarz greift ein“) und einschlägige Radiosendungen („Domradio“). Bier („Kloster Andechs“) ist ebenso im Angebot wie Wein und Mineralwasser („Adelholzener“). Natürlich kümmert man sich auch um das liebe Geld – das tun Institute wie die „Pax Bank“, die „Liga-Bank“ oder Versicherungen wie die „Bruderhilfe“. Katholiken wie Protestanten betreiben zudem Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Altenheime und Schulen. Auch hier werden keine Wohltaten verteilt – Sozialkassen, der Staat und Gebührenzahler sorgen für die Finanzierung.
Hinzu kommen Erbschaften, Kapitalvermögen und Liegenschaften, die sich über die Zeit angesammelt haben. Die Protestanten, auch keine armen Kirchenmäuse, nennen weitläufige Felder und Wälder ihr Eigen. Deren Fläche ist dreieinhalbmal so groß wie die Berlins. Wertvoll sind neben tausenden Gemeinde- und Pfarrhäusern auch Kathedralen und Kirchen, meist in 1a-Lagen. Der Berliner Dom etwa ist mit 190 Millionen Euro bewertet – doch einen echten Markt für derlei Gotteshäuser gibt es natürlich nicht.
Wie hoch der Gesamtwert ihrer Besitztümer ist, darüber schweigen sich beide Konfessionen aus. Weder die 27 (Erz-)Bistümer noch die 20 evangelischen Landeskirchen nennen umfassende Zahlen. Nur über einen Teil ihrer Finanzen müssen die katholischen Bischöfe Rechenschaft ablegen. Zwar öffneten zahlreiche Bistümer zuletzt unter dem Druck der Ereignisse in Limburg die Bücher. Heraus kamen aber eher magere Millionensummen – vermutlich nur ein Teil des Reichtums. Das liegt auch daran, dass die meisten Zahlenwerke noch nicht von kameralistischer auf moderne Buchführung umgestellt sind.
Carsten Frerk hat versucht, den Besitz der beiden großen Kirchen zu schätzen. Der Politologe kommt auf 435 Milliarden Euro – 150 Milliarden in Geld und Aktien, 220 Milliarden in Immobilien (ohne Kirchen) und 65 Milliarden in Stiftungen und anderen Vermögenstiteln. „Geld bedeutet Macht, und das will die Kirche nicht dokumentieren“, befindet Frerk. Überdies, sagt er, dürfte das Spendenaufkommen zurückgehen, würde den Gläubigen dämmern, dass Almosen gar nicht nötig sind.
Dass auch in Zeiten wachsender Zweifel an der frohen Botschaft das Vermögen nicht schmilzt, dafür sorgen Bürger und Staat mit beträchtlichen Zuwendungen. Aus der Kirchensteuer, die der Staat eintreibt, flossen 2012 der katholischen Kirche 5,2 Milliarden und der evangelischen 4,6 Milliarden Euro zu. Hinzu kommen Steuerbefreiungen, die Übernahme der Kosten für Religionslehrer oder Konfessionsschulen und vieles mehr. Auf fast 20 Milliarden Euro summiert sich die Hilfe, hat Kirchenkritiker Frerk errechnet.
Vieles davon geht zurück auf den Beginn des 19. Jahrhunderts. Nachdem Napoleon Teile Deutschlands erobert hatte, verfügten die Fürsten im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 die Enteignung der Kirchen. Im Gegenzug zahlte der Staat Entschädigungen. Das ist bis heute die Grundlage nicht nur für die Kirchensteuer, sondern auch für die Dotationen der Länder an Bistümer und Landeskirchen von 460 Millionen Euro im Jahr. Auch die Bezahlung der Bischöfe durch den Staat geht darauf zurück. Viele der Oberhirten verdienen wie Staatssekretäre, also um die 10 000 Euro. Wie es weitergehen soll mit den Finanzen, darüber streiten die Kirchenleute noch. Dass man Vermögen verschleiere, davon will Thomas Begrich, Finanzchef der Evangelischen Kirche in Deutschland, nichts wissen. „Wir verstecken nichts. Es ist alles transparent und öffentlich.“ Es sei falsch, sich die Kirche als Unternehmen voller Reichtümer vorzustellen. „Die Kirche nutzt alle Einnahmen ausschließlich für die kirchliche Arbeit.“
Andere sind nachdenklicher. „Die Kirche sollte Transparenz über all ihre Besitztümer herstellen“, sagt der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff. Er war lange Generalvikar, also Verwaltungschef des mächtigen Bistums. „Der Debatte über die Finanzen müssen wir uns stellen.“ Er glaubt, dass das Vermögen weitaus geringer ist, als viele schätzen. Schon wegen der wachsenden Pensionslasten für das Personal. Sich von Besitz zu trennen und wieder zur armen Kirche zu werden, wie von Papst Benedikt angeregt, das sieht er skeptisch. „Wir haben Verantwortung für Menschen. Wenn man nun auf einmal weniger Geld hätte, wäre das sicherlich auch mit Entlassungen verbunden.“
Carsten Brönstrup
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