Kein Protz, kein Prunk: So bescheiden lebt Berlins Kardinal Woelki
Limburgs Luxus-Bischof Tebartz-van Elst steht wegen seiner Millionen-Residenz massiv in der Kritik. Deutlich bodenständiger geht es da in Berlin zu. Bischof Rainer Maria Woelki wohnt zur Miete - in einem Altbau in Wedding.
In den Wedding? Zu den Arbeitslosen und den Muslimen? Da könne ein Erzbischof nicht wohnen. Das sagten hiesige Katholiken dem Bischof Rainer Maria Woelki, als er vor zwei Jahren aus Köln nach Berlin berufen wurde. Doch für ihn war der üble Leumund des Kiezes Ansporn: Jetzt erst recht!
Mittlerweile dürfte Woelki schon mehr als drei Kreuze gemacht haben für die Wahl seines Wohnsitzes. Denn Papst Franziskus predigt Armut, und der Limburger Amtskollege Franz-Peter Tebartz-van Elst wird gerade ins Fegefeuer gewünscht wegen seines 31 Millionen Euro teuren Bischofssitzes.
Woelki wohnt im Soldiner Kiez zur Miete in einem typischen Berliner Altbau mit Vorderhaus, Seitenflügel, Hinterhaus. Das Haus gehört der Aachener Wohnungsbaugesellschaft, und die gehört zur katholischen Kirche. Woelkis Miete bleibt also in der Familie.
Die Namen auf den Klingelschildern fallen nicht weiter auf, nur auf dem fürs Dachgeschoss steht „Woelki“. Das Haus wurde vor, aber nicht wegen Woelkis Einzug saniert – und zwar nicht üppig, wie Pressesprecher Stefan Förner sagt, doch „werthaltig“. Damit man nicht in zehn Jahren wieder von vorne anfangen muss. Unters Dach will Woelki keine Journalisten vorlassen, so viel Privatsphäre muss sein. Einen Eindruck vermittelt aber auch sein Büro im Erdgeschoss. Hier arbeiten außer ihm die Büroleiterin, sein persönlicher Referent und die Sekretärin. Die fünf Räume, ein enger Flur und der große Konferenzraum verströmen den Charme einer Arztpraxis. Die Holzdielen sind aufgearbeitet, im Bad dominiert schwarzer Schiefer, wie man es jetzt halt so hat in Wohnungen mit gehobenem Ambiente.
Den Konferenztisch habe man anfertigen lassen, sagt Förner, so große Tische für 10, 15 Menschen gebe es nicht von der Stange. Wie viel er gekostet hat, weiß er nicht. „Aber sicher keine 25 000 Euro.“ So teuer soll der Konferenztisch in der neuen Limburger Residenz sein.
Woelkis Wohnung im fünften Stock hat fünf Zimmer und dürfte in der Ausstattung dem Standard unten entsprechen. Zu Arbeits-, Wohn-, Schlaf- und Esszimmer kommt ein privater Andachtsraum hinzu, den man aber bitteschön nicht Kapelle nennen soll. „Dann denken alle an die neue Kapelle im Limburger Bischofshaus“, sagt Förner, und damit habe der zehn Quadratmeter kleine Raum wirklich nichts gemein. Er ist ausgestattet mit Bildern und einem Kreuz, die der frühere Berliner Kardinal Joachim Meisner angeschafft hat. „Sicher keine Ware aus dem Katalog eines Kirchenausstatters, sondern kunsthandwerklich gearbeitete, ,wertige‘ Gegenstände.“ Meisner verstehe was von Kunst und Qualität. „Aber da hängen keine holländischen Meister aus dem 17. Jahrhundert“, sagt Förner. Woelki decke im Übrigen selbst den Tisch und koche Kaffee. Eine Haushälterin gibt es nicht.
Für kurze Wege steigt der Kardinal auch mal aufs Fahrrad; so oft es geht, fährt er mit der Bahn. Ansonsten nutzt er einen 5er-BMW. Nach dem, was man so hört, bietet der Münchner Autokonzern den deutschen Bischöfen sagenhaft günstige Leasing-Konditionen. Auf einen Mittelklassewagen umzusteigen, wäre zwar besser fürs Image, würde aber momentan teurer kommen. Und in Franziskus’ Renault R4 würde der 1,92 Meter große Schlaks gar nicht reinpassen.
Woelkis Vorgänger Georg Sterzinsky wohnte nicht in Wedding, sondern mit seiner Schwester, die für ihn kochte, putzte und bügelte, in einer Sieben-Zimmer-Wohnung im Bernhard-Lichtenberg-Haus hinter der St. Hedwigs-Kathedrale. Das ist der angestammte Bischofssitz. Anders als die alten Gemäuer des schicken Hotel de Rome nebenan wartet das Bischofshaus darauf, von Architekten, Bauarbeitern und Innenausstattern zu neuem Leben erweckt zu werden. Im ersten Stock hängt noch der alte Stromkasten aus DDR-Zeiten. Nur das Erdgeschoss wurde notdürftig zu Veranstaltungszwecken hergerichtet. In Sterzinskys Wohnung lebt jetzt eine Ordensgemeinschaft, aber nur vorübergehend.
Denn Woelki würde gerne aus dem Lichtenberg-Haus und der ebenfalls nicht mehr taufrischen Hedwigs-Kathedrale ein neues, schickes Diözesan-Zentrum machen. Am 1. November 1963 wurde das wiederaufgebaute Gotteshaus eingeweiht. Vielleicht schon zum 50-jährigen Jubiläum, aber auf jeden Fall noch in diesem Jahr will das Bistum einen internationalen Architekturwettbewerb ausschreiben.
Das Lichtenberg-Haus besteht zur Hälfte aus alter Bausubstanz, zur Hälfte aus DDR-Plattenbau. Ob der Plattenbau stehen bleibt oder neu gebaut werden soll, müsse der Architekturwettbewerb zeigen, sagt Förner.
Woelki weiß, dass die Berliner Katholiken wütend wären, wenn er dafür Kirchensteuermittel verwenden würde. Gemeinden müssen zusammengelegt werden, und viele Pfarrer wissen nicht, mit welchem Geld sie das Kirchendach flicken sollen. Anders als in Limburg gibt es in dem gerade mal 83 Jahre jungen Berliner Bistum auch kein „Vermögen des Bischöflichen Stuhls“ – und wenn, wäre es wohl längst aufgebraucht.
„Woher das Geld für die Umgestaltung kommen soll, weiß ich nicht“, gibt der Kardinal unumwunden zu. Das könne nur über Spenden und Zuwendungen funktionieren. Vielleicht findet sich ja auch ein namhafter Architekt, für den ein Kirchenumbau in der Mitte der Hauptstadt eine so große Ehre wäre, dass die Rechnung kleiner ausfallen würde. Fest steht für Bistumssprecher Förner: „Von der Höhe der Zuwendungen wird abhängen, was baulich geht und was nicht.“ Ein Debakel wie in Limburg könne sich hier niemand leisten.
Claudia Keller
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