zum Hauptinhalt
Der Windpark Bard Offshore 1 in der Nordsee 2011. Heute wird auf See billiger produziert.
© Ingo Wagner/picture alliance/dpa

Windkraft auf See: „Das ist kein Spielcasino-Geld“

Martin Neubert, Strategiechef des Windkraft-Unternehmens Dong, erklärt, wie man Strom auf See ohne Subventionen herstellt.

Martin Neubert (43) ist Strategiechef bei Dong Energy, dem Weltmarktführer für Windkraft auf See. Der Betriebswirt verantwortet zudem die Märkte Deutschland und Niederlande.

Herr Neubert, die jüngsten Ausschreibungen für Windkraft auf See haben enorm günstige Preise ergeben: Drei Projekte sollen ganz ohne Förderung auskommen, ein viertes mit nur sechs Cent pro Kilowattstunde Strom. Kritiker sagen nun, Unternehmen wie Dong hätten mit ihren Geboten nur auf günstige Entwicklungen bei Kosten und Strompreis spekuliert. Wie haben Sie wirklich kalkuliert?
Wir haben ein fundiertes Angebot abgegeben auf Basis einer genauen betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Wir als Dong Energy machen seit 1991 Wind-Offshore-Projekte und haben jetzt 2000 Leute dafür, allein 600 Ingenieure. Und in der Vergangenheit wurden neue Windturbinen, ob von Siemens oder Vestas-MHI, immer in Dong-Projekten zuerst eingesetzt. Wir haben die neue Technik quasi in einer Industriepartnerschaft entwickelt. Deshalb war es auch keine Spekulation, dass wir davon ausgehen, 2024 Windräder mit 13 bis 15 Megawatt (MW) Leistung einsetzen zu können.

Aber reicht das für so niedrige Gebote?
In den vergangenen vier Jahren sind die Kosten um 60 Prozent gesunken, und der Trend setzt sich fort. Durch die größeren Turbinen schaffen wir die doppelte Stromerzeugungskapazität mit der gleichen Anzahl an Fundamenten und Stromanschlüssen für die einzelnen Windräder. Bis 2024 erwarten wir noch mal eine Verdoppelung der Größen.

Und wer liefert die großen Turbinen?
Das steht noch nicht fest. Da werden wir EU-weite Ausschreibungen machen.

Wie wussten Sie denn, dass es mit der Größe von 13 bis 15 MW klappt, obwohl Sie sich noch nicht auf einen Hersteller festgelegt haben?
Wir bauen seit mehr als 20 Jahren Windparks auf See, zurzeit sechs parallel. Wir haben einen kontinuierlichen Ausbau in unserer Pipeline. Deshalb haben wir so einen engen Kontakt zu den Zulieferern, dass wir das einschätzen können.

Wer sind bisher Ihre Lieferanten?
Siemens und Vestas-MHI. Wir sind aber offen. Der Markt hat sich extrem entwickelt, es gibt neue Anbieter wie General Electric und asiatische Unternehmen. Wir wollen keine Abhängigkeiten, sondern Wettbewerb auf der Lieferantenseite. Das Gleiche gilt für die Fundamente und die Kabel.

Wenn Sie aber Ihre Ausschreibungen noch nicht gemacht haben, haben Sie auch keine Garantie für Ihre Kosten.
Eine Garantie nicht. Aber wir wollen die niedrigsten Kosten in der Branche haben. Und wir kennen die Stellschrauben dafür sehr genau. Bei Offshore-Wind haben wir Vorlaufzeiten von vier bis fünf Jahren. Deshalb wissen wir genau, wie sich die Kosten entwickeln.

Martin Neubert.
Martin Neubert.
© promo

Ein weiterer Kritikpunkt: Sie hätten stark steigende Strompreise zugrunde gelegt, was natürlich Ihre Projekte rentabler machen würde.
Unsere Preiserwartung ist eher konservativ im Vergleich zu dem, was unabhängige Institute vorhersagen. Aber einzelne Strompreise kann ich Ihnen nicht nennen. Sonst könnten Wettbewerber unsere Kalkulation nachvollziehen. Auch beim CO2-Preis, der auf den Strompreis wirkt, haben wir nur einen moderaten Anstieg angenommen. Von Spekulation kann keine Rede sein. Wenn wir die drei Projekte nicht realisieren würden, müssten wir 59 Millionen Euro Strafe zahlen. Das ist kein Spielcasino-Geld, das wir leichtfertig auf den Tisch gelegt haben.

Diese Projekte sind ja alle in der Nordsee. In der nächsten Runde 2018 geht es auch um die Ostsee. Was sind da die Unterschiede von den Bedingungen her?
Wir sind in Deutschland bisher nur in der Nordsee aktiv. Dort haben wir deutlich mehr Wind als in der Ostsee. Auch ist die Bodenbeschaffenheit viel homogener. Deshalb sind Projekte in der Nordsee deutlich wettbewerbsfähiger. Dass der Gesetzgeber jetzt ein eigenes Ausschreibungssegment für die Ostsee geschaffen hat, liegt an der schnelleren Anbindung ans Stromnetz. Wenn man nach den Kosten geht, spricht alles für die Nordsee. Deshalb beteiligen wir uns auch nicht an der Ostsee-Ausschreibung. Der Regulierer muss aber aufpassen, dass er bei dieser Auktion kein zu hohes Ergebnis bekommt. Ökonomisch kann man die getrennte Ausschreibung nicht begründen.

Welche Offshore-Standorte sind denn weltweit am lukrativsten?
Die deutsche Nordsee ist von den Windgeschwindigkeiten her am besten. Unsere Projekte in den USA oder Taiwan haben weniger Stromertrag. Großbritannien ist besser, kommt aber an die deutsche Nordsee nicht ganz heran.

Angesichts der jüngsten Ausschreibungsergebnisse in Deutschland: Ist der Deckel der Bundesregierung für den Ausbau von Offshore-Wind obsolet?
Wir hoffen es. Wenn wir den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung einhalten wollen, wäre es eine verpasste Chance, Wind auf See zu deckeln. In den Niederlanden sagt die Regierung: Offshore-Wind ist unser neues Gas. Und sie lässt viel schneller ausbauen als Deutschland. Wir haben bei uns in der Nordsee riesige Flächen, die vorentwickelt sind. Warum nutzt man dieses Potenzial nicht?

Aber der Strom muss ja auch abtransportiert werden.
Bei den Hochspannungstrassen müssen wir die Weichen schon jetzt so stellen, dass wir nicht alle fünf Jahre in einen Netzengpass reinlaufen. Aber durch die Digitalisierung können wir wahrscheinlich auch die Netze besser steuern, sodass wir mehr Strom durch dieselbe Kapazität leiten können. Noch ein wichtiger Punkt: In Deutschland sind wir als Unternehmen nicht verantwortlich für die Stromleitungen bis an Land. Der Netzanschluss wird vom Netzbetreiber gestellt. In Großbritannien dagegen ist der Anschluss Teil des Auktionsverfahrens und steht damit im Wettbewerb. Da wäre auch noch eine deutliche Kostensenkung möglich.

Wäre es ökonomisch, Windstrom in Wärme und synthetisches Gas umzuwandeln?
Es gibt erste Versuchsprojekte, bei denen Windstrom in einer Batterie gespeichert wird. Auch die Niederländer überlegen, ob sie die alten Plattformen für Öl und Gas für Speicher nutzen könnten.

Wie sinnvoll sind frei schwimmende Plattformen für Offshore-Wind?
Das ist interessant in Regionen, wo man keine fest verankerten Fundamente bauen kann und wo es keine alternativen erneuerbaren Technologien gibt, zum Beispiel in bestimmten Ländern in Asien. Aber noch ist es extrem teuer.

Die Windindustrie auch an Land wird zunehmend großindustriell. Was wird aus der Bürgerenergiewende?
Man sollte die Bürger am Netzausbau beteiligen – eine sichere Geldanlage. Aber beim Wind auf See sehe ich nicht, wie man mit Bürgerwindparks die notwendigen Größenvorteile erreichen kann.

Zur Startseite