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Bescheiden und zielstrebig: Ekkehard Streletzki, der Herrscher über das Estrel-Imperium.
© Thilo Rückeis

Estrel-Gründer Ekkehard Streletzki: Das Beste, was Neukölln je passiert ist

Er ist ein Quereinsteiger in die Branche: Eigentlich ist Ekkehard Streletzki Ingenieur, aber dann baute er das Estrel in Neukölln und stieg in wenigen Jahren in die oberste Liga von Berlins Hoteliers auf. Allmählich merkt die Stadt, was sie an ihm hat. Doch Streletzki will noch höher hinaus.

Die besten Ideen kommen ihm oft auf Reisen: Da besucht Ekkehard Streletzki etwa die großen Hotels in den USA und ärgert sich Anfang der 1990er Jahre über die explodierenden Hotelpreise in Berlin. Also beschließt er, in der Stadt ein eigenes Riesenhaus mit günstigeren Zimmern aufzumachen. Erste Skizzen zeichnet er auf dem Rückflug. Heraus kommt das Estrel, das größte Hotel Deutschlands. Beim Bau eines Ziegelwerks in Moskau fällt ihm russische Kunst ins Auge. Inzwischen hat er mehr als 2000 Werke, die die Zimmer und Wände des Estrel zieren.

Jüngst war der 74 Jahre alte Hotelier und Unternehmer im Urlaub. "Ich komme gerade aus Sri Lanka und habe da 14 Tage Ayurveda gemacht", erzählt er, während er im Atrium des Hotels sitzt. Einige Kilo habe er abgenommen dank der traditionellen Heilkunst. Nur Yoga ließ er aus, stattdessen ging er joggen. Nun ist Streletzki überzeugt: "So etwas machen wir da auch, auf jeden Fall. Das habe ich mir vorgenommen. Die Leute strömen da rein. Das ist so spannend." Dabei deutet Streletzki auf die andere Straßenseite, auf ein Baugrundstück gegenüber dem Estrel. Dort soll eines Tages ein 175 Meter hoher Turm stehen und das schon jetzt vor Superlativen strotzende Hotel buchstäblich zu neuen Höhen bringen.

Schon immer viel gewagt

Ayurveda im Kongresshotel – so erstaunt Streletzkis Ehefrau war, dass er im Urlaub überhaupt mitmachte, so sehr passt seine Idee zu seinem Motto: "Man muss immer wieder kreativer sein als andere und immer wieder auch etwas Innovatives wagen."

Gewagt hat Streletzki in seinem Unternehmerleben viel. Mit 27 Jahren gründete der gelernte Bauingenieur ein Statikbüro, später einen Diamantbohr- und -sägebetrieb. In Berlin und Brandenburg entwickelte er viele Immobilienprojekte. "Ich habe alle zehn bis 15 Jahre einen Schnitt und etwas Neues gemacht." Seinem größten Wagnis ist er jedoch treu geblieben: dem Estrel in Neukölln, das er auch mit seinem Namen verknüpfte. Glitzernd ragt der mächtige Bau mit seinen 17 Stockwerken im Sonnenschein empor.

Einmal hatte Streletzki ein mulmiges Gefühl, während das Hotel entstand. Abends habe er unten gestanden und an den Rohbauten hochgeschaut. "Da habe ich gedacht: Sage mal, bist du denn verrückt? Was machst du denn hier?" Nach einer halben Stunde war es dann aber wieder gut.

Der Erfolg gibt ihm recht

Die skeptischen Stimmen, die im Umfeld des noch immer berüchtigten Berliner Stadtteils Neukölln einen Standortnachteil für ein Business- und Kongresshotel sehen, wird Streletzki zwar bislang nicht los. Doch der Erfolg gibt ihm recht. 1994 hat er das Estrel eröffnet, 2000 war es schon das umsatzstärkste Hotel Deutschlands. Zuletzt lag der Jahresumsatz bei rund 59 Millionen Euro. Streletzki wurde mehrfach ausgezeichnet: Hotelier des Jahres, Unternehmer des Jahres, Bundesverdienstkreuz.

Der scheidende Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky nannte den Estrel-Gründer einmal eine "eierlegende Wollmilchsau", er sei "das Beste, was Neukölln je passiert ist". Streletzki, einer der größten Arbeitgeber, sei ein "harter Hund". Der so Geschmeichelte sieht dem Sozialdemokraten sein bisweilen übersprudelndes Temperament nach. "Das Verhältnis war so, wie es sich gehört, wie man miteinander umgeht." Buschkowsky habe gemeint, dass er dranbleibe und Pläne auch umsetze. "Da konnte ich gut mit umgehen, zumal ich mit der Zusammenarbeit mit dem Bezirk stets zufrieden gewesen bin."

Die Stadt profitiert sehr vom Estrel

An der Stelle, wo Streletzki heute den Hotelturm mit weiteren Veranstaltungsflächen plant, wollte er eigentlich einmal ein Einkaufszentrum bauen. Zunächst hatte er dafür grünes Licht vom Senat bekommen. Doch dann gab es einen Wechsel hin zur Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, und die stoppte das Projekt. "Heute sind wir vielleicht froh darüber", meint Streletzki. Gerade erweitert er das Estrel um zusätzliche Veranstaltungsflächen. Insgesamt 25.000 Quadratmeter stehen ab Herbst zur Verfügung. Wände und Dächer sind schon hochgezogen.

Bei einem Rundgang werden die Dimensionen des ganzen Hauses deutlich: "Hier ist ein Foyer und da ist noch ein Foyer und da hinten sind noch weitere Veranstaltungsräume", sagt der Besitzer begeistert. Alles wirkt großzügig, viel Licht fällt in die Foyers, draußen sind Wasserbecken angelegt. "Ich habe den Anspruch, dass das Ganze ansprechend und schick wird. Ich komme schließlich vom Fach." So soll etwa das 13 Meter hohe Atrium mit seinen Restaurants in ein bis zwei Jahren komplett modernisiert werden.

Berlin lechzt nach Veranstaltungsflächen

Bei aller Skepsis über den Standort hört man oft auch Bewunderung über das, was der umtriebige Unternehmer "da draußen" aufgebaut hat. Eine "Erlebniswelt" habe er mit dem Estrel schaffen wollen, sagt Streletzki, dem Gewrbeparks, Wohnhäuser, mit dem Ellington ein weiteres Hotel und zur Hälfte auch der Filmpark Babelsberg gehören. Dank der im Lauf der Zeit erweiterten Veranstaltungsflächen wurde aus dem Estrel ein Kongress- und Messezentrum – inklusive Abendprogramm in Form der seit 17 Jahren laufenden Doppelgänger-Show "Stars in Concert".

Nicht erst seit das ICC geschlossen ist, lechzt Berlin nach Veranstaltungsflächen – und Streletzki kann sie bieten. Langsam setze sich auch beim Land das Verständnis dafür durch, dass das Estrel ein privates Unternehmen sei, von dem die Stadt sehr profitiere, meint er. "Wenn wir eine Veranstaltung mit 3000 Besuchern haben und nur 1125 Zimmer anbieten, dann ist das natürlich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt und die anderen Hotels. Streletzki hat sich nie als Konkurrenz zur Messe empfunden. Mit seinen Ideen zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der landeseigenen Messegesellschaft sei er aber leider nicht durchgedrungen.

Natürlich hat auch in Ekkehard Streletzkis Leben nicht immer alles geklappt. Manche Unternehmungen musste er abwickeln und manches Projekt dauerte länger als geplant, bis es realisiert wurde. Streletzki sieht es nüchtern: "Wenn du viel machst, klappt auch einmal etwas nicht." Es sei keineswegs so, dass ihm nichts passiert sei. "Ich habe auch die Sorgen gehabt, die man haben kann im Leben."

Streletzki entwickelt weiterhin sehr konkrete Ideen

Will er es jetzt mit seinen 74 Jahren ruhiger angehen lassen? "Sicherlich nehme ich mir immer mehr Freizeit. Ich habe auch viel Vertrauen in meine Mitarbeiter." Er sei mehr der Ideengeber, sagt er. Auf der Baustelle der neuen Veranstaltungshalle zeigt sich dann jedoch: Streletzki weiß genau, an welchem Tag der Beton für den Boden kommt und welches Parkett zum Schluss verlegt wird. Als Fachmann entwickelt er weiter sehr konkrete Ideen. Spricht man ihn auf den geplanten Estrel-Tower an, zieht er ein postkartengroßes Simulationsbild aus der Brieftasche. "Da war ich selbst Architekt, ich habe nur einen Zeichner gehabt." Auf Wunsch von Senat und Senatsbaudirektorin führte er dann aber doch einen Architekturwettbewerb durch. "Den Baubeginn kann ich kaum erwarten." Doch eine Prognose, wann es so weit ist, will er nicht wagen.

Den Immobilienbereich seiner Unternehmensgruppe hat Streletzki inzwischen in die Hände seines Sohnes Julian aus erster Ehe gelegt. Er schaue "hin und wieder" noch vorbei, denn er sei ja noch verantwortlich. Seine Kinder aus zweiter Ehe interessieren sich dagegen für Film und Mode. Beschäftigt ihn denn seine Nachfolge? Diese Frage sei insofern geregelt, als er die Bereiche Immobilien und Hotellerie getrennt habe. Immerhin: Im Estrel hat Streletzki seit 1996 das gleiche Direktoren-Duo. Beide sind um die 50 Jahre alt.

Er sorgt sich, dass es zu feudal wirken könnte

Als das Estrel damals eröffnete, wohnte Streletzki ein knappes Jahr selbst dort: Mit dem Fahrstuhl geht es in das nur aus der Präsidentensuite bestehende oberste Stockwerk des sich dorthin verjüngenden Gebäudes. Hinter der Holztür verbirgt sich ein 250-Quadratmeter-Reich, das dem bescheidenen Bild, das der Unternehmer abgibt, doch noch eine weitere Facette hinzufügt. Zwar sorgt sich Streletzki, dass die Bilder des Fotografen zu feudal wirken könnten. Doch dann erzählt er nicht ohne Stolz, wie er Antiquitäten und namhafte Kunst in der Suite zurückließ, als er mit seiner Familie nach Grunewald zog. Zum Abschied dagegen nimmt sich Ekkehard Streletzki noch einen Apfel von der Rezeption und geht hinaus, wo sein Fahrer schon wartet.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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