Abschied von Heinz Buschkowsky als Bezirksbürgermeister: Liebling Neukölln
Heinz Buschkowsky hat seinen Bezirk geprägt, Tabus gebrochen und viel Kritik eingesteckt. Seine Sprüche sind schon jetzt Geschichte. Über seinen Abgang ist trotzdem nicht jeder traurig im Rathaus.
Einer seiner Auftritte zeigte, dass der große Pointenreißer Heinz Buschkowsky seinen Zenith überschritten hatte. Bei der Vorstellung des neuen Estrel-Turms an der Sonnenallee im November wirkte er fahrig, den Estrel-Gründer Ekkehard Streletzki würdigte er als „eierlegende Wollmilchsau“. Was ein Kompliment sein sollte, aber auch ein wenig von oben herab wirkte. Gutsherrenart, das warfen auch einige Mitarbeiter im Bezirksamt ihrem Chef vor. Was Buschkowsky anordnete, hatte quasi Gesetzeskraft.
Die Praxis war ihm wichtig
Jetzt tritt er ab, vor der Zeit, eigentlich wollte er bis 2016 bleiben. Offenbar spürte er, dass er die Belastung des Amtes nicht länger durchhalten kann. Sein politischer Zögling, Schulstadträtin Franziska Giffey, würdigte seine Lebensleistung als Bezirkspolitiker seit 1991 (siehe Artikel rechts). Buschkowsky hat tatsächlich die Probleme in Neukölln konkret benannt. Was Praktiker empfohlen haben, in Schule oder Justiz, war ihm meist wichtiger als ideologische Vorgaben aus der Partei. Eine Kitapflicht und die Forderung nach einer Kürzung des Kindergeldes bei fortgesetztem Schulschwänzen trägt auch Giffey mit. Baustadtrat Thomas Blesing, ein politischer Wegbegleiter Buschkowskys, wollte sich nicht äußern. Er sei über die Entscheidung überrascht, sagte er dem Tagesspiegel.
"Die Rente sei ihm gegönnt"
„Er ist 66, sei ihm seine Rente gegönnt“, sagt Christel Jacob. Die 60-Jährige arbeitet beim Hochbauamt und bedauert den Rücktritt ihres Chefs. „Für Neukölln war er sehr gut, er ist die Probleme angegangen.“ Damit meint sie die Integrationsprobleme vieler Neuköllner mit Migrationshintergrund, die Buschkowsky während seiner Amtszeit immer wieder zum Thema gemacht hat. „Andere haben sich das nicht getraut.“
Das findet auch Ilja Tomic. Der 34-Jährige steht im Flur vor dem Bürgeramt und wartet. „Es ist ein bisschen schade, dass er geht“, sagt er, „Buschkowsky ist jemand, der auch mal angeeckt ist.“ Man müsse mit ihm nicht immer konform gehen, um ihn zu mögen. „Aber man merkt schon, dass ihm das Thema Integration wichtig ist.“ Nicht bei allen Bürgern im Rathaus erfreut sich Buschkowsky solch großer Beliebtheit. Josha Lüchtenborg ist 28 Jahre alt und muss erst ein wenig nachdenken, bevor ihm der Name etwas sagt. Er erinnert sich zuerst an den Satz „Multikulti ist gescheitert“. „Das war doch Buschkowsky, oder?".
Der zurückgetretene Bezirksbürgermeister im Bezirk mit hohem Ausländer- und Migrantenanteil hätte sich lieber um die Probleme im Bürgeramt kümmern sollen, findet Lüchtenborg, der sich gerade in die lange Schlange vor dem kleinen Bürgerbüro eingereiht hat. Aber, ergänzt er, wenn er so lange nachdenken müsse, um darauf zu kommen, dann könne dieser ja soviel nicht erreicht haben.
Buschkowsky sezierte die Argumente seiner Gegner und setzte die eigene Sicht dagegen, oft mit drastischen Fallbeispielen aus Nord-Neukölln angereichert. Murat oder Ahmed, die nach vielen Jahren des Schulschwänzens auf eine stabile Jobcenter-Karriere bauen, deutsche Mädchen als Schlampen bezeichnen und mit ihrer Kousine aus Anatolien eine Großfamilie planen, um die Kindergeldkasse zu plündern. Damit füllte er mit Leichtigkeit Säle und unterhielt ein großes Publikum. Nicht alle Daten, die er hierzu anführte, hielten einem Faktencheck stand.
Stolz auf die Gymnasien
Der demographischen Veränderung seines Bezirks, dem Zuzug von Künstlern und Kreativen ins Neuköllner Parallelgesellschafts-Ghetto wies er keine größere Bedeutung zu. Der verstorbene Soziologe Harmut Häußermann zeichnete ein deutlich positiveres Bild seines Bezirks als Buschkowsky akzeptieren wollte. Dass auch Hartz-IV-Empfänger mit deutschem Migrationshintergrund oft wenig Motivation zeigen, sich aus ihrer Misere herauszuarbeiten, ließ er nicht gelten.
Das Multikulti-Dogma linker Romantiker stellte Buschkowsky als einer der ersten in Frage. Ein Verdienst, das auch in seiner Partei anerkannt ist. Gegen die teils kruden Thesen des Parteikollegen Thilo Sarrazin hat er seine Neuköllner Migranten aber kaum in Schutz genommen.
Den Skandal um die Rütli-Schule drehte Buschkowsky erfolgreich ins Positive, dabei half ihm seine Popularität. Mit Genuss führte Buschkowsky die steigenden Absolventenzahlen seiner Neuköllner Gymnasien an.
Berühmtester Bezirksbürgermeister der Republik
Er fand die Anerkennung für seine Arbeit zunehmend außerhalb der Politik, mit seinen Büchern. Endlich einer, der mal ausspricht, was in Deutschland schief läuft – so dachten viele. Das Versagen der Erziehung in vielen Familien, der Verlust an Respekt und Verantwortung im sozialen Miteinander, dagegen hat er politisch gekämpft. Oft allein.
Die Rolle als berühmtester Bezirksbürgermeister der Republik hat ihm gut gefallen. Seine Eitelkeit ließ es aber nicht zu, einzugestehen, dass er für seinen Bestseller „Neukölln ist überall“ Hilfestellung aus dem Bezirksamt erhalten hat. Nun wird niemand mehr fragen, ob er seine Bücher alleine schreibt. Viele bedauern nun seinen Weggang.