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Die meisten Nutzer finden sie lästig: die Frage nach der Cookie-Nutzung.
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Update

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Das bedeutet das Cookie-Urteil für die Internetwirtschaft

Nutzer müssen der Speicherung ihrer Daten aktiv zustimmen, das hat jetzt der BGH entschieden. Datenschützer freut das, die Branche ächzt.

Von Laurin Meyer

Wer eine neue Internetseite aufruft, muss sich durch die immer gleiche Frage klicken: Nämlich die nach der Verwendung sogenannter Cookies. In den kleinen Textdateien speichern Seitenbetreiber persönliche Daten über das Verhalten ihrer Besucher auf deren Computern. Die meisten finden Cookies lästig, für manche Betreiber sind sie jedoch überlebenswichtig. Denn mit den gesammelten Informationen können sie personalisierte Werbung schalten. Und damit Geld verdienen.

Wie die Seitenbetreiber konkret nach dem Cookie-Einsatz fragen müssen, darüber stritten sich Verbraucherschützer und ein Gewinnspielanbieter schon seit Jahren vor Gericht. Am Donnerstag hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil verkündet. Demnach müssen Nutzer aktiv einwilligen, wenn Seitenbetreiber Cookies setzen wollen, die technisch nicht unbedingt erforderlich sind. Vorab angekreuzte Auswahlkästchen sind hingegen unzulässig. Das stellt die bisherige Praxis auf den Kopf. Denn bislang setzten Webseiten häufig auf solche Cookie-Voreinstellungen. Während Datenschützer die Entscheidung freut, befürchtet die Internetwirtschaft nun herbe Einbußen.

Im vorliegenden Fall hatten die Verbraucherzentralen gegen den Vermarkter „Planet49“ geklagt. Bei einem Online-Gewinnspiel hatte das Unternehmen den Haken für die Zustimmung zum Setzen von Cookies nämlich gleich voreingestellt. Ob das zulässig ist, darüber herrschte bislang große Unsicherheit.

Zwar sieht die europäische E-Privacy-Richtlinie vor, dass Seitenbesucher aktiv einwilligen müssen, wenn Webseiten persönliche Informationen speichern wollen. Das deutsche Telemediengesetz (TMG) ermöglicht den Betreibern aber auch eine Widerspruchslösung. Viele legten das zu ihren Gunsten aus: Wer nicht widerspricht, willigt ein. Anbieter müssen die Nutzer laut TMG lediglich auf das Widerspruchsrecht hinweisen.

Voreingestellter Haken benachteilige Nutzer unangemessen

Ein voreingestellter Haken im Feld zur Cookie-Einwilligung benachteilige die Nutzer unangemessen, urteilten die Richter nun. Der Senat habe das deutsche Telemediengesetz dabei nach den Vorgaben der seit 2018 geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ausgelegt, sagte der Vorsitzende Richter. Der deutsche Gesetzgeber habe das TMG nach Einführung der DSGVO zwar nicht überarbeitet, es sei aber klar, dass er keinen Widerspruch zum europäischen Recht sehe.

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Der Streit um die kleinen Textdateien zog sich schon seit Jahren hin – mit teils widersprüchlichen Entscheidungen der Gerichte. Bereits vor sechs Jahren hatten die Verbraucherschützer den Gewinnspielanbieter Planet49 vor dem Landgericht in Frankfurt am Main verklagt, die Richter gaben der Klage teilweise statt. In zweiter Instanz hatte das örtliche Oberlandesgericht (OLG) in den Cookie-Voreinstellungen jedoch keinen Verstoß mehr gesehen. Zuletzt hatte der BGH die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorab zur Klärung vorgelegt. Dieser urteilte bereits im vergangenen Oktober, dass eine voreingestellte Zustimmung zur Cookie-Nutzung gegen die bisherige E-Privacy-Richtlinie sowie die DSGVO verstößt.

Internetfirmen befürchten Einbußen

Für die Digitalwirtschaft könnte das Urteil jetzt spürbare finanzielle Folgen haben, heißt es aus der Branche. „Dies wird mit Sicherheit einen Teil der für die Werbebranche relevanten Nutzerreichweite von digitalen Angeboten einschränken“, sagt etwa Tom Peruzzi, Technologie-Chef von Virtual Minds, einer Werbetechnologie-Tochter der ProSiebenSat.1-Gruppe. Nutzer könnten dem Sammeln von persönlichen Daten seltener zustimmen, und dadurch ließen sich Anzeigen deutlich schwieriger personalisieren. Der finanzielle Verlust durch den Wegfall von Cookies könne Peruzzi nur schwer beziffern. „Einer Analyse von Google zufolge bewegt er sich aber bei etwas über 50 Prozent der Publisher-Umsätze“, sagt der Digitalexperte.

Schon heute liegt der Großteil der Online-Werbegelder bei den großen Plattformen.
Schon heute liegt der Großteil der Online-Werbegelder bei den großen Plattformen.
© AFP

Peruzzi sieht einen anderen Gewinner: die großen Plattformkonzerne wie Google, Facebook und Amazon. Die könnten Anzeigen auch ohne Cookies personalisieren, schließlich bekommen sie die notwendigen Daten schon über die Anmeldung ihrer Nutzer. Bereits heute würden 70 bis 80 Prozent der gesamten digitalen Werbegelder bei den großen Plattformen liegen. Dass dieser Trend im Sinne des europäischen Datenschutzes ist, bezweifelt Peruzzi. „Weniger Datenhaltung in Deutschland und der EU, dafür mehr Datenverarbeitungsmöglichkeiten in den USA.“ Damit geschehe in den digitalen Medien genau das, wovor die Medienbranche jahrelang gewarnt hat.

Datenschützer begrüßen das Urteil

Datenschützer sehen in der Entscheidung hingegen einen Erfolg: „Für Verbraucher und ihre Privatsphäre ist das ein gutes Urteil“, sagt VZBV-Chef Klaus Müller. Es gebe den Internetnutzern wieder mehr Entscheidungshoheit und Transparenz. „Bisher war es hierzulande leider gängige Praxis, dass Webseitenanbieter die Interessen und Verhaltensweisen der Nutzer so lange nachverfolgen, analysieren und für ihre Gewinnabsichten vermarkten, bis diese aktiv widersprechen.“

Alle offenen Fragen hat das BGH-Urteil aber längst nicht ausgeräumt. Unklar bleibt etwa, welche Cookies als technisch erforderlich gelten, oder ob Seitenbetreiber die Zustimmung zu mehreren Cookies in Kategorien zusammenfassen dürfen, heißt es aus der Branche. Auf EU-Ebene wird bereits eine Reform der E-Privacy-Richtlinie verhandelt. Und die wird wohl auch neue Vorgaben beim Setzen von Cookies bringen. Wann sich die Beteiligten einigen werden, ist allerdings noch nicht absehbar.

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