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Wo soll der Atommüll hin? Blick in das Erkundungsbergwerk Gorleben.
© dpa/ Philipp Schulze

Grünen-Politikerin zur Endlagersuche: „Dann werden alte Ängste vom unbeherrschbaren Atommüll geschürt“

Die Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl über die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager – und mögliche Auswirkungen des Bundestagswahlkampfes.

Frau Kotting-Uhl, im September erscheint der erste Zwischenbericht für die Endlagersuche. Auf welche Konflikte und Schwierigkeiten müssen wir uns einstellen?
Zum ersten Mal wird der öffentliche Fokus auf die neue Endlagersuche fallen, mit einer Unterteilung in Regionen, die keine Rolle spielen und jene, die im Verfahren bleiben. Menschen in betroffenen Regionen werden wissen wollen, warum. Das Verfahren muss dann überzeugen, dass es fair zugeht. Und Politik muss gemeinsam gegen eine Haltung stehen „Uns darf es nicht treffen“. Wir haben eine Menge Atommüll – für den müssen wir den bestmöglichen Standort finden.

Kann die Endlagersuche den Menschen denn fair erscheinen, wenn Bundesländer sich selbst aus dem Verfahren nehmen?
Das ist ein fatales Signal. Bayern und Sachsen spielten in der Vergangenheit schon einmal eine unrühmliche Rolle, als sie in der Endlagerkommission bis 2016 versuchten, Granit als mögliches Gestein aus dem Verfahren zu nehmen – gerade in diesen Ländern gibt es entsprechende Vorkommen. Der sicherste Standort muss aber am Ende nicht in Salz- oder Tongestein liegen.

Jetzt, wo es ernst wird, herrscht wieder Streit. Grünenchef Robert Habeck warf jüngst Markus Söder und Horst Seehofer Eigennutz vor, als sie versuchten, Granit als Lagerstätte auszuschließen. Wie steht es um den Konsens bei der Endlagersuche?
Der Konsens ist fragil. Tatsächlich gab es wohl von bayerischer Seite im Bundeskabinett zuletzt Versuche, über die Verordnung zu den Sicherheitskriterien Granit aus dem Verfahren zu nehmen. Das wurde abgewehrt. Der jetzige Entwurf taugt meiner Ansicht nach dazu, alle drei Wirtsgesteine gleich zu betrachten. Sich 2018 in den Koalitionsvertrag geschrieben zu haben, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Endlager sei, war bereits ein verheerendes Signal. Es ist politisch auch äußerst dumm. Wie will man später Menschen erklären, dass bayerische Standorte doch genauer untersucht werden? Das Verfahren wird schließlich vom Bund geführt.

Zum Konsens gehören auch Organisationen, die den Suchprozess verfolgen. Der BUND und das Nationale Begleitgremium forderten zuletzt ein Moratorium für das Verfahren.
Den Verbänden geht es dabei vor allem um die Partizipation. Die Coronakrise stellt die Akteure vor völlig neue Herausforderungen. Es liegt in den Händen der zuständigen Behörde, die Öffentlichkeitsbeteiligung auch in der Pandemie zu garantieren. Wichtig ist, dass der erste Schritt der Endlagersuche nicht in den Bundestagswahlkampf fällt.

Birgt das eine zu große Gefahr?
Das kann ein heikler Punkt werden. Erstmals werden Regionen genannt. Manch ein Kandidat könnte sich versucht fühlen, mit dem Versprechen anzutreten, dass sein Wahlkreis nicht Standort für ein Endlager werden wird, anstatt die gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzunehmen. Dann werden alte Ängste vom unbeherrschbaren Atommüll geschürt. Der Wahlkampf hat zwar keinen Einfluss auf das Verfahren. Eine Überlagerung beschwert aber den Konsens.

Für den ersten Bericht ist das Geologiedatengesetz entscheidend, für die Veröffentlichung privater Geodaten wird es dringend gebraucht. Jahrelang wurde darauf gewartet. Auch hier gab es Streit: Bis vor wenigen Tagen blockierten die Grünen das Gesetz im Bundesrat. Das war heikles Timing.
Es war eine Abwägung. Bürden wir der Endlagersuche zu viel auf, wenn noch länger auf das Gesetz gewartet wird? Oder tun wir der Suche einen Gefallen, weil das Gesetz in seiner bisherigen Form so defizitär ist, dass Transparenz einfach nicht gegeben ist? Wir entschieden uns für Letzteres – weil das Verfahren noch lange andauern wird und Transparenz zwingend ist.

Welche Verbesserungen konnten Sie denn im Vermittlungsausschuss erreichen?
Nach dem Standortauswahlgesetz müsste eigentlich absolute Transparenz hergestellt werden. Doch unternehmerische Bewertungsdaten, und auch ihre fachlichen Daten, die jünger als fünf oder zehn Jahre alt sind, bleiben unveröffentlicht. Immerhin kann die Bundesgesellschaft für Endlagerung entscheiden, ob ein öffentliches Interesse überwiegt und Daten dennoch veröffentlichen. Sobald Standorte obertägig erkundet werden, geht das Gesetz nun von einem überwiegenden öffentlichen Interesse aus. Und: Alle entscheidungsrelevanten Daten, die älter als 30 Jahre sind, werden nun ebenfalls veröffentlicht. Das schafft mehr Gerechtigkeit gegenüber Daten aus Ostdeutschland, da es in der DDR keinen Schutz privater Geodaten gab.

Nun geht alles sehr schnell. Bereits im Oktober soll der Zwischenbericht auf einer Konferenz diskutiert werden. Wie kann eine Instrumentalisierung von Populisten oder von rechts vermieden werden?
Gar nicht. Die Frage ist: Wie groß ist die Mehrheit, die hinter dem Verfahren steht? Deswegen ist der Zeitpunkt der ersten Schritte und Veröffentlichungen so wichtig. Wenn eine breite Mehrheit hinter dem Verfahren steht, werden wir auch die richtige Auseinandersetzung damit erleben.
Sylvia Kotting-Uhl ist für die Grünen Abgeordnete im Deutschen Bundestag und Vorsitzende des Umweltausschusses.

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