Von der BVG zur DB: BVG-Chefin Nikutta übernimmt Doppelfunktion bei der Bahn
Neben der Leitung der Logistiksparte soll Sigrid Nikutta die verlustreiche DB Cargo AG übernehmen. Für sie wird ein eigenes Ressort geschaffen.
Die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta, soll in Doppelfunktion die schwere Krise im Güterverkehr der Deutschen Bahn AG lösen. Neben der Leitung der gesamten Logistiksparte beim größten Staatskonzern wird die 50-jährige Managerin auch den Chefsessel bei der verlustreichen DB Cargo AG übernehmen, die ihren Sitz in Mainz hat. Der bisherige Vorstandschef von Europas größter Frachtbahn, Roland Bosch, wird abgelöst. Das wurde dem Tagesspiegel in Aufsichtsratskreisen beider Unternehmen bestätigt.
Am kommenden Donnerstag wird der DB-Aufsichtsrat die bisherige BVG-Chefin voraussichtlich zum Jahreswechsel in den Konzernvorstand berufen. Die Tagesordnung der außerordentlichen Sitzung wurde dafür fristgerecht ergänzt. Bei dem Krisentreffen werden die 20 Aufseher unter Vorsitz des früheren Staatssekretärs Michael Odenwald den stockenden Verkauf der britischen Bustochter Arriva mit ihren mehr als 50.000 Beschäftigten, die kritische Finanzlage und die weiter schwelende Berateraffäre beraten.
Der Berufung von Nikutta haben die Gewerkschaft EVG und Vertreter der SPD durchgesetzt, die im Aufsichtsrat zusammen eine Mehrheit haben. Bereits bis 2010 arbeitete die Managerin fast zehn Jahre in Leitungsfunktionen bei DB-Cargo. Für sie wird ein eigenes Ressort für Logistik und die Frachtbahn im Konzernvorstand geschaffen, das es bereits früher gab. Allein die DB-Spedition Schenker beschäftigt weltweit mehr als 75.000 Menschen, DB Cargo europaweit weitere fast 29.000 Mitarbeiter. Nikutta übernimmt also die Verantwortung für mehr als 100.000 Beschäftigte.
Die Frachtbahn fährt schon lange tief in den roten Zahlen, seit 2008 sind sechs Sanierungskonzepte gescheitert und im Vorstand der DB Cargo AG gab es in mehr als 20 Wechsel. Viele tausend Fahrten fallen jedes Jahr aus, weil Strecken nicht verfügbar sind, Lokführer und moderne Fahrzeuge fehlen oder die operative Steuerung nicht funktioniert.
Verluste könnten drastisch steigen
In diesem Jahr könnten die Verluste von zuletzt 190 Millionen Euro nochmals drastisch steigen. Zudem drohen erneut hohe Abschreibungen, schon einmal hatte deshalb der gesamte DB-Konzern rote Zahlen geschrieben. Der bisherige Chef der DB Cargo AG, Roland Bosch, habe inzwischen das Vertrauen bei Teilen des Aufsichtsrats verloren, heißt es in Unternehmenskreisen.
Nach Tagesspiegel-Informationen wurde der frühere Daimler-Manager, der seine Bahnkarriere als Finanz- und Produktionsvorstand der DB Netz AG startete, bereits über seine bevorstehende Ablösung informiert. Nikutta soll auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der DB Cargo AG als neue Vorstandsvorsitzende berufen werden.
Im DB-Konzernvorstand wird die Managerin die Verantwortung für das Frachtgeschäft von Finanzvorstand Alexander Doll übernehmen. Der frühere Investmentbanker soll sich auf seine Aufgaben konzentrieren, der Staatskonzern ist bereits mit rund 25 Milliarden Euro verschuldet. Doll soll die Berufung von Nikutta befürwortet haben, anders als DB-Chef Richard Lutz, sein Vize Ronald Pofalla und einige Mitglieder des Aufsichtsrats.
Am vorigen Mittwoch stimmte der Personalausschuss des DB-Kontrollgremiums für Nikutta, dem neben Odenwald der scheidende EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner, Betriebsratschef Jens Schwarz und ein Vertreter der Bundesregierung angehören. Damit steht ihrem Wechsel nicht mehr viel im Wege.