Shitstorm auf Twitter: Bundeswirtschaftsministerium erntet Spott für verschwurbelte Tweets
Präjudizierung? Ambitionsniveau? Wenn das "Team Bürgerdialog" schreibt, verstehen Bürger meistens nichts. Eine Posse.
Wer sich besonders ausgewogen ausdrücken möchte, hat es auf Twitter schwer. Die maximale Länge für einen Tweet ist auf 280 Zeichen begrenzt, der Kurznachrichtendienst hat sich als Plattform der einfachen und zugespitzten Worte etabliert. Kein Platz für Geschwurbel, dürfte man meinen.
Das „Team Bürgerdialog“ des Bundeswirtschaftsministeriums wollte offenbar den Gegenbeweis antreten – und brauchte dafür sogar nur 256 Zeichen. „Ziel des BMWi in den letzten Monaten war es, eine Präjudizierung eines (negativen) Ergebnisses durch ein hohes und unrealistisches Ambitionsniveau und durch verstärkte Fallstricke zu vermeiden und ein aussagekräftiges Ergebnis des Monitoring zu ermöglichen“, schrieb das Ministerium am vergangenen Sonntag auf Twitter.
Alles verstanden? Die meisten Normalbürger blieben jedenfalls ratlos zurück. „Welche Sprache soll das sein“, fragte ein Nutzer. „Gibt es einen Dolmetscher dazu?“, ergänzte ein anderer. Mit der eigenwilligen Art der Bürgernähe zog das Ministerium auch die Wut von Prominenten auf sich: „Es ist eine erbärmliche und beschämende Kapitulation vor Verantwortung und Zuständigkeit“, wütete etwa Schauspieler Armin Rohde auf Twitter.
Sogar die BVG mischte sich ein
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die für ihre bissigen Kampagnen im Netz bekannt sind, amüsierten sich hingegen über die stümperhaften Kommunikationsversuche. „Der Ambitionsniveau-Wagen ist vornehmlich auf der Route der M41 unterwegs“, kommentierte das Unternehmen.
Welchen Stellenwert hat verständliche Sprache also für das Bundeswirtschaftsministerium? „Die Vermittlung und Erläuterung der Themen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie der intensive Dialog mit den Nutzern steht im Mittelpunkt der Arbeit aller Beteiligten“, heißt es auf Nachfrage. Man sei stets bemüht, besser zu werden und greife Anregungen auch gern auf. Bei Twitter fühlte sich das „Team Bürgerdialog“ jedenfalls falsch verstanden. Es sei nicht das Ziel gewesen, sprachliche Mauern zu bauen. „Es tut uns leid, wenn es so rübergekommen ist“, antworteten die Ministeriumsmitarbeiter.
Am besten alles lesen
Die Verantwortlichen hatten sogleich auch eine Lösung parat: Nutzer sollen sich den Verlauf aller Tweets anschauen, darunter fallen Erklärtexte wie: „Der KoaV postuliert, dass die BReg im Fall, dass 2020 weniger als 50 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten den NAP umsetzen, gesetzlich tätig wird und sich auf EU-Ebene für eine gesetzliche Regelung einsetzen wird.“ Doch den Shitstorm im Netz konnte das Ministerium – wenig überraschend – auch damit nicht mehr abwenden.
Der eigentliche Auslöser der Debatte um verständliche Sprache ist heikel. Wie auch der Tagesspiegel berichtete, sperrt sich das Wirtschaftsministerium gegen ein Gesetz, das deutsche Unternehmen verpflichten würde, auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Das ARD-Magazin „Monitor“ hatte seine Recherchen dazu auf Twitter geteilt. Statt Vorgaben zu machen, sollen nun zunächst in einem freiwilligen Monitoring ausgewählte Unternehmen nach möglichen Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten befragt werden. Nur wenn mindestens die Hälfte der Unternehmen gewisse Standards nicht erfüllt, soll ein Gesetz kommen.