Verhandlung in Karlsruhe: Bundesverfassungsgericht sieht Anleihekäufe der EZB kritisch
Die Kläger sehen durch die EZB-Maßnahmen bereits die nächste Bankenkrise heraufziehen. Ein Urteil steht noch aus.
Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben die billionenschweren Ankäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) kritisch hinterfragt. Ihrer Meinung nach gebe es eine Reihe von Risiken, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Mittwoch, am zweiten Tag der mündlichen Verhandlungen zu den EZB-Anleihekäufen.
Geklagt hatte eine Gruppe um den langjährigen CSU-Politiker Peter Gauweiler. Sie will die deutsche Teilnahme an den Kaufprogrammen stoppen und argumentiert: Die EZB habe ihr Mandat längst überschritten. Statt sich rein um die Geldpolitik zu kümmern, würden die Zentralbanker massiv in das wirtschafts- und finanzpolitische Geschehen eingreifen. Außerdem werfen die Kläger der EZB Staatsfinanzierung vor. Klammen Staaten Finanzspritzen zu verpassen, ist der Notenbank laut EU-Verträgen verboten.
Die EZB umgehe das, indem sie Anleihen den Staaten nicht direkt abkauft, sondern nur Papiere erwirbt, die bereits gehandelt werden. Doch reicht das? Die Karlsruher Verfassungsrichter haben daran jedenfalls Zweifel. Trotz dieser Maßnahmen, so fasste es Gerichtspräsident Voßkuhle zusammen, dienten die Käufe dazu, „sehr vielen Mitgliedstaaten einen sehr einfachen Zugang zu billigem Geld zu verschaffen“.
Einer der Kläger, der Volkswirt Joachim Starbatty, sieht durch die Maßnahmen bereits die nächste Bankenkrise heraufziehen. Durch die Anleihekäufe bringt die EZB enorm viel Geld in Umlauf und setzt darauf, dass die Banken mehr Kredite vergeben. Starbatty fürchtet aber, die Finanzhäuser könnten dadurch auch Firmen Gelder leihen, die es ihnen niemals zurückzahlen können.
Doch solche Szenarien bilden nicht den Maßstab, an dem die Richter den Fall zu entscheiden haben. Vielmehr müssen sie zwei Grundkonflikte moderieren: jenen zwischen der wirtschaftspolitisch nötigen Unabhängigkeit der EZB und den ihr durch die EU-Verträge auferlegten Grenzen. Und jenen zwischen dem Karlsruher Gericht selbst und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der für die Justizkontrolle der EZB eigentlich zuständig ist.
EZB-Maßnahmen könnten Menschen ganz konkret betreffen
Die Karlsruher Richter haben sich stets vorbehalten, eine weitere EU-Integration zu stoppen, wenn die Verfassung sie nicht mehr hergibt. Und dazu könnte auch das faktisch dem deutschen Steuerzahler aufgebürdete Risiko gehören, für Kreditausfälle der EZB haften zu müssen. Die EZB-Maßnahmen würden mit ihrer Breitenwirkung damit „zu einem Problem, das die Menschen ganz konkret betrifft“, sagte Voßkuhle. „Die Frage ist nur: Können wir das juristisch einfangen?“
Das hohe Gericht hat es tapfer versucht. Bereits ein früheres Ankaufvorhaben, das OMT-Programm, hatte es einer gründlichen Prüfung unterzogen, um es dann, flankiert mit spitzer Kritik, den EuGH-Richtern zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dort hielt man das Programm für zulässig, nahm die Karlsruher Bedenken aber auf. Die Schuldtitel sollten nur unter exakten Bedingungen erworben werden dürfen.
Veto hätte fatale Folgen
Auch das Verfahren um das jetzt im Streit stehende Kaufprogramm mit einem Volumen von 2,1 Billionen Euro nahm den Weg über den EuGH. Doch diesmal stellte die EU-Justiz alle Ampeln auf Grün. Die EZB dürfe, was sie müsse, lautet in verkürzter Form das Urteil. Bedenken gebe es keine. Wie Voßkuhle und sein Senat mit derartiger Entschiedenheit umgehen, ist offen. Mehrfach fallen auf der Richterbank, in leicht despektierlicher Manier, die Worte von den „Freunden in Luxemburg“, die ihre Kollegen in Karlsruhe offenbar nicht so ernst nehmen, wie diese es selbst tun.
Ein Karlsruher Veto hätte fatale Folgen. Deutschland müsste dann unverzüglich aus dem Kaufprogramm aussteigen. Das wäre der Anfang vom Ende des Euro in der Bundesrepublik. Weitere richterliche Zurückhaltung könnte dagegen als Signal aufgefasst werden, dass die EZB folgenlos alle Fesseln sprengen kann. Eine Entscheidung soll in einigen Monaten fallen.