Carsharing-Gesetz: Bundesregierung will Teilzeitautos besserstellen
Verkehrsminister Dobrindt schlägt im Entwurf eines Carsharing-Gesetzes reservierte Parkplätze, die Befreiung von Parkgebühren und eine Plakette vor. Jetzt sind die Kommunen dran - besonders die Carsharing-Hauptstadt Berlin.
In Pankow, Mitte oder Charlottenburg könnte man sie für ein Massenphänomen halten: Carsharing-Autos stehen an jeder Ecke. Dabei sind sie, gemessen am gesamten deutschen Pkw-Bestand von mehr als 44 Millionen Fahrzeugen, nur eine Randerscheinung. Anfang des Jahres gab es bundesweit 16.100 Autos, die sich mehrere Nutzer teilen.
Obwohl die Flotte stetig wächst – vor allem die der nicht an eine Mietstation gebundenen Anbieter Drive-Now oder Car-2-Go – will die Bundesregierung den Markt jetzt mit einem Gesetz zusätzlich ankurbeln. Eigentlich schon für 2016 geplant, soll es von Juli 2017 an die Nutzung von Carsharing-Fahrzeugen mit reservierten Parkplätzen, der Befreiung von Parkgebühren und einer speziellen Kennzeichnung attraktiver machen. „Wir unterstützen diese neue Form der Mobilität mit einem eigenen Gesetz“, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vergangene Woche zum Start der Länder- und Verbändeanhörung.
Neu ist die Mobilitätsform zwar nicht mehr und auf die Unterstützung des Gesetzgebers wartet die Branche schon seit Jahren. Der jetzt präsentierte Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, stößt bei den Anbietern aber durchweg auf Zustimmung. Kein Wunder, haben die Unternehmen und der Branchenverband doch kräftig am Gesetzentwurf mitgeschrieben.
Der Bund will eine Verringerung des Individualverkehrs
Über eine Verordnung soll das Gesetz Ländern und Kommunen künftig ermöglichen, noch mehr separate Parkflächen für Carsharing-Fahrzeuge auszuweisen und sie von Parkgebühren zu befreien. Dies, so heißt es im Gesetzentwurf, diene „vor allem der Verringerung des Individualverkehrs und damit dem Klimaschutz und der Luftreinhaltung“. Der Branchenverband bcs macht folgende Rechnung auf: Ein Carsharing-Auto ersetze im Schnitt bis zu 15 Privatwagen.
Mit Blick auf die extreme Stickoxidbelastung in 80 deutschen Städten, die die EU-Kommission zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland bewog, sieht Dobrindt auch in dem Gesetz wohl ein Vehikel, um die Gemüter in Brüssel zu beruhigen. Ob und wie die Kommunen davon Gebrauch machen, muss sich aber erst noch zeigen. Denn in Stadtbezirken, in denen öffentliche Parkplätze knapp sind, ärgern sich Anwohner häufig, wenn weitere Stellplätze für Carsharingnutzer reserviert werden.
In Berlin, mit 3500 Autos Hauptstadt des Carsharings, sieht man sich als bundesweiten Vorreiter bei der Ausweisung von festen Carsharing-Stellplätzen im öffentlichen Straßenland. „Grundsätzlich sehen wir Carsharing als sinnvollen ergänzenden Baustein insbesondere zu ÖPNV und Radverkehr zur Bewältigung und Abwicklung des Verkehrs in Berlin“, sagt ein Sprecher von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Genaue Zahlen, wie viele öffentliche Parkplätze für Carsharinganbieter reserviert sind, kann der Senat nicht nennen. Hier agiert jeder Bezirk mal mehr, mal weniger transparent und bürokratisch.
Laut Gesetzentwurf sollen die Sonderparkplätze zunächst befristet für fünf Jahre vergeben werden. Pro Wagen soll eine Plakette 30,70 Euro kosten, für einen Stellplatz werden 80 Euro im Monat kalkuliert. Im „Wege eines diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahrens“ werden die Parkplätze dann nach fünf Jahren neu ausgeschrieben.
Feste Stellplätze sind für stationsgebundene Anbieter wie Flinkster, Cambio oder Stadtmobil wichtig. Die „Freefloater“ Drive-Now und Car-2-Go können überall in ihrem Geschäftsgebiet parken – de facto auch auf den eigentlich für die Stationsgebundenen reservierten Plätzen. Abgeschleppt wird selten, die Wettbewerber sind kulant. Da die Parkplätze nicht einem bestimmten Unternehmen zugeordnet sind, parkt zuerst, wer zuerst kommt.
Anbieter Cambio erwartet einen "Entwicklungsplan" von den Kommunen
„Als Car-2-Go und Drive-Now auf den Markt kamen, brach bei uns das Chaos aus“, berichtet eine Cambio-Sprecherin. Reservierte Stellflächen wurden knapp, Cambio, in Berlin mit 70 eigenen Fahrzeugen unterwegs, musste zusätzlich private Plätze anmieten. „Das war teuer.“ Nun hofft man auf klare Regeln des Gesetzes. „Wir werden uns um zusätzliche Stellplätze bewerben, zu denen nur unsere Kunden Zugang haben“, kündigt die Sprecherin an. Den Kommunen empfiehlt sie einen „Entwicklungsplan“, der zunächst den zusätzlichen Bedarf an Carsharing und Stellplätzen im Stadtgebiet ermittelt.
Für den Stadtentwicklungssenator ist es „zu früh, um dazu verbindliche Aussagen zu treffen“. Klar sei, dass Parkraum knapp ist. Konflikte sind programmiert: „Eine Vielzahl von Anforderungen und Bedürfnissen“ müsse erfüllt werden, sagt der Senatssprecher, „Behindertenparkplätze, ÖPNV-Haltestellen, Haltepunkte für Stadtrundfahrtbusse, Fahrradparkplätze, Verleihsysteme, Elektrolade-Parkplätze, Zonen für den Lieferverkehr.“ Und dann noch der mögliche Protest von Anwohnern. Stoff für Streit, den auch der Carsharing-Verband sieht. „Es wird auf die Kommunikation ankommen“, heißt es dort.
Drive-Now, der von BMW und Sixt betriebene Marktführer in Berlin mit 1200 Autos, begrüßt das geplante Gesetz, „weil wir dann mehr Rechtssicherheit“ haben, wie ein Sprecher sagt. „Am Ende profitieren alle.“ Einen Wunsch hat er an den Senat. In Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung zahlt Drive-Now (und Car-2-Go) wie alle anderen Parkgebühren von ein, zwei oder drei Euro je Stunde. Der Kunde merkt davon nichts, für die Unternehmen geht es aber ins Geld. „Wir bekommen vom Senat keinen Cent Subvention“, betont der Sprecher – und eröffnet eine weitere Baustelle für Andreas Geisel.
Wer nutzt eigentlich Carsharing-Autos wann und wo? Wir haben Daten aus Berlin ausgewertet. Hier kommen Sie zu unserem Mehr-Berlin-Spezial "Mehrfahrgelegenheit".
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