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Über Jahrzehnte haben Landwirte Breitbandherbizide auf Glyphosat-Basis auf ihre Felder gebracht und wollen darauf nicht mehr verzichten.
© imago/blickwinkel

EU: Bundesregierung will Glyphosat-Einsatz retten

Das deutsche Agrarministerium verhandelt über einen Kompromiss: Das Gift soll noch weitere zwei bis drei Jahre zugelassen werden.

Berlin arbeitet an einem Plan B, um die weitere Verwendung des umstrittenen Wirkstoffs Glyphosat auf Äckern EU-weit sicher zu stellen. Nach Tagesspiegel-Informationen will Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) durchsetzen, dass der Wirkstoff, dessen Zulassung am 15. Dezember ausläuft, auf EU-Ebene für weitere zwei bis drei Jahre eine Genehmigung erhält. Wie zu hören ist, verhandelt das Landwirtschaftsministerium mit den beiden SPD-geführten Bundesministerien für Wirtschaft sowie Umwelt. Auch die Grünen, die demnächst Sondierungsgespräche über die Bildung der Bundesregierung führen und als Anwärter für das Bundesumweltministeriums gelten, sind in diese Gespräche eingebunden.

2016 war eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre gescheitert, weil die SPD plötzlich ihr Veto gegen einen ausgehandelten Kompromiss einlegte und sich die Bundesregierung laut Koalitionsvereinbarung dann bei der Abstimmung in Brüssel enthalten musste.

Die Zeit drängt: Im Dezember läuft die Zulassung des Wirkstoffs ab, dem die beiden EU-Agenturen für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie für Chemikalien (ECHA) Unbedenklichkeit bescheinigen, den aber die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (IARC) für „wahrscheinlich Krebs auslösend“ hält. Am 25. Oktober will die EU-Kommission unter den 28 Mitgliedsländern die Verlängerung der Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre abstimmen lassen. Sollte der Abgesandte der Bundesregierung aus Berlin dabei, wie so häufig in den letzten Jahren, nicht die Weisung für ein klares Ja oder klares Nein mitbringen, geht die Hängepartie weiter. Dann kommt vermutlich wieder keine qualifizierte Mehrheit zustande, weil nicht mindestens 16 Mitgliedsländer mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dann könnte die Kommission selbst entscheiden.

Doch EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis hat bereits mehrfach angekündigt, dass die Kommission dies nicht will. Sie will nicht den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen für die Zulassung eines Mittels, das in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr gewünscht wird.

Wenn Plan B scheitert, wird die Zulassung auslaufen

Klar ist: Sollte der Plan B von Minister Schmidt nicht aufgehen, würde die Zulassung für Glyphosat, das im Ackerbau im großen Stil eingesetzt wird, unweigerlich auslaufen. Für die Bauern würde es schwierig. Vermutlich wäre noch die nächste Ernte gesichert. Doch nach einer Übergangsfrist von bis zu 18 Monaten würden sowohl der Verkauf als auch der Einsatz des Mittels in der EU verboten, das als Allround-Pflanzenschutzmittel vielfach mit einem Breitband-Antibiotikum verglichen wird.

Die Debatte um Glyphosat wird immer emotionaler geführt. Die Gegner von der Initiative „Stop Glyphosate“ haben mit über eine Million genügend Unterschriften zusammen bekommen, um als EU-Bürgerinitiative von der EU-Kommission anerkannt zu werden. Sie fordern ein Verbot sowie eine Reform der Pestizid-Zulassung in der EU. Die Kommission wird in den nächsten Wochen in den Dialog mit der Bürgerinitiative treten, ist letztlich aber rechtlich frei, wie sie mit den Forderungen umgeht.

Die Gegner versuchen zu mobilisieren. Immer wieder lassen sie etwa Tests durchführen und weisen auf Rückstände des umstrittenen Wirkstoffes hin. Mal findet er sich im Urin, mal im Speiseeis. Im Eis fanden sich Konzentrationen, die unterhalb der Grenzwerte liegen. Zuletzt warfen die Gegner dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das federführend an der Risikoprüfung beteiligt war, unseriöse Arbeitsmethoden vor. Das BfR, so der Vorwurf der Kritiker, habe Passagen von der Industrie abgeschrieben. Das BfR verwahrt sich entschieden gegen den Vorwurf eines Plagiats: Die Gesetzgebung sehe explizit vor, dass der berichterstattende Mitgliedsstaat – im Fall von Glyphosat Deutschland – alle Informationen der durch die Antragsteller eingereichten Dokumente auf Plausibilität und Korrektheit prüft. „Wenn der berichterstattende Mitgliedstaat mit einer bestimmten Zusammenfassung oder Bewertung der Antragsteller übereinstimmt, kann er diese direkt in seinen Bericht integrieren.“ Abweichende Bewertungen würden durch eigene Kommentare ausgedrückt.

Unterdessen wurde bekannt, dass einer der exponiertesten Glyphosat-Gegner einen Interessenkonflikt haben soll, den er jahrelang verschwieg. Der Forscher Christopher Portier war als „externer Spezial-Ratgeber“ beteiligt, als die IARC zu dem Urteil kam, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“. Nach Recherchen eines US-Bloggers stand Portier auf dem Lohnzettel von zwei US-Großkanzleien, die Schadensersatz vom Glyphosat-Hersteller Monsanto wegen Krebserkrankungen erstreiten wollen. Er soll bis Juni 2017 ein Honorar von 160 000 US-Dollar bekommen haben.

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