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Berlin Bamboo Bikes ist ein Projekt der TU Berlin. Seit 2009 bauen Studenten hier Fahrradrahmen aus Bambus.
© promo

Fahrräder aus Bambus: Bundesregierung experimentiert mit nachwachsenden Rohstoffen

Die Chemie entdeckt das Prinzip "Bio" für sich. Mit nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus, Stroh und Holz werden heute Motorteile, Fahrräder und Reifen hergestellt. Die Förderung durch den Bund ist üppig.

An Strohhalme klammern sich eigentlich nur Ertrinkende. Was Joachim von Braun am Donnerstag in Berlin präsentierte, wirkte aber gerade nicht wie die letzte Hoffnung eines Verzweifelten: „Bald werden wir Aufzugseile daraus fertigen können“, sagte der Vorsitzende des deutschen Bioökonomierates mit Blick auf eine Rolle dünner, goldener Fäden, die aus Stroh hergestellt werden. Lignin und Zellulose heißen die Bestandteile der trockenen Halme, die durch eine spezielle Verarbeitung für eine hohe Zugfestigkeit sorgen.

Sogenannte Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh, Holz oder Pflanzenöl gewinnen seit einigen Jahren immer mehr an Bedeutung. Was anfangs als kompostierbare Plastiktüte beworben wurde, findet zunehmend auch Gebrauch in industriellen Anwendungen wie dem Motorenbau. Neue chemische Verfahren ermöglichen Materialien, die immer stärker, leichter und hitzebeständiger sind.

Jenseits von Jutebeuteln

Der Vorteil der Biokunststoffe: Sie ersetzen Produkte aus immer knapper werdenden Ressourcen wie Erdöl, stoßen bei der Verbrennung nur so viel klimaschädliches Kohlendioxid aus, wie sie als wachsende Pflanze aufgenommen haben und greifen oft auf Erzeugnisse aus der heimischen Landwirtschaft zurück. Jenseits von Jutebeuteln und Tofuwürstchen hat sich daher das Prinzip „Bio“ auch in der deutschen Chemieindustrie etabliert. Unter dem Stichwort „Bioökonomie“ entwickelt sich ein Wirtschaftszweig, der die Güterproduktion auf Basis von pflanzlichen Rohstoffen und biotechnischer Verfahren betreibt.

Die Bundesregierung unterstützt die Forschung und Entwicklung in diesem Segment mit 2,4 Milliarden Euro bis 2016. „Die Forschungsergebnisse sind die Basis für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka am gestrigen Donnerstag in Berlin, wo sie die Halbzeitkonferenz des auf sechs Jahre angelegten Förderprogramms eröffnete.

Die dort vorgestellten Produkte gehen weit übers schon etablierte Bioplastik hinaus: So experimentiert der Reifenhersteller Continental etwa mit Löwenzahn, um Kautschuk für Winterreifen zu gewinnen. Im Gegensatz zum subtropischen Kautschukbaum wächst die anspruchslose Pusteblume nämlich überall in Deutschland – auch auf Flächen, die sich für Ackerbau nicht eignen. Bereits im Handel erhältlich ist eine rein pflanzliche Eiscreme des Mecklenburger Unternehmens Prolupin. Das Eiweiß aus den Samen der vor Ort wachsenden Blauen Süßlupine verleiht dem Nachtisch eine cremige Konsistenz, ohne dass Milchprodukte verarbeitet werden müssten. Frei von Laktose und Gluten, eignet sich das Eis auch für Allergiker.

Berliner Unternehmen machen Zahnpasta und Fahrräder

Die Bioökonomie ersetzt nicht nur konventionelle Rohstoffe, sondern ermöglicht auch die Entwicklung von Produkten mit neuen Eigenschaften. Die Berliner Firma Organobalance setzt Bakterien für eine Zahncreme ein. Natürliche Milchsäurebakterien verbinden sich mit den Karieserregern im Mund und machen sie so unschädlich für den Zahnschmelz. Ebenfalls aus Berlin stammen Fahrräder aus Bambus. Studenten der TU verarbeiten dort Bambusrohre, Hanffasern und Kleber, um die Rahmen der Zweiräder für den Straßenverkehr fit zu machen. Das Ergebnis: Berlin Bamboo Bikes.

Kritiker befürchten, dass mit dem Anbau von nachwachsenden Rohstoffen irgendwann Platz für den Lebensmittelanbau fehlen könnte. „Die Lebensmittelerzeugung steht vor der stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse“, versuchte Forschungsministerin Wanka zu beschwichtigen. Den Einsatz von Gentechnik in der Bioökonomie schloss Joachim von Braun, der als Vorsitzender des Bioökonomierates die Bundesregierung berät, übrigens nicht aus. Die Bioökonomie sei jedoch „nicht abhängig von der grünen Gentechnik“, beteuerte er.

Ryotaro Kajimura

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