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Protein statt Polyester. Bundesagrarministerin Aigner (r.), Bundesforschungsministerin Wanka (l.) und Christine Lang vom Deutschen Bioökonomierat präsentieren ein Kleid aus Milcheiweiß.
© dpa

Bio-Ökonomie: Ein Kleid aus Milchprotein

Plastik aus Maisstärke, Kraftstoff aus Raps: Die Bundesregierung will nachwachsende Rohstoffe fördern und hat dafür eine neue Strategie verabschiedet. Das Ziel: Weg von fossilen Brennstoffen wie Öl. Doch Umweltverbände warnen vor der Konkurrenz mit Nahrungsmitteln - und vor Verschwendung.

Berlin - In jedem Haushalt stecken etliche Liter Öl, verarbeitet in Kunststoffen von der Käseverpackung bis zum Kühlschrank. Das belastet die Umwelt und ist angesichts schwindender Ressourcen wenig nachhaltig. Eine Lösung sind so genannte nachwachsende Rohstoffe, die es heute schon vereinzelt gibt – Joghurtbecher aus Maisstärke oder Mülltüten aus Schlachtabfällen.

Die Bundesregierung will deren Entwicklung und Nutzung nun stärker fördern, in allen Bereichen von der Energie bis hin zur Landwirtschaft. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch eine Politikstrategie zur Bioökonomie. „Wir müssen wegkommen vom Öl und lernen, stärker zu nutzen, was die Natur uns bietet“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nach der Kabinettssitzung. Ziel sei es, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu vermindern, indem neue Stoffe zum Beispiel aus Rapsöl, Holz oder Hanf entwickelt werden. So führte die Ministerin ein Kleid aus Milchprotein vor, eine Motorabdeckung, die zu 70 Prozent aus Bioplastik besteht und Biokohle aus Pflanzenresten.

Mit der Strategie sollen sowohl innovative Technologien und Produkte gefördert als auch internationale Nachhaltigkeitsstandards entwickelt werden, teilten Forschungs- und Landwirtschaftsministerium mit. Bestehende Maßnahmen sollen mit neuen Projekten wie der Forschungsinitiative zur nachhaltigen Nutzung von landwirtschaftlichen Böden verzahnt werden. Bereits 2010 hatte die Bundesregierung die „Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie“ beschlossen, die bis 2016 eine Förderung des Bereichs mit 2,4 Milliarden Euro vorsieht. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) betonte das hohe „Wachstumspotenzial“ dieses Wirtschaftszweiges, der nach Angaben der Regierung knapp fünf Millionen Beschäftigte hat.

Auch Konflikte sollen ausgelotet werden, wie etwa die Konkurrenz zwischen Tank und Teller. „Die Ernährung und die Produktion von Lebensmitteln muss immer Vorrang haben – dieser Grundsatz gilt“, bekräftigte Aigner. Die Strategie wolle beide Anbauarten miteinander „in Einklang“ bringen. Nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums werden derzeit drei Prozent der zwölf Millionen Hektar Ackerland-Fläche in Deutschland für den Anbau von Industriepflanzen verwendet. Soweit möglich, sollen zudem Abfälle verwertet werden – so wurde das gezeigte Protein-Kleid aus nicht mehr verkäuflicher Milch hergestellt.

Der Bauernverband und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) begrüßten den Kabinettsbeschluss. Der DIB forderte international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen wie eine „verlässliche Regelung der Rohstoffversorgung für die industrielle Biotechnologie und zügige europäische Genehmigungsverfahren“.

Nichtregierungsorganisationen übten Kritik. „Der Bericht benennt zwar die Zielkonflikte, konkrete Maßnahmen zur Lösung dieser sieht er aber nicht vor“, sagt David Hachfeld von Oxfam. Es dürften nicht die gleichen Fehler wie bei Biokraftstoffen gemacht werden. „Wir brauchen Standards, etwa aus welchen Ländern wir Rohstoffe einführen“. Zudem sei eine Umstellung aller Verpackungen auf Bioplastik nicht möglich, wenn man zugleich eine wachsende Weltbevölkerung ernähren wolle. Oxfam und der Naturschutzbund plädieren daher für eine Einschränkung des Konsums. „Wir müssen unsere Wegwerfhaltung überdenken, auch wenn Plastiktüten aus Mais hergestellt werden“, sagte Hachfeld.

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