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Die Bazooka von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zündet noch nicht.
© Kay Nietfeld/dpa

Zum Nachteil von Unternehmen: Bundesregierung änderte heimlich Bedingungen für Corona-Hilfen

Wegen Anpassungen der Überbrückungshilfe II bekommen viele Firmen wohl weniger Hilfe als versprochen. Auch die Novemberhilfe könnte betroffen sein.

An großen Worten hatten Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) nicht gespart. Kein Unternehmer werde in der Krise allein gelassen, hieß es immer wieder, als im Laufe des Krisenjahres ein Hilfsinstrument nach dem anderen präsentiert wurde. Die "Bazooka" aus Finanzmitteln wurde zum Synonym der großzügigen Krisenhilfe; der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister gefielen sich in der Rolle der souveränen Krisenmanager.

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Doch die Zweifel, ob die Bundesregierung ihre Versprechen einhalten kann, werden immer größer. Wie das "Handelsblatt" zuerst berichtete wurden mehrmals klammheimlich die Bedingung zur Auszahlung der Überbrückungshilfe II geändert - zum Nachteil vieler Unternehmen. Der Grund ist das EU-Beilhilferecht, das die Minister bei ihren Ankündigungen wohl nicht ausreichend mitgedacht hatten. Zwar einigte sich der Bund Ende November mit Brüssel. Doch es wurden Änderungen nötig.

Seit Anfang Dezember steht nun unter Punkt 4.16 im Kleingedruckten, die Überbrückungshilfe sei ein „Beitrag zu den ungedeckten Fixkosten eines Unternehmens“. Ein Unternehmen braucht also ungedeckte Fixkosten, muss also einen Verlust gemacht haben, um die Überbrückungshilfe zu erhalten. Altmaier und Scholz hatten stets den Eindruck erweckt, als sei nur der gesunkene Umsatz die Bemessungsgröße für die Erstattung - nicht dass der Staat nur im Falle von Verlusten einspringt.

Nach einem Proteststurm teilte das Wirtschaftsministerium immerhin dazu mit, alte Anträge müssten nicht neu eingereicht werden. Bei Anträgen, die vor dem 5. Dezember 2020 gestellt wurden, seien die genauen beihilferechtlichen Vorgaben der Fixkostenhilfe noch nicht bekannt gewesen, heißt es im Kriterienkatalog.

Dennoch könnten sich die Änderungen für viele Betroffene als teuer erweisen: „Wird im Nachhinein bekannt, dass die entsprechenden beihilferechtlichen Bedingungen nicht erfüllt waren, erfolgt eine Korrektur im Rahmen der Schlussabrechnung“, heißt es zu den Änderungen. Es könnten also Rückzahlungen in Millionenhöhe fällig werden.

Auswirkungen auch auf November- und Dezemberhilfen

Für mittlere und große Unternehmen könnten sich diese Änderungen auch negativ auf die Auszahlung der November- und Dezemberhilfen auswirken. Mit diesen beiden Programmen hatte die Bundesregierung versprochen, von den Schließungen im den letzten beiden Monaten des vergangenen Jahres betroffene Unternehmen zu unterstützen, indem bis zu 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats erstattet werden.

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Doch nach einer Übersicht der Bundesregierung zu den Beihilferegelungen gelten die neuen Vorgaben der Fixkostenhilfe auch für die Unterstützung aus dem November und Dezember, sofern diese mehr als eine Million Euro betragen. Dann gibt es maximal den aufgelaufenen Verlust ersetzt, einen höheren Umsatzausfall aber nicht.

Peter Altmaier (CDU) sieht sich gerne als Beschützer der Wirtschaft.
Peter Altmaier (CDU) sieht sich gerne als Beschützer der Wirtschaft.
© imago images/photothek / xFlorianxGaertnerx

Doch nicht nur die Zugangsbedingungen, auch die Höhe der Hilfszahlungen könnte sich nach Angaben von Steuerberatern im Nachhinein für viele Unternehmen noch ändern. Nach den neuen Regeln können bei den Überbrückungshilfen für kleine Unternehmen nur noch 90 Prozent der ungedeckten Fixkosten gefördert werden, wie das "Handelsblatt" schreibt. Zuvor habe es lediglich eine Grenze von 70 Prozent für mittlere Unternehmen gegeben.

Im Bundeswirtschaftsministerium kann man die Aufregung nicht nachvollziehen. Man habe die Antragsbedingungen nicht "klammheimlich" geändert, teilte eine Sprecherin hierzu mit. Viel mehr passe man ständig alle Punkte an - immer an den jeweils geltenden Beihilferahmen. "Wir gehen davon aus, dass sich an der Höhe der Förderung für die meisten Unternehmen nichts ändert, da die Hilfen ja diejenigen Unternehmen betreffen, die schwer betroffen sind und daher in dieser schweren Zeit in aller Regel auch Verluste nachweisen können", teilte das Ministerium weiter mit.

Bei der Ermittlung der Verluste werde dem Antragsteller zudem eine weitgehende Flexibilität eingeräumt. Er sei nicht auf Verluste aus November und Dezember 2020 beschränkt, sondern könne vielmehr alle Verlustmonate seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 in Ansatz bringen, sofern in diesen ein Umsatzeinbruch von mehr als 30 Prozent ausgewiesen wurde. Auch weist man darauf hin, dass für die November- und Dezemberhilfen bei Umsätzen von unter einer Million Euro keine Verlustrechnung notwendig sei.

Es kommt kaum Geld an

Steuerberater sind dennoch über dieses Vorgehen empört - vor allem darüber, dass die Änderungen nicht offen kommuniziert werden. Der Vizepräsident des Steuerberaterverbandes, Valentin Schmid, sagte der "Augsburger Allgemeinen" vom Dienstag, erschwerend zu den komplizierten Regelungen komme hinzu, "dass praktisch keine Rückfragen gestellt werden können und die elektronischen Anträge keinerlei Raum für Hinweise und Ergänzungen lassen". Dies wäre jedoch dringend für die Antragsteller erforderlich: "Denn fehlerhafte Angaben können schnell zum Vorwurf von Subventionsbetrug führen."

Schmid kritisierte zudem eine rückwirkende Verschärfung der Corona-Überbrückungshilfen. Dass die Überbrückungshilfen anders als angekündigt nur für tatsächlich Verluste in Form ungedeckter Fixkosten gezahlt werden sollen, sei für die betroffenen Unternehmen fatal, sagte der Vizepräsident des Bundesverband der Steuerberater der Zeitung. "Die betroffenen Unternehmen reagieren mit Enttäuschung und Frustration." Sein Verband erwarte eine erhebliche Zahl von Unternehmenszusammenbrüchen, "die tendenziell zu steigen droht, wenn nun nachträgliche Einschränkungen vorgenommen werden".

Zudem kritisieren Verbände, die Beantragung sei viel zu kompliziert. "Bei unseren Betrieben kommen die Hilfen schlicht nicht an. Die Beantragung ist viel zu bürokratisch", sagte der Präsident des deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Dienstag. Die Zahlen untermauern das: Von den veranschlagten 15 Milliarden Euro sind aktuell erst 1,2 Milliarden Euro ausgezahlt worden. (mit AFP, HB)

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