Wegen Preiskontrolle in der Coronakrise: Bundeskartellamt ermittelt gegen Amazon
Durfte der Onlinehändler gegen Preistreiber bei Klopapier und Masken vorgehen? Das wird jetzt untersucht. Covid-19 erschwert die Arbeit der Behörde.
Andreas Mundt mag den direkten Kontakt zu Menschen. Doch die Coronakrise hat auch das Bundeskartellamt und seinen Präsidenten erreicht. Den Jahresbericht seiner Behörde stellt Mundt daher erstmals per Videokonferenz vor. Das ist nicht die einzige Einschränkung.
Auch die Durchschlagskraft der Wettbewerbshüter im Kampf gegen unzulässige Kartelle ist coronabedingt gedrosselt. „Durchsuchungen sind derzeit schwierig“, sagte Mundt am Mittwoch in Bonn. Kartellsünder sollten sich aber nicht zu sicher fühlen. Man arbeite derzeit an Schutzkonzepten, wie man Durchsuchungen coronasicher durchführen kann. „Der Bereich darf nicht brach liegen“, betont der Präsident.
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Nur ein Bruchteil der Bußgelder
Wie sehr die Verfolgung unzulässiger Absprachen leidet, zeigen die nackten Zahlen: Gerade einmal 158 Millionen Euro hat das Bundeskartellamt in den ersten sechs Monaten dieses Jahres an Bußgeldern verhängt. Im vergangenen Jahr waren es 848 Millionen Euro.
"Wir werden viele Unternehmen in Schwierigkeiten sehen"
Auch die Fusionsanträge von Unternehmen liegen deutlich hinter dem, was üblich ist. Hatte das Bundeskartellamt im vergangenen Jahr 1400 Anträge auf Zusammenschlüsse geprüft, waren es im ersten Halbjahr 2020 gerade einmal 505 – verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ein Minus von 20 Prozent. Mundt rechnet jedoch damit, dass die Zahl auch krisenbedingt wieder anziehen wird. „Wir haben bereits erste Anzeichen dafür, dass wir zahlreiche Übernahmen von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sehen werden“, berichtet der oberste Wettbewerbshüter.
Derzeit prüft das Kartellamt, ob Wettbewerber Filialen der Supermarktkette Real übernehmen dürfen. Kaufland will 101 Standorte, Edeka 72. Auch der Plan der Möbelhauskette XXXLutz, sich an dem Konkurrenten Roller zu beteiligen, beschäftigt das Amt.
Die Internetriesen stehen im Zentrum der Arbeit
Der „absolute Schwerpunkt“ der Arbeit liegt jedoch woanders: Mundt will den Internetriesen weiter auf die Finger schauen. „Facebook und Amazon haben unsere besondere Aufmerksamkeit“, sagt er. Im Frühjahr vergangenen Jahres war das Bundeskartellamt gegen die Datensammelwut von Facebook vorgegangen und hatte dem Netzwerk verboten, Nutzerdaten von Facebook, WhatsApp oder Instagram ohne Zustimmung der User zu sammeln und zusammenzuführen. Der Bundesgerichtshof hat diese Anordnung im Juni im Eilverfahren bestätigt. Im November wird sich das Oberlandesgericht Düsseldorf im Hauptsacheverfahren mit dem Fall beschäftigen.
Zu einem Dauerkunden wird Amazon. 2013 hatte das Kartellamt dem Internethändler bereits sogenannte Bestpreis-Klauseln verboten. Diese hatten den Händlern, die Produkte über Amazon verkaufen, untersagt, ihre Waren anderswo günstiger anzubieten. Jahre später ging die Behörde erneut gegen den Konzern vor. 2019 änderte Amazon auf Druck des Kartellamts seine Geschäftsbedingungen gegenüber den Händlern auf dem Amazon-Marktplatz und verzichtet seitdem auf weitgehende Haftungsausschlüsse und das Recht zur fristlosen, grundlosen Kündigung.
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Corona hat ein neues Verfahren ausgelöst. Anlass war die Entscheidung Amazons, im Frühjahr Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Hygieneprodukte, Baby- und Haustierartikel bevorzugt in die Lager zu packen. Andere Anbieter hatten das Nachsehen. Zudem war Amazon gegen Händler vorgegangen, die Mondpreise für Klopapier oder Gesichtsmasken wollten.
Während das Kartellamt die Priorisierung mit Blick auf die Coronakrise nicht beanstanden will, untersucht die Behörde nun aber die Preispolitik genauer: Übt Amazon eine Preiskontrolle aus und was müssen Händler befürchten, die aus Sicht Amazons zu viel verlangen? „Wenn es Preiskontrollen gibt, dann müssten diese staatlich sein“, sagt Mundt. „Das kann man nicht einem Unternehmen überlassen.“