Verdi: Bsirske will die Gewerkschaft radikal verändern
Eine Strukturreform soll die Zahl der Fachbereiche von 13 auf vier verringern. Nur noch knapp zwei Millionen Mitglieder.
In ein paar Wochen feiert Frank Bsirske den 66. Geburtstag, in anderthalb Jahren tritt er als Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ab. Die verbleibende Zeit will Bsirske für eine Strukturreform der 1000-Berufe-Gewerkschaft nutzen. Dabei legt er die Latte hoch, indem er von einer „grundlegenden Neustrukturierung“ spricht, „die es in dieser Radikalität in keiner anderen Gewerkschaft gegeben hat“. Vielleicht auch nicht geben musste, weil andere Gewerkschaften schlanker und effizienter aufgestellt sind als Verdi.
Ein Fünftel der Ressourcen wird umverteilt
Die Großgewerkschaft besteht aus 13 Fachbereichen, die sich als eigenständige Kleingewerkschaften verstehen. Es geht vom Fachbereich 1 (Finanzdienstleistungen) über Ver- und Entsorgung, Bund und Ländern, bis hin zu Medien, Verkehr, und Handel, um nur einige zu nennen. Diese dreizehn Berufsfelder sollen in den kommenden Jahren zu vier Großbereichen fusionieren. Ziel der Operation: Eine Umverteilung der Ressourcen zugunsten der Basisarbeit. Verdi will sich weniger mit sich selbst beschäftigen, sondern näher an die Betriebe und die Arbeitnehmer kommen, dazu wird ein Viertel der vorhandenen Mittel umverteilt.
2001 wurde Verdi gegründet
Die Gewerkschaft war 2001 entstanden durch die Fusion der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft DAG mit den DGB-Gewerkschaften ÖTV (öffentlicher Dienst), HBV (Handel, Banken, Versicherungen, Post und Medien). Der damalige ÖTV-Vorsitzende Bsirske übernahm als Chef der größten der fünf Gründungsorganisationen auch den Verdi-Vorsitz. Damit sich alle gut vertreten fühlten, bekam Verdi eine Matrixorganisation mit Bezirken und Fachbereichen. Und der Vorstand musste so groß sein, dass alle Gewerkschaften und Fachbereiche vertreten waren. Bis heute ist der Verdi-Vorstand mit 14 Mitgliedern doppelt so groß wie das Führungsgremium der IG Metall. Verdi beschäftigt rund 3000 hauptamtliche Gewerkschafter, die größere IG Metall kommt mit 2500 aus.
Bsirske hält den Laden zusammen
Bsirske hat über die Jahre den komplizierten Laden zusammengehalten und ist inzwischen der dienstälteste Spitzenfunktionär hierzulande. Die Strahlkraft des Vorsitzenden hat indes den Schwund nicht stoppen können: 2001 hatte Verdi 2,8 Millionen Mitglieder, heute sind es noch 1 987 000. Die IG Metall dagegen, die sich vor knapp zehn Jahren eine Strukturreform zugunsten der Betriebsarbeit verpasst hatte, hält die Mitgliederzahl mit 2,3 Millionen ziemlich stabil.
„Es gibt wenige Organisationen, die 112 000 Mitglieder im Jahr gewinnen“, versuchte Bsirske jetzt bei der Vorstellung der Bilanz 2017 den Schwund schönzureden. Denn unterm Strich verlor Verdi im vergangenen Jahr 13 000 Mitglieder. Liberalisierung und Deregulierung setzen der Gewerkschaft seit langem zu und haben Mitglieder bei Post und Telekom, im Verkehr und im öffentlichen Dienst gekostet. Im Handel wirkt sich die zunehmende prekäre Beschäftigung auch auf den Organisationsgrad aus, und in der Alten- und Krankenpflege bekommt Verdi nicht wirklich ein Bein auf die Erde. Die schlechte Bezahlung in diesen Bereichen hängt eben auch mit der Schwäche der Gewerkschaft zusammen, die hier zu wenig Mitglieder hat.
Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst stehen an
In den kommenden Monaten verhandelt Verdi neue Tarifverträge unter anderem für den öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) bei der Post und der Telekom. Und nächste Woche streiken in Berlin die studentischen Hilfskräfte an den Unis: Verdi versucht eine Erhöhung des Stundenlohns von 10,98 Euro auf 14 Euro durchzusetzen.
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