EEG-Reform: Brüssel lässt Berlin viel Spielraum
Die EU-Kommission wird Bundesregierung wohl nicht zwingen, die Ökostromkosten rückwirkend bei der Industrie einzutreiben.
Die politischen Verhandlungen, um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Einklang mit dem EU-Beihilferecht zu bringen, stehen vor dem Abschluss: Am Dienstag will das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für die EEG-Reform verabschieden, der mit den neuen europäischen Regeln für Staatsbeihilfen im Energiesektor kompatibel sein soll. Diese will die EU-Kommission tags darauf beschließen. In ihrem jüngsten Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, geht die Brüsseler Behörde in wichtigen Punkten auf die Bedenken von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein.
Der hält sich mit öffentlichem Jubel noch zurück. Möglicherweise muss er noch an diesem Montag letzte Details mit Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia verhandeln. Am Freitag war Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) bei der Kommission zu Gast. „Es ist eine Annäherung in vielen Fragen erreicht“, verriet EU-Energiekommissar Günther Oettinger dieser Zeitung anschließend.
Deutsche Unternehmen sollen nicht nachzahlen müssen
Ein wichtiger Streitpunkt scheint bei Lektüre des Kommissionspapiers so gut wie ausgeräumt – eine befürchtete milliardenschwere Nachzahlung für deutsche Unternehmen, die viele von ihnen in den Ruin treiben könnte. Diese Gefahr bestand bisher, weil Europas oberste Wettbewerbsbehörde die bisherigen Ausnahmen von der EEG-Umlage für zuletzt mehr als 2000 Unternehmen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro jährlich für nicht gerechtfertigt hält. Nun schreibt die Kommission erstens, dass die neuen Regeln für Rabatte erst im Jahr 2018 umgesetzt sein müssen. Und zweitens, dass die bis dahin gewährten Nachlässe „mit dem Markt kompatibel erklärt werden können, wenn sie einem Anpassungsplan entsprechen“. Einen solchen Plan, der die langsame Zurückführung der Rabatte beschreibt, soll ein Mitgliedstaat auch vorlegen können für den „Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Leitlinien“. In Kreisen der Bundesregierung wird dies als „Versuch eines Entgegenkommens gewertet“, da die Industrierabatte so „nachträglich legitimiert“ werden könnten. Allerdings ist diese Sprachregelung Berlin noch zu vage. Und auch Oettinger bestätigte, dass Nachzahlungen für „bis zu zwei Jahre rückwirkend“ noch nicht ganz vom Tisch seien.
Das hängt offenbar daran, worauf man sich beim zweiten großen Knackpunkt verständigt: Der Frage, wie energieintensive Betriebe künftig an der EEG-Umlage beteiligt werden. Schon vor Wochen war die Kommission auf Deutschland zugegangen, indem sie die Liste der Branchen verlängerte, die zumindest teilweise von der Umlage befreit bleiben dürfen. Jetzt umfasst sie gut 60 Industriezweige – von A wie Aluminium über C wie Chemie und P wie Papier bis zu Z wie Zink.
Wie stark darf die energieintensive Industrie geschont werden?
Nun geht es vor allem darum, wie großzügig Deutschland seine energieintensive Industrie von den Zahlungen befreien darf. „Das müssen wir, weil dahinter Hunderttausende von Arbeitsplätzen stehen“, sagte Gabriel in Brüssel. „Denn diese Industrie steht im Wettbewerb mit Standorten in den USA, China oder Südamerika, wo es keine solchen Auflagen und Steuern gibt.“
Generell verlangt die Brüsseler Wettbewerbsbehörde nun, dass diese Branchen wenigstens 20 Prozent der eigentlich fälligen Umlage berappen – dies sei dann beihilferechtlich in Ordnung. Nun ist die EU-Kommission nicht nur bereit, über diesen Prozentsatz erneut zu reden. Sie erkennt auch an, dass es darüber hinaus „eine Härtefallregelung“ (Oettinger) braucht. Im Entwurf wird den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt, die Belastung eines Unternehmens „falls nötig“ auf fünf beziehungsweise 2,5 Prozent seiner Bruttowertschöpfung zu begrenzen – Letzteres soll für Firmen gelten, bei denen Strom mehr als ein Fünftel aller Kosten ausmacht. Gabriel hatte zuletzt zwei beziehungsweise ein Prozent gefordert. Die EU-Kommission scheint nun bereit, die niedrigeren Obergrenzen in der entscheidenden internen Gesprächsrunde am Montag zu akzeptieren.
Brüssel hat sich offenbar auch noch in einem anderen Punkt bewegt. Der betrifft kleine, private Solarstromerzeuger: Die müssen womöglich auch nach 2017 nicht dazu gezwungen werden, ihren Strom direkt zu vermarkten, sondern dürfen weiter bequem die EEG-Vergütung einstreichen.