Züge aus Berlin: Bombardier auf Börsenkurs
Der kanadische Konzern Bombardier will seine in Berlin ansässige Zugsparte teilweise an die Börse bringen – und schafft Gerüchte aus der Welt.
Die Aussage ist unmissverständlich: „Es gibt keine Gespräche mit Siemens.“ Lutz Bertling, der Chef von Bombardier Transportation, dementierte am Freitag angebliche Pläne, beide Unternehmen wollten sich mit ihren Zugsparten zusammenschließen. Bombardier strebe vielmehr an, einen Teil seines Zugbereichs noch in diesem Jahr an die Börse zu bringen. Mit drei Investmentbanken gebe es dazu Gespräche. Der kanadische Konzern, dessen Bahnbereich weltweit aus Berlin geführt wird, werde aber auf jeden Fall die Mehrheit behalten.
Durch die Ausgabe von Aktien wolle sich Bombardier die Möglichkeit verschaffen, mit neuem Kapital sein Portfolio zu ergänzen; etwa durch den Zukauf von kleineren Firmen, sagte Bertling. Ausgeweitet werden solle vor allem der Servicebereich sowie der Einsatz intelligenter Kommunikation in den Zügen. Auch an der Entwicklung der Elektromobilität wolle man sich weiter beteiligen.
Das Aktienpaket soll breit gestreut werden
Grundsätzlich nehme das Unternehmen keine Kredite auf; es sei fast schuldenfrei. Der Teil-Börsengang erfolge nicht, um die Flugzeugsparte des Konzerns, die in Kanada sitzt, zu alimentieren. Diese hat durch den Bau neuer Flugzeuge, deren Auslieferung sich verzögert hat, hohe Vorfinanzierungskosten. Ob ein Teil des Erlöses aus dem Börsengeschäft nach Kanada überwiesen werden müsse, ließ Bertling in einem Gespräch am Freitag offen. Bombardier wolle das Aktienpaket, dessen Umfang Bertling nicht nannte, breit streuen; möglich sei aber auch der Einstieg von Großinvestoren. Dass ein Konkurrent wie Siemens mit auf den Zug springt, hält Bertling für unwahrscheinlich. Mit einer Minderheitsbeteiligung hätte ein Mitbewerber keinen Einfluss auf das operative Geschäft.
Durch einen Börsengang in Deutschland, für den Frankfurt Favorit ist, soll das Unternehmen auch an den nordamerikanischen Börsen profitieren. Vor dem Platzieren der Aktien muss der Wert der Zugsparte ermittelt werden. Dieser sei bisher in Nordamerika unterbewertet, ist Bertling sich sicher. Er erwartet, dass die Bewertung der Zugsparte den gesamten Unternehmenswert erheblich steigern wird. In der Branche wird er auf rund fünf Milliarden Euro beziffert.
Chinesischer Weltmarktführer als größter Herausforderer
Bertling rechnet damit, dass der Umsatz der Bahnsparte in diesem Jahr im einstelligen Bereich wachsen wird; 2016 will er wieder einen zweistelligen Wert erreichen. Dass sich im zweiten Quartal dieses Jahres die Zahlen, wie berichtet, verschlechtert haben, begründete Bertling vor allem mit Schwankungen beim Wechselkurs sowie mit üblichen Abweichungen innerhalb von Quartalen. Der Konzern bilanziere nur in Dollar. Im zweiten Quartal war nach der Bilanz der Umsatz um zwölf Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar gesunken, der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel von 125 Millionen Dollar auf 115 Millionen Dollar.
Wie Siemens sieht Bertling in chinesischen Unternehmen die größten Herausforderer. Sie drängten jetzt auf den westeuropäischen Markt, vor allem nachdem sich zuletzt die beiden größten Unternehmen des Landes zum weltgrößten Hersteller zusammengeschlossen haben. Außerhalb Chinas ist Bombardier Marktführer. Der Konzern produziert auch in und für China. Als einziger Hersteller liefere Bombardier noch komplette Züge von Werken außerhalb Chinas für die chinesischen Bahnen, sagte Bertling.
Zu kurze Bewerbungsfrist für Berliner S-Bahn
Dass der in Berlin sitzende Konzern ausgerechnet bei der Berliner S-Bahn nicht zum Zug gekommen ist, begründete Bertling mit den Finanzierungsbedingungen der Deutschen Bahn für den Kauf neuer Züge. Zunächst geht es um einen Auftrag im Wert von knapp einer Milliarde Euro. Sollte die Bahn auch in Zukunft das gesamte Netz der S-Bahn betreiben, das in mehreren Schritten ausgeschrieben wird, könnte die Summe auf rund drei Milliarden Euro steigen. Die Bahn habe im vergangenen November verlangt, dass die Hersteller die Fahrzeuge vorfinanzieren und nur Zeit bis Februar gelassen. Da Bombardier kein Eigenkapital einsetze, sei die Bewerbungsfrist zu knapp gewesen.
Bertling machte auch deutlich, dass der entgangene Auftrag für die Berliner S-Bahn Konsequenzen für das Werk im brandenburgischen Hennigsdorf haben kann. Ob Mitarbeiter gehen müssten, werde sich, abhängig auch von der Entwicklung bei neuen Aufträgen, Mitte 2016 entscheiden. Möglich ist auch, dass Bombardier vom Gewinner der Ausschreibung für den Bau neuer Züge etwas abbekommt. Bereits jetzt baut das Unternehmen gemeinsam mit Siemens Fernzüge für die Deutsche Bahn.