Türkei auf der ITB in Berlin: Bloß nicht über Politik reden
Auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin wirbt die Türkei um ihre wichtigste Touristengruppe: die Deutschen. Und versucht vergeblich, Spannungen auszublenden.
Wenn jemand von außen gucke, sagt Nabi Avci nicht ohne Stolz, könnte er annehmen, die Türkei sei das Partnerland der diesjährigen ITB – nicht Botswana. „So präsent sind wir hier.“ Der türkische Tourismusminister nickt zufrieden. Tatsächlich ist der diesjährige Türkeiauftritt bei der Messe beinahe unanständig groß: Eine eigene Halle, 129 Aussteller, 3 079 Quadratmeter. „Die Türkei zählt auch 2016 zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen“, betont Avci. Auf der Liste der populärsten europäischen Ziele belegt das Land laut Angaben der Stiftung für Zukunftsfragen zusammen mit Österreich Platz drei. Der Minister preist Basketballturniere und Jazzfestivals, kulturelle Schätze und moderne Kunst, und immer wieder die 444 blauen Flaggen, die türkische Strände zuletzt errungen haben – ein Gütezeichen für besonders nachhaltiges Tourismusmanagement. Natürlich, gibt er zu, sei das vergangene Jahr für seine Branche „herausfordernd“ gewesen.
Zehn Millionen Touristen weniger
Die Wahrheit ist: Die Zahl deutscher Gäste in der Türkei ist 2016 um 1,7 Millionen gesunken, das entspricht dem Ministerium zufolge einem Rückgang von 30 Prozent. Das Marktforschungsunternehmen GfK hatte am Mittwoch sogar einen Rückgang von 60 Prozent bei den Buchungen gemeldet. Dennoch stellen die Deutschen mit 3,9 Millionen Ankünften noch immer die größte Gruppe unter den Türkei-Urlaubern dar – was den opulenten Messe-Auftritt erklärt. Dass ihr Anteil an den Urlaubern mit 15 Prozent dennoch konstant geblieben ist, wiederum unterstreicht, wie sehr der Tourismus in der Türkei leidet: Insgesamt kamen zehn Millionen ausländische Gäste weniger als im bereits schwachen Vorjahr. 1.250.000 Betten preist der Regierungsvertreter – allzu viele blieben leer.
Die Türkei hofft auf Stammkunden
Auf der ITB ist man bemüht, Politik und Tourismus zu trennen. Das gilt für die Aussteller an ihren Ständen, die auf Nachfrage gerne Sätze sagen wie „Es gibt Menschen, die sind für Erdogan, es gibt Menschen, die sind gegen Erdogan, hier genauso wie in der Türkei“. Auch der Minister und die Verbandsvorsitzenden, die ihm am Donnerstag zur Seite stehen, sind zunächst bemüht, zu beschwichtigen und Konflikte herunterzuspielen: „Was es in letzter Zeit an Missstimmungen gegeben hat, ist nur etwas Vorläufiges“, erklärt etwa der Hotelierverbandsvorsitzende Osman Ayik. „Probleme gibt es regional und weltweit“, sagt Avci, dann beschwört er die historische deutsch-türkische Freundschaft und die vielen gemeinsamen Interessen. „Waren Sie schon mal in der Türkei?“, fragt er jeden, der ihm Gelegenheit dazu gibt, und lädt ihn ein, die türkische Gastfreundschaft und die hohen Hotelstandards doch am eigenen Leib zu erfahren. Nicht ohne Grund sei der Anteil an Stammgästen hoch, und so hat sich die Türkei für 2017 hoffnungsvoll den Slogan verpasst: „Türkei. Immer wieder schön.“ Es gebe eine große Anzahl von treuen Kunden, die niemals der Türkei den Rücken kehren würden, sagt der Politiker – es klingt ein kleines bisschen drohend.
6000 Dollar für jeden Flieger mit neuen Gästen
Vielleicht, weil sein Vertrauen in die deutsch-türkischen Gemeinsamkeiten dann doch nicht grenzenlos ist, hat er aber auch wirtschaftliche Maßnahmen getroffen, um den Tourismus wieder anzukurbeln. So erhalten Reiseanbieter seit 2016 einen Treibstoffzuschlag, wenn sie der Türkei zu Besuchern verhelfen. Der werde auch 2017 weiter gezahlt, verkündet Avci. Diese Provision gibt es an nunmehr 14 türkischen Flughäfen. Konkret: 6000 Dollar, umgerechnet knapp 5700 Euro, bekommt, wer bis zu 200 Gäste in der Türkei ablädt, 7800 Dollar gibt es bei mehr Passagieren. Subventionen erhalten außerdem türkische Hoteliers, damit sie die Personalstärke trotz Unterbelegung halten können. Keine Abstriche in der Qualität, das ist die Botschaft. Die gleichen Services, das gleiche Preis-Leistungs-Verhältnis. „Haben Sie nicht den geringsten Zweifel daran“, sagt Avci offensiv. Die Reiseveranstalter würden ihr Portfolio sogar ausbauen. „Ohne die deutschen Reiseveranstalter“, lobt er, „wäre dieser Erfolg nicht möglich.“
Deutsche sollen nicht "Falschmeldungen aufsitzen"
Er würde der Einladung, sich selbst von der Gastfreundschaft zu überzeugen, ja gerne folgen, aber ob er denn keine Angst haben müsse, eingekerkert zu werden?, fragt ein anwesender Journalist. „So, wie Sie garantieren können, dass in Deutschland kein Journalist verhaftet wird, kann ich garantieren, dass in der Türkei kein Journalist verhaftet wird“, kontert Avci. Auch er wolle natürlich, dass der Journalist Deniz Yücel „so schnell wie möglich seine Unschuld beweist und in seine Heimat zurückkehren kann“, ergänzt er. Wie in Deutschland gebe es in der Türkei aber nun einmal eine Justiz, der man „Respekt zollen“ müsse.
Menschen in Deutschland sollten zudem nicht Falschmeldungen aufsitzen. „Es gibt einige, die versuchen, die Wahrnehmung zu manipulieren, unser Land schlechtzureden.“ Es sei wichtig, dass die Deutschen vernünftig aufgeklärt würden. Er selber will das aber offenbar nicht übernehmen. Sondern erinnert sich wieder daran, was er eigentlich vorhatte: Politik und Tourismus zu trennen.