EZB in der Kritik: Blackrock prüft Banken, an denen es selbst Anteile besitzt
Die EZB lässt den Finanzkonzern Blackrock Banken überprüfen, obwohl der Konzern Aktien von ihnen besitzt. Experten warnen vor einem Interessenskonflikt. Eine Recherche von Investigate Europe.
Für die amtliche Prüfung der Banken der Euro-Zone engagieren die Europäische Zentralbank (EZB) und die Aufsichtsbehörden einiger Euro-Länder seit 2011 immer wieder Experten des Finanzkonzerns Blackrock. Neben der EZB setzten auch die Zentralbanken in den Niederlanden, Spanien, Irland, Zypern und Griechenland auf die Berater der Firma „Blackrock Solutions“, ergaben Recherchen des Journalistenteams Investigate Europe.
Zugleich hält der weltgrößte Vermögensverwalter aber große Aktienpakete der geprüften Banken (siehe Tabelle). Den Vorwurf, dass die externen Berater einen Interessenkonflikt in die staatliche Bankenaufsicht tragen, weil ihr Arbeitgeber zugleich Großaktionär der betroffenen Banken ist, wiesen die Verantwortlichen bisher stets zurück. Es sei „vertraglich gesichert“, dass die Blackrock-Berater strikt getrennt vom übrigen Geschäft des Konzerns operieren, versicherte etwa die EZB.
Doch nun hat mit der griechischen Zentralbank erstmals eine der betroffenen Institutionen zugegeben, dass eine solche Trennung nicht garantiert werden kann. Auf Nachfrage schrieb ein Sprecher des griechischen Zentralbankgouverneurs an Investigate Europe, dass seine Behörde bei den im Jahr 2015 durchgeführten „Stresstests“ für die fünf griechischen Großbanken die Berater von Blackrock explizit „wegen potentieller Interessenkonflikte“ von der Beteiligung ausgeschlossen habe. Nähere Angaben, um welche Interessen es dabei ging, wollte er aber nicht machen.
Athen hatte schon einschlägige Erfahrungen gemacht
Bis dahin hatte die Behörde in Athen allerdings schon viel Erfahrung mit den Blackrock-Beratern gemacht. Auf Anweisung der Eurofinanzminister hatte sie Experten des US-Finanzriesen seit 2011 mehrfach ohne öffentliche Ausschreibung für die Prüfung der Bankbilanzen unter Vertrag genommen.
Dabei bekamen sie auch Zugang zu „physischen Kredit-Akten“ einschließlich der Daten der Kunden, räumt die Zentralbank ein. „Am Nachmittag gingen wir zu Blackrock, um ihnen unsere Aktien zu verkaufen; und zur gleichen Zeit kamen einige andere Jungs von Blackrock, um unsere Bücher zu überprüfen“, berichtet Michael Masourakis, der frühere Chefökonom der griechischen Alpha Bank, im Gespräch mit Investigate Europe. „Natürlich waren es nicht dieselben Leute. Aber haben sie sich abends bei einem Drink getroffen?“
Das könne niemand wissen. Er glaube nicht, dass der Konzern seinen Ruf riskieren würde, um mit den erhaltenen Daten kurzfristige Gewinne zu erzielen, meint der Ex-Banker. Aber natürlich würden diese Informationen „auf der höheren Führungsebene“ zusammenfließen, vermutet er – ein Risiko, dass der griechische Zentralbankgouverneur Giannis Stournaras bei den für die Zukunft Griechenlands entscheidenden Tests der Banken auf ihre Krisenanfälligkeit nicht mehr eingehen wollte.
Die EZB dagegen hatte keine Bedenken, den angeheuerten Unterstützern von Blackrock bei den entsprechenden europaweiten Stresstests für die 39 größten Banken der Euro-Zone im Jahr 2016 über mehrere Monate Zugang zu ähnlich sensiblen Daten zu geben, wie sie ihnen in Griechenland verwehrt wurden.
Wie es zu einer so unterschiedlichen Einschätzung des möglichen Interessenkonflikts innerhalb des Systems der Euro-Zentralbanken kommen konnte, wolle die EZB „nicht kommentieren“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Auch die Ausgaben für die externen Unterstützer und Zahl der eingesetzten Blackrock-Mitabeiter hält die EZB lieber geheim. Unabhängige Fachleute halten die Einbindung des amerikanischen Finanzriesen in die europäische Bankenaufsicht dagegen für höchst problematisch.
Da werde „einem privaten Unternehmen eine hoheitliche Aufgabe anvertraut, das ist grundsätzlich falsch“, mahnt der Bankökonom Martin Hellwig, ehemals Chef der Monopolkommission und Leiter des Max-Planck-Instituts für Gemeinschaftsgüter. Zudem erwachse aus dem exklusiven Zugang zu Europas höchster Aufsichtsbehörde „ein enormer strategischer Vorteil gegenüber allen Wettbewerbern“, meint auch Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim.
INVESTIGATE EUROPE ist ein Team von neun Journalisten aus acht europäischen Ländern, die für den Tagesspiegel und andere Zeitungen in Europa recherchieren. Unterstützt wird das Projekt durch die Hans-Böckler-Stiftung, die norwegische Stiftung Fritt Ord, die Stiftung Hübner & Kennedy, die GLS Treuhand, die Schöpflin-Stiftung, die Rudolf-Augstein-Stiftung und die Open Society Initiative for Europe.