CumEx-Urteil des BGH: Betrug ist Betrug – und endlich Gerechtigkeit hergestellt!
Die Tricksereien mit der Steuerrückerstattung von Dividenden sind strafbar. Vom quasi legalen Ausnutzen einer Steuerlücke kann keine Rede sein. Ein Kommentar.
Was sind zwei Leergutbons im Wert von 48 Cent und 82 Cent gegen Steuerbetrügereien über 30 Milliarden Euro? Emmely, mehr als 30 Jahre Kassiererin in einem Berliner Supermarkt, hatte die Bons gefunden und eingelöst. Sie wurde gefeuert.
Bei den Cum-Ex-Aktiendeals wirkte eine Interessengemeinschaft trickreicher Investoren, Banker und Steueranwälte über viele Jahre zusammen, um den Staat zu betrügen. Aus ihrer Sicht legal.
Emmely bekam am Ende Recht vor dem Bundesarbeitsgericht, das 2010 die Kündigung kassierte. Die Aufarbeitung der Cum-Ex-Räuberei dauert zehn Jahre nach dem Auffliegen an, doch das jetzige Urteil des Bundesgerichtshofs ist wegweisend: Betrug ist Betrug und strafbar. Cum-Ex war also keineswegs ein quasi legales Ausnutzen von Steuerlücken, sondern Steuerbetrug. Damit wird auch ein wenig gesamtgesellschaftliche Gerechtigkeit wieder hergestellt.
Denn wenn sich das Klischee verbreitet, „die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, haben wir ein Problem. Womöglich wiegt der Vertrauensverlust in den Rechtsstaat, in die Finanzbehörden und die Politik noch schwerer als der finanzielle Schaden, den die Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäfte angerichtet haben. Kein anderer Finanzskandal eignet sich besser für düstere Theorien als das kaum zu durchschauende Geschäft mit Aktien beziehungsweise den Dividenden, die ein Aktienbesitzer einmal im Jahr bekommt, wenn die Firma profitabel war.
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Bei Cum-Ex wurden Aktienpakete um den Dividendenzahltag herum in rascher Folge gehandelt, Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch. Durch das Verwirrspiel mehrerer Akteure wurde es unklar, wer Anspruch auf die Steuerrückerstattung der automatisch abgeführten Kapitalertragssteuer hatte. Am Ende wurde die Steuer mehrfach erstattet. Was für ein Irrsinn! Investoren, Börsenhändler und Banker teilten sich die Beute. Schaden für den deutschen Staat: Rund zehn Milliarden Euro.
Schätzungsweise doppelt so hoch ist der Verlust durch Cum-Cum-Geschäfte: Ausländische Inhaber deutscher Aktien, die keinen Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer haben, dealten rund um den Dividendenzahltag: Die Aktien wurden an eine in Deutschland sitzende Bank übertragen, die die Steuer zurückerstattet bekam. Dann gingen die Aktien wieder an den ursprünglichen Besitzer. Da zwei Drittel der größten deutschen Konzerne ausländischen Aktionären gehören, ist der Schaden noch größer als bei Cum-Ex.
Der bizarre Steuerraub ist seit dem Schließen von „Gesetzeslücken“ 2012 (Cum-Ex) und 2015 (Cum-Cum) nicht mehr möglich. Verstörend bleibt indes der Umstand, das Akteure im internationalen Finanzkapitalismus das deutsche Rechtssystem besser kannten und zu nutzen wussten als der Gesetzgeber und die Finanzbehörden. Auch in Hamburg.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs betrifft die Hamburger Privatbank Warburg, die sich an Cum-Ex-Deals beteiligt hatte und deshalb 176 Millionen Euro Steuern zurückzahlen muss. Damit erinnert das Urteil auch an die Rolle der Hamburger Politik, die unter dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und dem Finanzsenator Peter Tschentscher 2016 eine Verjährung zugunsten der Warburg Bank nicht verhindert hatte.
Aus Ahnungslosigkeit, Unfähigkeit oder Kumpanei? Das BGH-Urteil sollte den Finanzbehörden einen Schub geben, um zumindest einen Teil des Geldes zurückzuholen. Für die Staatskasse. Und für den Rechtsstaat.
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